Patientenbegleitung bei der Rauchentwöhnung

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Birgit Thiele-Scheipers

 … bzw. Tobacco Harm Reduction (THR) – Ein Praxiskonzept Teil 1 & 2

Eine Risikominimierung durch den vollständigen Umstieg auf alternative Nikotinprodukte wie E-Zigaretten, Kautabakbeutel, Tabakerhitzer etc. bei erwachsenen Rauchern, die ansonsten weiter rauchen würden, ist in Bezug auf die negativen Auswirkungen auf die Allgemeingesundheit, die Heilungsverläufe bei parodontalen Erkrankungen, das 6-fach erhöhte Risiko, an einer Parodontitis oder Periimplantitis zu erkranken und vor chirurgischen Eingriffen, eine wünschenswerte Thematisierung für das präventive Praxiskonzept. Eine komplette Raucherentwöhnung ist sicherlich ein Prozess, der sich gegebenenfalls über mehrere Jahre hinziehen kann und nicht nur durch Interventionen der Zahnarztpraxis gesteuert werden kann.

Vertrauen und Geduld als Basis

Jeder Patient ist individuell und teilweise so in seinen Gewohnheiten gefestigt, dass es schwer ist, ihn in ein Rauchentwöhnungskonzept einzubinden. Unsere Erfahrung zeigt, dass Patienten, die Vertrauen zum Praxisteam und Therapieansätzen haben, bereit sind zu einem Umdenkprozess in Bezug auf ihre Rauchgewohnheiten. Erste kleine Erfolge, wie zum Beispiel die Reduktion des täglichen Zigarettenkonsums gegebenenfalls mit dem Erfolg der Umstellung auf alternative Möglichkeiten für einen risikoärmeren Nikotinkonsum, entstehen durch eine gute Compliance und immer wiederkehrende Aufklärung. Wichtig ist uns, in Recallintervallen mit den Patienten über die positiven Auswirkungen der vollständigen Entwöhnung zu sprechen, ihn zu motivieren, zu sensibilisieren und zu informieren. In der Regel ist dies kein einfaches und schnelles Vorgehen, sondern es benötigt Zeit, ein gutes Vertrauensverhältnis zu den Patienten, eine gute sensible Kommunikation und schrittweises Vorgehen.

Akzeptanz für den Patienten

Lebensgewohnheiten, die lange den Alltag geprägt haben, können in den seltensten Fällen innerhalb kürzester Zeit komplett verändert werden. Die Bereitschaft der Patienten für eine Veränderung ist die wichtigste Voraussetzung um auch langfristig Erfolg zu haben. Es ist also gegebenenfalls ein ganzes „Praxisleben“ notwendig, den rauchenden Patienten immer wieder zu motivieren, zu informieren und Rückfälle einzukalkulieren.

Motivation und Kommunikation

Zu Beginn unserer präventiven Arbeit in der Praxis war die Patientengruppe Raucher eine im positiven Sinne, Herausforderung in der Motivation, Instruktion, Kommunikation und letztendlich im erfolgreichen Therapieverlauf. Die negativen Auswirkungen und  Begleiterscheinungen in Bezug auf Heilungsprozesse bei parodontalen Erkrankungen, nach chirurgischen Eingriffen, vor und nach Implantatsetzung (Periimplantitis), waren im Gegensatz zu Nichtrauchern deutlich zu sehen. Um über unsere Patienten nonverbal ihre Rauchgewohnheiten zu erfahren, erweiterten wir den Anamnesebogen mit Fragen in Bezug auf den Rauchkonsum.

