Was genau wird kontrolliert?
Die Kontrolle bezieht die gesamte Mundhöhle mit ein. Alle intraoralen Bereiche – innerhalb der Mundhöhle – und alle extraoralen Bereiche – außerhalb der Mundhöhle, zum Beispiel das Lippenrot – sind für uns von Bedeutung. Wie bereits beschrieben, fallen die Zahnhartsubstanz und das Weichgewebe in unser Blickfeld. Zur Kontrolle der Zahnhartsubstanz und der Weichgewebe kann ich euch als praktisch tätige Dentalhygienikerin empfehlen, eine bestimmte Systematik zu etablieren, um routiniert, strukturiert und zielführend arbeiten zu können.
TIPP: In Form einer Checkliste stellen wir uns die folgenden Fragen:
- Was wird intra- und extraoral kontrolliert?
- Womit wird kontrolliert?
- Welche Veränderungen gibt es?
- Wer arbeitet im Team wem zu?
- Wer darf den Befund erheben, die Diagnose stellen und die Therapieentscheidung treffen?
Bedeutung von Früherkennung in der Mundhöhle
Laut Angaben der Deutschen Krebshilfe* erkranken deutschlandweit jährlich über 10.000 Menschen neu an einer Krebserkrankung der Mundhöhle und des Rachens; fast 75 Prozent davon sind Männer. Und jeder weiß: Je früher ein Tumor erkannt und behandelt wird, desto besser sind die Therapieerfolge und Heilungschancen. Deshalb ist es wichtig, Warnzeichen, die auf eine bösartige Erkrankung hinweisen könnten, frühestmöglich zu erkennen.
Hinzu kommt, dass es für Krebs in der Mundhöhle und im Rachen keine jährlichen Frühuntersuchungen gibt, wie sie die gesetzlichen Krankenkassen zum Beispiel für Brust-, Darm- oder Prostatakrebs anbieten.
Zu den Risikofaktoren für die Entstehung einer Tumorerkrankung in der Mundhöhle zählen neben Rauchen, häufigem und übermäßigem Alkoholgenuss, auch chronisch wunde Stellen im Bereich der Mundschleimhaut.
Ein Erkennungsmerkmal für eine maligne Veränderung in der Mundhöhle kann eine länger als zwei Wochen bestehende, auffällige Stelle sein, welche beispielsweise als Ulcus beschrieben wird. Eine solche chronisch wunde Stelle wird von den Patienten häufig als Prothesendruckstelle oder kleine Verletzung verkannt, sodass wertvolle Zeit verloren geht. Auch länger bestehender Mundgeruch kann ein frühes Erkennungsmerkmal sein. Verständlicherweise haben viele Menschen Angst, einen Verdacht auf Krebs in der Zahnarztpraxis anzusprechen, und schieben daher den Besuch häufig lieber auf. Für uns als verantwortungsvolle Praxismitarbeiter wird so auch das hohe Maß an Vertrauen deutlich, welches wir von unseren Patienten entgegengebracht bekommen, wenn sie uns in der Zahnarztpraxis besuchen.
Vor diesem Hintergrund empfehle ich zur Inspektion der Mundhöhle diese Abfolgen:
Weichgewebekontrolle
- Lippen: Außen- und Innenfläche
- Gaumen: harter und weicher Gaumen
- Wange: Außen- und Innenflächen/Innenseiten
- Zunge: Oberfläche (durch Herausstrecken der Zunge), Unterseite (durch das Hochstrecken der Zunge in Richtung Gaumen)
- Umschlagfalte
- Zahnfleisch und parodontales Gewebe
- Mundschleimhaut
- Rachenraum
- Weichgewebe der unbezahnten Bereiche
Kontrolle der Zahnhartsubstanz
- alle natürlichen Zähne
- Zahnschmelz, Zahnbein, Wurzeldentin
- alle Zahnzwischenräume
- alle vorhandenen Restaurationen und/oder mit Zahnersatz versorgten Bereiche
Womit kontrollieren wir die verschiedenen Bereiche intraoral und extraoral?
