Anlässlich des 100-jährigen Jubiläums der GC Corporation hat GC Ende September 2020 interdisziplinär arbeitende Experten der DACH-Region für ihr erstes Online-Symposium rund um die Schmelzbildungsstörung Molaren-Inzisiven-Hypomineralisation (MIH) versammelt. In fünf Webinaren wurden aktuelle Erkenntnisse, neue diagnostische Verfahren sowie präventive und restaurative MIH-Behandlungen und Lösungsansätze präsentiert.
Die Teilnehmer konnten im Anschluss mit den Referenten die vorgestellten Inhalte diskutieren und darüber hinaus zertifizierte Fortbildungspunkte erwerben. Das Thema traf auf sehr großes Interesse: mehr als 9.700 Teilnehmer registrierten sich für das Symposium.
Prof. Jan Kühnisch eröffnete die Webinarreihe mit der Vorstellung der MIH. 1987 erstmals als eigenständiges Krankheitsgeschehen beschrieben, ist sie keine neue Erkrankung: So findet sie sich auch an Zähnen 800 Jahre alter Schädel. Der Anteil von Kindern mit MIH liegt weltweit recht stabil bei 15 Prozent. 90 Prozent der MIH-Fälle zeigen milde Verläufe. Klinisch dominieren scharf abgegrenzte Opazitäten/ Hypomineralisationen von weiß bis braun, in Kategorie 2 prä- und posteruptive Schmelzeinbrüche. Sekundärbefunde sind atypische Restaurationen (eher höckerüberziehend oder an Glattflächen) und Extraktionen. Das für die Kinder schmerzvollste Symptom ist die Hypersensibilität durch die Porosität des proteinreichen, kalziumarmen Schmelzes.
Schnelle Hilfe bei Hypersensibilitäten
Hier setzte Dr. Richard Steffens Webinar zur Schmerzkontrolle bei der MIH-Behandlung an. Hypersensibilitäten treten bei 35 Prozent der milden Verläufe und bei mehr als der Hälfte der schweren Verläufe auf. Diese Zähne schmerzen dauerhaft. Wichtig ist hier die schnelle Hilfe in der Erstversorgung, um die Compliance zu erhalten oder wiederherzustellen. Das bedeutet beispielsweise, die Zähne statt mit Luftpuster und Absauger mit Watteröllchen trockenzulegen. Ist das nicht möglich, sollte mit Glasionomeren gearbeitet werden. Ein Problem ist auch die schlechte Anästhesierbarkeit dieser Zähne.
Steffen war mit Prof. Katrin Bekes und Prof. Norbert Krämer einer der Entwickler des Würzburger Konzepts, das anhand der zwei Parameter Substanzverlust und Hypersensibilität die MIH-Symptomatik in vier Stadien eines Treatment Need Index (TNI) einteilt und daraus eine Therapiekaskade entwickelt. Dieses Konzept wurde von Bekes und Krämer in ihrem Webinar gemeinsam vorgestellt. Es umfasst Prophylaxe- und Remineralisationsmaßnahmen, restaurative Ansätze sowie die Extraktion der betroffenen Zähne.
Fluoride? Kalziumspender? Oder beides?
Bewährt haben sich bei MIH vor allem kalziumspendende Präparate wie GC Tooth Mousse mit CPP-ACP oder TCP. In einer Studie von Baroni wurden nach täglichen Intensivbehandlungen mit Hilfe eines Trays Apatit-Kristalle nachgewiesen. Fluoride können bei milden Defekten zur Versiegelung verwendet werden. Aminfluoride mit saurem pH-Wert benötigen ein Kalziumreservoir, das MIH-Zähne nicht haben. Daher eignen sich hier eher Natriumfluoridlacke. Werden MIH-Zähne restaurativ versorgt, sollte für die Restaurationen die richtige Adhäsivtechnik eingesetzt werden. Zu bevorzugen sind Dentinadhäsive und mild ätzende Self-Etch-Präparate oder Mehrflaschensysteme, so die Empfehlungen der Experten.
Passendes MIH-Kit zum Therapiekonzept
Dr. M.-Salim Doueiri stellte sein am Konzept der European Academy of Pediatric Dentistry (2010) orientiertes Therapiekonzept vor. Zu diesem Konzept wurde von GC passend ein MIH-Kit entwickelt, das die entsprechenden Präparate und das Therapie-Konzept als Flow-Chart beinhaltet. Das MIH-Kit enthält die Zahnschutzcreme MI Paste Plus® (mit CPP-ACP und Recaldent® sowie 900 ppm Fluorid) und den Fluoridlack MI Varnish™ mit CPP-ACP; zum Schutz der Zahnoberflächen den Glasionomer GCFuji® Triage und für Restaurationen den Glasionomer Fuji II LC als lichthärtende Variante, sowie das Glas-Hybrid EQUIA Forte™ HT und das hochfeste Restaurationsmaterial G-ænial® Universal Injectable, ergänzt durch das Universal-Adhäsiv G-Premio BOND. Als Alternative für die bei MIH oft erschwerte übliche Anästhesie setzt Doueiri die intraossäre Anästhesie mit QuickSleeper ein.
Abgestuftes Vorgehen ist wichtig
Das Fazit von Moderator Prof. Falk Schwendicke, der die MIH-Symposiumswoche mit seinem Vortrag abschloss: Mittlerweile stehen mehrere Therapiekonzepte mit unterschiedlichen Materialien und Produkten zur Verfügung, um MIH-Patienten einerseits sofort helfen zu können, andererseits die betroffenen Zähne so lange wie möglich zu erhalten, um sie später endgültig versorgen zu können. Wichtig ist ein abgestuftes Vorgehen unter ständiger Berücksichtigung des Dentitionsalters, des Schmerzempfindens und der Compliance des Patienten. Auch wenn die Ätiologie der MIH immer noch nicht klar ist, bekommt man sie therapeutisch immer besser in den Griff – das zeigte praxisnah und detailliert dieses innovative 1. MIH Symposium.
Alle Webinare aus dieser Symposiums-Woche stehen weiterhin on demand zur Verfügung und können jederzeit über folgende Verlinkung abgerufen werden: https://www.gceuropecampus.com/de/webinar/symposium/gcs-1-mih-symposium-online/
Ergänzend dazu haben die MIH-Experten im Vorfeld Podcasts mit Podcaster und Endo-Spezialist Georg Benjamin aus Berlin aufgenommen und über Ihre jeweilige Spezifikation gesprochen, sowie Einblicke in Ihren Alltag der Behandlung von MIH gegeben. Abzurufen jederzeit über folgende Verlinkung: http://www.saurezaehne.de/
Hintergrund MIH
Sie gehört zu den aktuellen Herausforderungen der Kinderzahnheilkunde: Die Molaren-Inzisiven-Hypomineralisation, kurz MIH. Bei Kindern und Jugendlichen häufen sich die Fallzahlen und liegen bereits vor denen klassischer Karieserkrankungen. Etwa jedes siebte Kind ist von dieser speziellen Schmelzbildungsstörung betroffen – und das nicht nur bei den bleibenden Sechsern und Einsern, sondern auch an den Eckzähnen sowie an Prämolaren im bleibenden und im Milchgebiss. Neben den ästhetischen Farb- und Formveränderungen gehören vor allem schmerzhafte Hypersensibilitäten der betroffenen Zähne zum Beschwerdebild der MIH.