Risiken des Zigarettenkonsums

Merkmale wie Schleimhautveränderungen – verschiedenste Formen von Präkanzerosen oder malignen Tumoren der Lippen, Zunge, Mund-und Rachenschleimhäute sowie der Speicheldrüsen lassen sich auf die schädlichen Inhaltsstoffe des Tabakrauchens zurückführen. Zungenbelag, durch Tabakrauch oft gelblich/bräunlich eingefärbt, führt mit gegebenenfalls weiteren Plaqueablagerungen in den Zwischenräumen oder/und auf den Zähnen zu Halitosis. Eine unangenehme Begleiterscheinung, die vom Patienten oft nicht wahrgenommen wird. Ein ebenfalls sensibles Thema, dass jedoch auch Aufklärung und Therapiemaßnahmen bedarf.

Die Angaben in der Anamnese ermöglichen uns den Einstieg zu einem ersten Aufklärungs-beziehungsweise Beratungsgespräch. Einige Patienten bemerken selbst Veränderungen an den Schleimhäuten oder im Bereich Halitosis. Diese Ansätze sind für uns in der  Gesprächsführung Grundlage und Einstieg, um dem Patienten die Zusammenhänge zwischen diesen Symptomen und der Gefahr des Zigarettenkonsums aufzuzeigen. Über einen sensiblen und vertrauensvollen Umgang mit den Patienten stellen wir den Bezug zwischen den Auswirkungen der Schadstoffe des Zigarettenrauchs auf die Mund- beziehungsweise Allgemeingesundheit dar. Durch stetige Fort- und Weiterbildungen wurde uns Step by Step bewusster wie wichtig und entscheidend das Hintergrundwissen über die Folgen des Rauchens in Bezug zur Allgemeingesundheit, das 6-fach erhöhte Risiko an einer Parodontitis zu erkranken, der schlechte postoperative Wundheilungsverlauf und der sensible Umgang in der Kommunikation mit dieser Patientengruppe ist.

Konzept Rauchentwöhnung

Durch regelmäßige Teambesprechungen und Weiterbildungen ist in unserer Praxis ein patientengerechtes innovatives Konzept entwickelt worden, indem wir allen Rauchern ein Beratungsgespräch außerhalb eines Behandlungstermins anbieten, dass ihre individuellen Bedürfnisse im Hinblick auf ihre Lebensgewohnheiten, Erkrankungen und Risiken versucht (unter Berücksichtigung der erforderlichen Behandlungen und Therapien) berücksichtigt. Bei der tagesaktuellen (!) Anamnese, in der wir auch die Allgemeinerkrankungen und die Ernährungsgewohnheiten (Gefahr Mikronährstoffmangel – Die Schutzsysteme des Körpers verbrauchen mit jeder Zigarette bis zu 35 mg Vitamin C. Das ist ein Drittel der of ziellen Zufuhrempfehlung für einen Tag!) betrachten, ist einer der wichtigsten Nachfragen warum der Patient raucht. Für einen Großteil der Patienten ist es der Genuss zur Entspannung, gegebenenfalls kombiniert mit einer Tasse Kaffee und das Genießen des Rauchens in der Gemeinschaft auf Festen etc. oder beides zusammen. Andere benannten es als pure Gewohnheit, teilweise bereits schon als Sucht.

Sichtbare Veränderungen für Patienten eindeutiger als klinische!

Die sichtbaren dunklen Veränderungen auf den Zähnen und auf der Zunge sind sicherlich die ungefährlichsten, aber der Grund, warum die Patienten eine medizinische Zahnreinigung wünschen. Die Verfärbungen stellen zu dem gewünschten Lifestyle kein gutes Äußeres dar und  sollen möglichst regelmäßig und am besten nie wiederkehrbar entfernt werden. Bedenken, dass die Gingiva und die Mundschleimhaut durch zum Beispiel Keratinisation und den bereits aufgeführten Veränderungen in Mitleidenschaft gezogen werden, ist für die Patienten oft schwer vorstellbar. Geschmacksveränderungen durch die Schadstoffe im Zigarettenrauch bemerken die Patienten oftmals nicht. Auch Beeinträchtigungen der Immunfunktion des marginalen Parodontium und damit vergesellschaftetem alveolärem Knochenabbau und schleichende Implantatverluste sieht der Patient nicht im Kontext mit seinem Rauchverhalten. Ebenfalls fällt es den Patienten schwer, die Verbindung zwischen Mundgesundheit und Allgemeingesundheit- und Erkrankungen herzustellen.