Die erste objektive Kontrolle erfolgt visuell durch das Anschauen „mit den Augen“. Hilfsmittel wie OP Lampe, Mundspiegel, Luftbläser, Lupenbrille, die kleine Absaugkanüle oder eine intraorale Kamera können hierbei unterstützen. Auch das Abtasten, beispielsweise durch eine zahnärztliche Tastsonde, mittels Parodontometer oder durch die mit Einmalhandschuhen bestückten Hände/Finger, kann zusätzlich nötig sein.
Gerade zur Früherkennung parodontaler Erkrankungen ist eine kontinuierliche Kontrolle des Parodonts wichtig. Durch das Erheben von bestimmten Parametern, zum Beispiel PSI oder parodontaler Messstatus, kann eine bestehende Parodontitis, welche für unsere Patienten häufig ohne spürbare Schmerzen einhergeht, frühzeitig festgestellt und behandelt werden.
Orale Befunde sehen, erkennen und dokumentieren
Alle wahrnehmbaren Veränderungen in Struktur, Form, Verlauf, Oberflächenbeschaffenheit oder Farbe benötigen unsere gezielte Aufmerksamkeit. „Entdecke“ ich als Dentalhygienikerin während der Behandlung eine der oben genannten Auffälligkeiten oder eine positive/negative Abweichung, werde ich diese ohne eine Bewertung gegenüber meines Patienten zu äußern dokumentieren, sowie die nötigen Informationen an meinen Chef weitergeben. Dieser kontrolliert, ist zuständig und auch verantwortlich für das Erheben der Befunde, das Erstellen der Diagnose und das Formulieren der dazu passenden Therapieempfehlung. Seht hierzu exemplarisch die Mundfotos mit den dazugehörigen Diagnosen (Abbildungen 1 bis 4).
In der digitalen oder analogen Karteikarte kann dann beispielsweise wie folgt dokumentiert werden:
DH Sabrina Dogan
Als Zusatz zum PZR Eintrag:
· Gingiva im Frontzahnbereich Regio 31/41 geschwollen und entzündlich verändert (Abb. 1)
· Verdacht auf (V. a.) Gingivahyperplasie
Dr. Wolfgang Hoffmann
· 01 Befund
· Gingiva Regio 31/41 kontrolliert
· Medikamentenassoziierte Gingivahyperplasie Regio 31/41
· Atraumatische Zahnpflege empfohlen (Instruktion durch DH Sabrina Dogan erfolgt)
· Kontrolle in 14 Tagen angeraten
DH Sabrina Dogan
Mundhygieneinstruktion und Motivation:
· Gingiva Regio 31/41 für etwa 14 Tage mittels Einbündelbürste reinigen und sanft massieren
· Intraorale Demonstration erfolgt – Handzahnbürste zur häuslichen Anwendung mitgeben
· Fotodokumentation erfolgt (Abbildung 1)
Fazit
Im Team lässt sich durch eine konsequente Kontrolle der Zahnhartsubstanz und der Weichgewebe eine bestmögliche Versorgung unserer Patienten gewährleisten. Unter Anwendung der Tell-Show-Do-Methode sowie einer adressatengerechten Kommunikation wird auch die Adhärenz positiv beeinflusst.
Regelmäßige Team-Sitzungen tragen zur kontinuierlichen Qualitätssicherung bei und fördern das praxisinterne Netzwerk. Auch das gemeinsame Aufarbeiten von speziellen Patientenfällen kann für alle Teammitglieder einen positiven Effekt mit sich bringen. Nur gemeinsam können wir es schaffen, eine spürbare Wohlfühlatmosphäre durch ein familiäres, authentisches Praxisteam zu kreieren und das
ist schlussendlich für alle Beteiligten eine „Win-Win-Situation“.
Ich hoffe, euch mit meinem Beitrag einen kleinen „Überblick“ zur Thematik vermittelt zu haben und wünsche weiterhin viel Erfolg im Praxisalltag.
* Deutsche Krebshilfe e. V.: Krebs im Mund-Kiefer-Gesichtsbereich, Die blauen Ratgeber/012, 2017