Risikogebiet Interdentalraum

TePe, Adobe Photostock
Marina Pommée M.Sc., Dr. Ralf Seltmann M.A., Senior Manager Clinical Affairs

Diabetespatienten und ihre zahnmedizinischen Heraus­for­derungen

Jedes Jahr am 14. November findet der Weltdiabetestag statt, der die Aufmerksamkeit auf Dia­be­tes Mellitus lenkt. Es geht um Möglichkeiten für Diabetiker, ihre An­ge­­hörigen aber auch nicht Betroffene, sich umfassend über die Volkskrankheit Diabetes zu informieren. Da Parodontitis und die sogenannte Zuckerkrankheit in enger Wechselwirkung zueinander ste­hen, spielen auch Zahnarztpraxen eine große Rolle, wenn es darum geht, auf diese Verbindungen aufmerksam zu machen.

Seit fast 80 Jahren beschäftigt sich die Wissenschaft mit den Zusammenhängen von Diabe­tes Mellitus und oralen Erkrankungen. Beide Krankheiten weisen ähnliche Risikofaktoren auf, die mit unseren westlich geprägten Lebensgewohnheiten einhergehen. Dazu gehören zum Beispiel Rau­chen, fett- und zuckerreiche Ernährung, Übergewicht sowie Bewegungsmangel und Stress. Beide Erkrankungen sind chro­nisch und nicht übertragbar. Sie gelten als Volkskrankheiten mit ho­her Dun­­kelzif­fer. Die klinische Praxis zeigt, dass sie oft erst im fortgeschrittenen Stadium erkannt werden. Darüber hinaus steigt bei bei­den das Erkrankungsrisiko mit dem Alter.1 Die Zu­sam­­men­hänge sind mittlerweile intensiv untersucht und die Wechselwirkungen gelten als gesichert2. Dieser Sach­verhalt fand auch Ein­gang in die neue PA-Richtlinie, in der Dia­be­tes als Faktor für den Erkran­kungsgrad b­e­rück­sichtigt wird3.

Wechselwirkung Parodontitis und Diabetes

Vereinfacht kann man es sich so vorstellen: Ausgehend von lokalen PA-Entzündungen werden über die Blutbahn fortlaufend Bakterien und ihre Stoffwechselprodukte in den gesamten Organismus gestreut. Dadurch wird eine systemische Bakteriämie unterhalten. Entzündungsbotenstoffe können an Insulinrezeptoren andocken und so die Glukoseaufnahme der Zellen negativ beeinflussen. Ein erhöhter Blutzuckerspiegel und eine Verschlechterung des Diabetes sind die Folgen.

Patienten mit unentdecktem oder schlecht eingestelltem Diabetes weisen ein erhöhtes Risiko für parodontale Erkrankung auf, 86 Prozent höher als beim Nicht-Diabetiker4. So ist Parodon­titis mittlerweile auch als Folgeerkrankung des Diabetes anerkannt8. Andersherum haben es Patienten mit unbehandelter Parodontitis schwerer, ihren Diabetes einzustellen. Auch das Risiko, überhaupt Diabetiker zu werden ist erhöht – um 53 Prozent5. Es ist also besonders wichtig, diese Wechselwirkungen zu beeinflussen, weil beide Erkrankungen zudem schneller voranschreiten, wenn sie zugleich vorliegen6. Wissenswert ist auch, dass Diabetes nicht nur ein Risiko für das Parodont darstellt. Auch Ver­bindungen mit Karies, Mundschleimhautveränderungen oder sogar en­dodontischen Befunden werden diskutiert7. Erfreulich ist, dass die PA-Therapie den Langzeitblutzuckertest (HbA1c) positiv beeinflus­sen kann1.

Was also ist zu tun?

Vielen Patienten fehlen Kenntnisse zum Zusammenhang von Mund- und Allgemeinge­sund­heit9. Selbst von Patienten mit chronischen Erkrankungen, die gemeinhin als gut aufgeklärt gelt­en, weiß noch nicht einmal die Hälfte, dass es derartige Zusammenhänge über­haupt gibt10. Es ist also noch viel Aufklärung zu Entstehung, Vorbeugung und Thera­pie in den Praxen nötig. Daneben gehört auch eine gute Zu­sam­men­arbeit verschiedener Fach­dis­ziplinen zur bestmöglichen Versorgung dazu. Es wird em­pfohlen, dabei das zahnmedizini­sche wie auch das ­medizi­ni­sche Team (Haus­arzt, Diabeto­loge, Diabetesassistenz und Ernährungsberatung) sowie die Pa­tienten selbst und wenn nötig oder möglich auch Angehörige einzubeziehen9. Wer Risiko­pa­tienten in der Zahnarztpraxis erkennen will, für den können zum Beispiel Fragebögen zur Risiko­identi­fika­tion oder laborme­dizinische Screeningverfahren hilfreich sein9. Auch Diabetiker, deren Zucker gut eingestellt ist, sind meist dankbar, über die Bedeutung der Mundgesundheit beziehungsweise ihr orales Erkrankungsrisiko aufgeklärt zu werden.

Gemeinsam klären der Bundesverband niedergelassener Diabetologen und die Bundeszahnärztekammer über diese Zusammenhänge auf – kostenloses Material dazu gibt’s unter paro-check.de. Um die Patientenkommunikation zu unterstützen bietet TePe auch kostenlose Broschüren an.


Literatur

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[4] Nascimento GG, Leite FRM, Vestergaard P, Scheutz F, López R (2018): Does diabetes increase the risk of periodontitis? A systematic review and meta-regression analysis of longitudinal prospective studies. Acta Diabetol;55(7):653ff.
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[6] Kocher T, König J, Borgnakke WS, Pink C, Meisel P (2018): Periodontal complications of hypergly­ce­­mia/diabetes mellitus: Epidemiologic complexity and clinical challenge. Periodontol 2000;78(1):59ff.
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[8] Adda G, Aimetti M, Citterio F, Consoli A, Di Bartolo P, Landi L, Lione L, Luzi L (2021): Consensus report of the joint workshop of the Italian Society of Diabetology, Italian Society of Periodontology and Implantology, Italian Association of Clinical Diabetologists (SID-SIdP-AMD). Nutr Metab Car­diovasc Dis;31(9):2515ff.
[9] Schmalz G, Kreher D, Ziebolz D (2022): Biologische und klinische Assoziationen von oraler Gesundheit und Diabetes. Zahnärztliche Mitteilungen;14:66ff
[10] Akl S, Ranatunga M, Long S, Jennings E, Nimmo A (2021): A systematic review investigating patient knowledge and awareness on the association between oral health and their systemic condition. BMC Public Health;21(1):2077.

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