Wir erleben es immer wieder in der Praxis, dass bei der Parodontitisbefundung die Patienten über den Befund erschrocken sind, da sie immer wieder angeben, doch keine Blutung bei Zähneputzen festgestellt haben. Eine Blutung wäre in ihrem Sinne das sichere Zeichen einer Entzündung und Erkrankung gewesen, objektiver als unsere Messung des Knochenverlustes (TST). Durch die Keratinisation (Verhornung) des Gewebes wird jedoch die Durchblutung stark bis ganz reduziert, sodass es zu keiner spontanen Blutung beim Zähneputzen, teilweise sogar bei der Behandlung kommen kann. Da also für den Patienten oberflächlich betrachtet erst mal keine schlimmen Symptome erkennbar sind, reagiert er nur zu menschlich mit dem Selbstschutz bis jetzt keinerlei oder nur geringe, wahrscheinlich altersabhängige Nebenwirkungen zu bemerken.

Abb. 1 bis 4: Dokumentation eines parodontal erkrankten Rauchers mit Mikronährstoff Mangelerscheinungen. Verlauf der systematischen parodontalen Erkrankung und THR bis hin zum heutigen äußerst stabilen Ergebnis. Therapieverlauf zwei Jahre mit PA-Therapie und THR-Motivation plus Ernährungsergänzung mit Mikronährstoffen – vor allem Vitamin D und C. Abb. 5 und 6: Zungenreinigung vorher/nachher beim Raucher – mit Halitosis Befundung

Allgemeinerkrankungen und Zigarettenrauch

Der Zusammenhang zwischen koronaren Herzerkrankungen, Schlaganfall und anderen Allgemeinerkrankungen wird bei dieser Patientengruppe im Aufklärungsgespräch mit eingebunden. Der Patient, den wir als Teil unseres Teams sehen, soll verstehen lernen, dass eine Verbindung zwischen dem Mundbefund und der Gefahr einen Herzinfarkt und/oder Schlaganfall zu erleiden, besteht. Sind die Gefäße im Mundbereich geschädigt, so macht dieser Fortschritt auch nicht in anderen Körperbereichen und Organen halt. Würde der Patient mit dem Rauchen aufhören, wird es zu spontanen Blutungen kommen, da sich die Gefäße, wenn noch nicht allzu großer Schaden angerichtet ist, wieder regenerieren und durchbluten können. Der Zeitraum zwischen Blutungsauftreten und Rauchreduktion beziehungsweise Rauchstopp hängt davon ab, wie viel Zigaretten der Patient gegebenenfalls schon über einen längeren Zeitraum konsumiert hat.

Mikronährstoffmangel

Der Knochenabbau wird bei Rauchern zusätzlich durch Vitamin D-Mangel gefördert, da Raucher in Bezug zu Nichtrauchern einen viel höheren Bedarf an Mikronährstoffen haben, dieses jedoch in der Regel nicht wissen oder den gesunden vitaminreichen Lebensmitteln nicht besonders zugewandt sind. Wir empfehlen besonders bei sehr auffälligen Befunden eine interdisziplinäre Zusammenarbeit mit dem Hausarzt, um durch Blutanalysen festzustellen, wo der Vitamin D-Wert liegt und eine Supplementierung von Vitamin D-Präparaten notwendig ist. Zum Schnellcheck in der Praxis arbeiten wir mit einem Vitaminmesswert Gerät (Vitality Health Check).

