RECHTeinfach 04/22 Entfernung Wurzelkanalfüllmaterial
Bisweilen wird die Auffassung vertreten, die Geb.-Nr. 2410 GOZ Aufbereitung eines Wurzelkanals auch retrograd, je Kanal, gegebenenfalls in mehreren Sitzungen umfasse auch eine zuvor erfolgte Entfernung vorhandenen definitiven Wurzelkanalfüllmaterials.
Nachdem bereits mehrere Zivilgerichte dieser Einschätzung entgegengetreten sind, hat nunmehr auch der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (Az.: 2 S 1307/21 vom 7.09.2021) unter Bezugnahme zu diesen Urteilen entschieden, dass die Entfernung alten Wurzelkanalfüllmaterials im Rahmen einer Wurzelkanalrevision eine selbstständige, gemäß § 6 Abs. 1 GOZ analog zu berechnende Leistung darstellt.
Gerade die gesonderte Berechnungsfähigkeit der Geb.-Nr. 2360 GOZ Exstirpation der vitalen Pulpa einschließlich Excavieren, je Kanal und derGeb.-Nr. 2300 GOZ Entfernung eines Wurzelstiftes (ebenso die Entfernung nekrotischen Pulpengewebes gemäß § 6 Abs. 1 GOZ analog, Anm. d. Verf.) zeigten, dass die Wurzelkanalaufbereitung nicht die Entfernung von Materialien und Geweben aus dem Wurzelkanal beschreibe, sondern dessen Aufweitung.
Nach welcher Gebührennummer die Entfernung alten Wurzelkanalfüllmaterials im Wege der Analogie zu berechnen ist, wird in den zivilgerichtlichen Entscheidungen nicht einheitlich beantwortet. Der Verwaltungsgerichtshof sah mindestens die Geb.-Nr. 2410 GOZ als vergleichbar an.
Spotlight 04/22 Elektronische Dokumentation
Seit Inkrafttreten des „Patientenrechtegesetzes“ ist auf Grund §630f des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) die Behandlungsdokumentation, sofern sie elektronisch erfolgt,in qualifizierter Form vorzunehmen. Das bedeutet, dass nachträgliche Änderungen, deren Zeitpunkt und der ursprüngliche Inhalt erkennbar sein müssen.
Diese Anforderung kann erfüllt werden, indem die EDV-gestützte Dokumentation an einen zertifizierten externen Dienstleister („Trust Center“) gesendet und dort vor Rücksendung an die Praxis mit einem elektronischen Fingerabdruck versehen wird, der jede noch so kleine nachträgliche Veränderung und deren Zeitpunkt am Dokument sichtbar werden lässt.
Aktuell hat der Bundesgerichtshof in einem die Entscheidung der Vorinstanz aufhebenden Urteil (Az.: VI ZR 84/19 vom 27.04.2021) einer elektronischen Dokumentation, die diesen Anforderungen nicht genügt, die positive Indizwirkung und damit die volle Beweiskraft zu Gunsten des Arztes abgesprochen.
Das bedeutet allerdings nicht, dass eine solche, nicht qualifizierte elektronische Dokumentation bei der Beweiswürdigung vollständig unberücksichtigt zu bleiben hat. Sie ist vielmehr in der Gesamtbetrachtung der Verhandlung und der Beweisaufnahme bei der Urteilsfindung einer sorgfältigen, in Anbetracht der fehlenden Veränderungssicherheit aber auch kritischen Würdigung zu unterziehen.