Tipp

Bei der Blutuntersuchung sollte auch eine versteckte Diabetes mellitus Erkrankung abgeklärt werden, oder bei bereits erkrankten Patienten der HbA1c-Wert. Dieser Wert liegt bei circa 6,5 bis 7,5 im Normbereich. Ein höherer Wert wäre im Bezug zur Wundheilung und in der Parodontitistherapie zu beachten. Vertrauen der Patienten in das Praxiskonzept Verschiedenen Patientengruppen mit verschiedenen Interessen und Wichtigkeiten benötigen individuelle Begleitung und Aufklärung! Wir erkennen immer wieder, dass der Patient, je besser und individueller er aufgeklärt wird, immer mehr Vertrauen in den Behandler, seine Ausführungen und präventiven Konzepte hat. Kleine Rückschläge sollten einkalkuliert werden. Uns ist es wichtig, kleine, für den Patienten nachvollziehbare Ziele und Aussichten aufzuzeigen, ohne ihn dabei zu über- beziehungsweise unterfordern.


Teil 2

Flyer und Themenwahl im Wartebereich über Monitor

Weltnichtrauchertag 31. Mai

Um unsere Patienten auf das Thema Tobacco Harm Reduction und Rauchstopp aufmerksam zu machen, liegen in unserer Praxis nicht nur Info Broschüren aus, sondern es werden im Wartebereich über den Monitor Infos über die Nebenwirkungen des Rauchens sowohl auf die Allgemeingesundheit, wie auch die Mundgesundheit mit Hinweis auf weitere individuelle Beratung, angezeigt. Diese Information, ohne dass wir die Patienten direkt ansprechen, zeigt den Patienten das das Thema Rauchen beziehungsweise Raucherentwöhnung seinen Stellenwert hat und in unserer Praxis kein Tabuthema ist. Der Einstieg in ein Beratungsgespräch ist mit dieser Grundlage oftmals um ein Vielfaches vereinfacht.

Zum festen Bestandteil ist in der Praxis die Aufmerksamkeit auf den Weltnichtrauchertag geworden. Circa vier Wochen vor und nach diesem Tag werden, ähnlich wie beim Tag der Zahngesundheit, besondere Aktionen angeboten. So berechnen wir die Zungenreinigung nicht gesondert, eine Ernährungsberatung oder ein erster Einstieg in das Konzept der Raucherentwöhnung werden angeboten. Oftmals sind es schon diese kleinen Ansätze die den Patienten offen für mehr werden lassen und können ein guter Anfang sein, der mit der Zeit ausgebaut und erweitert werden kann.

Patienten die seit langer Zeit die Gewohnheit haben zu rauchen, können und werden in den seltensten Fällen das Nikotinhaltige Rauchen sofort einstellen oder sich alternative Nikotinprodukte wie E-Zigaretten, Kautabakbeutel, Tabakerhitzer, Nikotinpflaster oder Kaugummis etc. suchen. Eine schwere Allgemeinerkrankung oder die Sensibilität durch die Covid-19-Pandemie löst bei einigen Patienten einen Schreckensmoment aus, indem sie dann vom Kopf her bereit sind eine Verhaltensänderung durchzuführen. Andere Patienten wiederum berichten uns, dass es gerade durch die Pandemie und die dadurch verursachten zusätzlichen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Stressfaktoren zu einer großen alltäglichen Herausforderung wurde den verminderten bzw. normalen Rauchkonsum zu belassen oder einzuschränken.

Motivationsverstärker

Nur durch die regelmäßig wiederkehrende Motivation seitens unseres Teams, konnten wir viele Patienten davon überzeugen den eingeschlagenen Weg der Raucherentwöhnung weiter beizubehalten. Wir sehen durch die neuen PA-Richtlinien für viele Raucher eine große Chance über die hohe Anzahl an UPT´s im Grad C, immer wieder im Gespräch mit ihnen zu bleiben. Das Screeningprogramm ParoStatus.de unterstützt unsere Praxis bei der Befundaufnahme (TST/BAS), bei der ATG (parodontlogisches Aufklärung- und Therapiegespräch) und der MHU (patientenindividuelle Mundhygieneunterweisung), sodass ich Patientenindividuell den aktuellen Befund und den weiteren Therapieverlauf mit dem Patienten besprechen kann. Jeder Befund wird für die parodontale Behandlungsstrecke gespeichert und ich erkläre dem Patienten im Verlauf seiner Behandlungstermine über das PA-Vergleichsmodul den Therapieverlauf. Da sich in der Regel die Befunde stetig verbessern, kann ich dieses Verfahren sehr gut als Motivationsverstärker für den Patienten nutzen.

Wichtig war es uns immer folgenden Grundsatz zu beachten: Menschen lieben ihre Gewohnheiten und wollen sie am liebsten beibehalten. Ein Verhaltensänderung muss für die Patienten erkennbare und schlüssige Ergebnisse mit sich bringen.

Minus 1 Zigarette – Anreize schaffen

Das Motto in unserer Praxis! Bevor der Patient durch einen komplette Raucherentwöhnung oder Reduktion von gegebenenfalls 10 Zigaretten pro Tag eingeschüchtert und abgeschreckt wird, sind wir zu der Überzeugung gekommen, dass wir den Patienten vorschlagen, von ihrem bisherigem Verbrauch in der ersten Zeit 1 Zigarette einzusparen und die Anzahl gegebenenfalls zu steigern.

Was passierte nach Aussagen der ersten Patienten denen wir diesen Vorschlag machten? Sie wurden jetzt erst aufmerksam wieviel Zigaretten oder Päckchen sie an einem Tag konsumierten! Die Gewohnheit ließ die Aufmerksamkeit über den Verbrauch weichen.

Durch das sensibilisieren kommt der finanzielle Aspekt zum Vorschein und viele Patienten erkennen, dass sie weit mehr am Tag rauchen und pro Tag für ihren Nikotinkonsum ausgeben, als sie gedacht hätten. Den Anreiz der Ersparnis gegebenenfalls für ein schönes Essen oder sogar langfristig für eine Reise verändert bei den Patienten das Bewusstsein des Rauchens. Wenn sie dann noch eine verbesserte Lebensqualität durch bessere Atmung, weniger Entzündungen und bessere Heilung, gerade im Bereich parodontaler Erkrankungen verspüren, dann sind für alle Seiten Erfolge sicht- und merkbar. Für eine dauerhafte Veränderung ist der Schlüsselfaktor nicht das überreden des Patienten, sondern dass der Patient versteht und überzeugt ist vom positiven Nutzen einer Raucherentwöhnung beziehungsweise dem Rauchstopp.

Motivierende Gesprächsführung die mit Lob und Anerkennung auch für kleinste Schritte / Ziele einhergeht (Motivational Interviewing MI)

Diese evidenzbasierte Gesprächsintervention ist nachgewiesenermaßen eine der besten Grundlagen um das Verhalten der Patienten langfristig zu verändern. Für unsere zahnmedizinische Prävention und Therapie in der Praxis, spielt die Mitarbeit der Patienten und die Zusammenarbeit aller Beteiligten eine entscheidende Rolle (Compliance). Das Team sollte über die Gefahren der Schadstoffe im Nikotin und über eine sensible und motivierende Kommunikation und Gesprächsführung verfügen um den Patienten fachgerecht und sachlich zu beraten und bei der Umstellung auf gegebenenfalls Nikotinfreie Alternativen zu begleiten.

Tabakrauchen ist zweifelsohne schädlich für die Allgemein- und Zahngesundheit. Insbesondere die Mundschleimhäute, Zähne und deren Zahnhaltapparat sind gefährdet. Diese Gefahren versuchen wir Patienten aller potentiellen Rauchergruppen zu vermitteln. Patienten die beim Rauchen inhalieren, transportieren das Nikotin deutlich schneller ins Blut und damit ins Gehirn, als das Nikotin aus Kautabak oder tabakfreien Nikotinbeuteln das über die Mundschleimhaut aufgenommen wird.

Tobacco Harm Reduction (THR) bzw. Rauchstopp ist Teamarbeit

Für unser Praxisteam bedeutet die Anwendung der motivierenden Gesprächsführung im Beratungsgespräch, dass wir versuchen mit dem Patienten gemeinsam eine vertrauensvolle Basis zu schaffen und sehen sie als Teil eines Teams. Ein einzelner schafft oft nur in kleinen Schritten und in großen Zeiträumen vorwärts zu kommen. Ein Team unterstützt und ermutigt sich gegenseitig und hilft bei Rückschlägen.

Als wichtige Grundlage gelten sechs Regeln:

  • Die Bereitschaft des Patienten, seine Gewohnheiten zu ändern
  • Unsere Bereitschaft den Patienten dabei individuell zu unterstützen
  • Aktiv Zuzuhören und zu reflektieren
  • Offene Fragen zu stellen
  • Mit Frustationen auf beiden Seiten rechnen und umgehen können (Frustationstoleranz!)
  • Den Patienten bestätigen und selbstmotivierende Aussagen durch die Gesprächsführung hervorrufen

Bei jeglichen Interventionen mit Patienten ist zu berücksichtigen, dass wir tagtäglich mit unterschiedlichen Patiententypen, mit unterschiedlichen Fähigkeiten, Wissensständen und Motivationsstörungen umgehen müssen. Aber liegt nicht genau darin die Herausforderung unserer alltäglichen Arbeit in der Praxis? Herauszufinden, wie ich den Patienten zu einer Verhaltensänderung motivieren und nachhaltig instruieren kann, gehört sicherlich zu einer der spannensten und herausfordernsten Tätigkeiten in unserer Praxistätigkeit.

Mit dem Wissen über die positiven Auswirkungen, ist es für unser Praxisteam selbstverständlich geworden, in unserem präventiven Konzept das Thema Raucherentwöhnung zu etablieren. Lob und Anerkennung selbst für kleinste Verhaltensänderungen sind beste Voraussetzungen für erste Ziele. Nachhaltige Behandlungserfolge ergeben sich durch die Zusammen – und Mitarbeit der Patienten.

Tipp zur Raucherentwöhnung: Next Generation Produkte (NGP´s)

  • E-Zigaretten (ohne Nikotin)
  • Tabakerhitzer
  • Tabakfreie Nikotinbeutel
  • Nikotinpflaster oder – Kaugummi

Vorteil:

  • Kein Tabak wird verbrannt
  • Vielzahl der Schadstoffe und Noxen infolge der Verbrennung werden vermieden
  • Weniger schadstoffhaltige (nicht schadstofffreie!) Zusammensetzung
  • Vollkommener Verzicht auf Nikotin möglich

Schadstoffe im Tabakrauch und Nikotin

  • Insgesamt 69 als krebserregend eingestufte Substanzen
  • a. Benzol, Blausäure, Formaldehyd, Acetaldehyd, Acrolein
  • Kohlenstoffmonoxid – geruchlos, Bluttoxisch

Rauchverzicht hat erheblichen unmittelbaren gesundheitlichen Nutzen!

Der Verzicht auf das Rauchen wirkt sich unmittelbar und langfristig positiv auf die Gesundheit aus. Diese Aussicht ist eine der ersten Aussagen, die wir unseren Patienten im Beratungsgespräch mitteilen. Positive Aussichten stärken und ermutigen den Patienten gewohnte und liebgewonnene Rituale zu ändern.

Veränderungen nach Rauchverzicht:

  • Risiken wie 6fach erhöhtes Risiko an einer PA zu erkranken sinken
  • Gewebeneubildung, die durch Rauchen extrem gestört ist, wird gefördert
  • Wundheilungsstörungen werden vermindert beziehungsweise der Heilungsverlauf und damit der Therapieverlauf nach parodontalen und chirurgischen Behandlungen werden positiv beeinflusst
  • Halitosis Risiko vermindert sich
  • 20 Minuten nach dem Rauchen sinkt die Herzfrequenz
  • Innerhalb von 12 Std. sinkt der Kohlenmonoxid-Spiegel im Blut auf einen Normalwert
  • Innerhalb von 2 bis 12 Wochen verbessert sich die Durchblutung und die Lungenfunktion
  • Innerhalb von 1 bis 9 Monaten lassen Hustenanfälle und Atemnot nach.
  • Innerhalb von 5 bis 15 Jahren liegt das Risiko für einen Schlaganfall bei dem eines Nichtrauchers
  • Innerhalb von 10 Jahren ist die Streberate aufgrund von Lungenkrebs nur noch in etwas halb so hoch wie die eines Rauchers
  • Innerhalb von 15 Jahren liegt das Risiko für ein Herzleiden bei dem eines Nichtrauchers

Nach den neuen PA-Richtlinien gilt der Patient ab dem Tag wo er aufgehört hat zu rauchen, als Nichtraucher.

Abrechnung Beratungsgespräch

  • GOÄ 34a – Ausführliche Nikotin Entwöhnungsberatung, je angefangene 15 min gemäß §6 (1) GOZ entsprechend GOÄ 34, Erörterung der Auswirkungen einer Krankheit auf die Lebensgestaltung
  • Honorar: 35,00 € für ein Beratungsgespräch je angefangene 15 min

Fazit

Prävention in der Praxis beinhaltet ein gut strukturiertes Konzept für alle Patientengruppen und deren Bedürfnisse. Gerade die Raucher gehören zu der gefährdeten Gruppe verstärkt unter Wundheilungsstörungen, parodontalen Erkrankungen, Halitosis und Mikronährstoffmangel zu leiden. Kommen noch Allgemeinerkrankungen wie Diabetes mellitus, koronare Herzerkrankungen uvm. hinzu, sind die Auswirkungen der Schadstoffe des Nikotins für die Patienten oftmals lebensbedrohlich. Ihre Lebensqualität wird durch die Verschlechterung des Allgemeinbefindens stark eingeschränkt.

Unsere Aufgabe in der Praxis muss es sein, den Patienten über die Gefahren des Nikotins und des Tabakrauchs aufzuklären. Die Verantwortlichkeit für ihr Handeln liegt jedoch nicht in unserem Ermessen, sondern ist sicherlich die Eigenverantwortlichkeit eines jeden Patienten. Erwachsene Patienten, die seit langer Zeit eine Gewohnheit haben, müssen gut motiviert und sensibilisiert werden, um bereit zu sein, ihr Verhalten schrittweise und mit Unterstützung gegebenenfalls von Fachärzten, langfristig zu ändern. Mit Rückschlägen muss gerechnet werden, da es nur menschlich ist, in seine gewohnten Strukturen zu verfallen.

Im Praxisalltag hilft uns die motivierende Gesprächsführung, mit dem Patienten auf einer sensiblen, taktilen und motivierenden Ebene im Gespräch zu bleiben! Lob und Anerkennung selbst für kleinste Veränderungen, stärken das Umdenken und die Motivation des Patienten. Tadel und Unverständnis erzielt jedoch nur noch mehr Frustration auf beiden Seiten. Der Patient gehört zum Team dazu und als Teil dessen ist es die Aufgabe der anderen Teammitglieder (Praxisteam) zu motivieren und eine gute Compliance aufzubauen. Dadurch können dauerhafte Erfolge entstehen, die auch mal kleine Rückschläge verkraften können. Empathie und Verständnis für den Patienten und seine Lebenssituationen sind der Schlüssel für den Beginn einer guten Zusammenarbeit.

Menschen brauchen Motivation und Zeit, Gewohnheiten zu verändern, aber mit der Aussicht auf Verbesserung oder Stabilisierung ihrer Mund-Allgemeingesundheit und Lebensqualität gehen viele Patienten gerne auf unsere Instruktionen und Vorschläge ein.

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