Seit fast 80 Jahren beschäftigt sich die Wissenschaft mit den Zusammenhängen von Diabetes Mellitus und oralen Erkrankungen. Beide Krankheiten weisen ähnliche Risikofaktoren auf, die mit unseren westlich geprägten Lebensgewohnheiten einhergehen. Dazu gehören zum Beispiel Rauchen, fett- und zuckerreiche Ernährung, Übergewicht sowie Bewegungsmangel und Stress. Beide Erkrankungen sind chronisch und nicht übertragbar. Sie gelten als Volkskrankheiten mit hoher Dunkelziffer. Die klinische Praxis zeigt, dass sie oft erst im fortgeschrittenen Stadium erkannt werden. Darüber hinaus steigt bei beiden das Erkrankungsrisiko mit dem Alter.1 Die Zusammenhänge sind mittlerweile intensiv untersucht und die Wechselwirkungen gelten als gesichert2. Dieser Sachverhalt fand auch Eingang in die neue PA-Richtlinie, in der Diabetes als Faktor für den Erkrankungsgrad berücksichtigt wird3.
Wechselwirkung Parodontitis und Diabetes
Vereinfacht kann man es sich so vorstellen: Ausgehend von lokalen PA-Entzündungen werden über die Blutbahn fortlaufend Bakterien und ihre Stoffwechselprodukte in den gesamten Organismus gestreut. Dadurch wird eine systemische Bakteriämie unterhalten. Entzündungsbotenstoffe können an Insulinrezeptoren andocken und so die Glukoseaufnahme der Zellen negativ beeinflussen. Ein erhöhter Blutzuckerspiegel und eine Verschlechterung des Diabetes sind die Folgen.
Patienten mit unentdecktem oder schlecht eingestelltem Diabetes weisen ein erhöhtes Risiko für parodontale Erkrankung auf, 86 Prozent höher als beim Nicht-Diabetiker4. So ist Parodontitis mittlerweile auch als Folgeerkrankung des Diabetes anerkannt8. Andersherum haben es Patienten mit unbehandelter Parodontitis schwerer, ihren Diabetes einzustellen. Auch das Risiko, überhaupt Diabetiker zu werden ist erhöht – um 53 Prozent5. Es ist also besonders wichtig, diese Wechselwirkungen zu beeinflussen, weil beide Erkrankungen zudem schneller voranschreiten, wenn sie zugleich vorliegen6. Wissenswert ist auch, dass Diabetes nicht nur ein Risiko für das Parodont darstellt. Auch Verbindungen mit Karies, Mundschleimhautveränderungen oder sogar endodontischen Befunden werden diskutiert7. Erfreulich ist, dass die PA-Therapie den Langzeitblutzuckertest (HbA1c) positiv beeinflussen kann1.
Was also ist zu tun?
Vielen Patienten fehlen Kenntnisse zum Zusammenhang von Mund- und Allgemeingesundheit9. Selbst von Patienten mit chronischen Erkrankungen, die gemeinhin als gut aufgeklärt gelten, weiß noch nicht einmal die Hälfte, dass es derartige Zusammenhänge überhaupt gibt10. Es ist also noch viel Aufklärung zu Entstehung, Vorbeugung und Therapie in den Praxen nötig. Daneben gehört auch eine gute Zusammenarbeit verschiedener Fachdisziplinen zur bestmöglichen Versorgung dazu. Es wird empfohlen, dabei das zahnmedizinische wie auch das medizinische Team (Hausarzt, Diabetologe, Diabetesassistenz und Ernährungsberatung) sowie die Patienten selbst und wenn nötig oder möglich auch Angehörige einzubeziehen9. Wer Risikopatienten in der Zahnarztpraxis erkennen will, für den können zum Beispiel Fragebögen zur Risikoidentifikation oder labormedizinische Screeningverfahren hilfreich sein9. Auch Diabetiker, deren Zucker gut eingestellt ist, sind meist dankbar, über die Bedeutung der Mundgesundheit beziehungsweise ihr orales Erkrankungsrisiko aufgeklärt zu werden.
Gemeinsam klären der Bundesverband niedergelassener Diabetologen und die Bundeszahnärztekammer über diese Zusammenhänge auf – kostenloses Material dazu gibt’s unter paro-check.de. Um die Patientenkommunikation zu unterstützen bietet TePe auch kostenlose Broschüren an.
Literatur
[1] Schmalz G, Kreher D, Ziebolz D (2022): Biologische und klinische Assoziationen von oraler Gesundheit und Diabetes. Zahnärztliche Mitteilungen;13:36ff
[2] Sanz M, Ceriello A, Buysschaert M, Chapple I, Demmer RT, Graziani F, Herrera D, Jepsen S, Lione L, Madianos P, Mathur M, Montanya E, Shapira L, Tonetti M, Vegh D. Scientific evidence on the links between periodontal diseases and diabetes (2018): Consensus report and guidelines of the joint workshop on periodontal diseases and diabetes by the International Diabetes Federation and the European Federation of Periodontology. J Clin Periodontol;45(2):138ff.
[3] Deutsche Gesellschaft für Parodontologie (DG PARO), Deutsche Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (DGZMK): Die Behandlung von Parodontitis Stadium I bis III. Dezember 2020. Verfügbar unter www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/083-043l_S3_Behandlung-von-Parodontitis-Stadium-I-III_2021-02_2.pdf Zugriff am 25.07.2022.
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[5] Wu CZ, Yuan YH, Liu HH, Li SS, Zhang BW, Chen W, An ZJ, Chen SY, Wu YZ, Han B, Li CJ, Li LJ (2020): Epidemiologic relationship between periodontitis and type 2 diabetes mellitus. BMC Oral Health;20(1):204.
[6] Kocher T, König J, Borgnakke WS, Pink C, Meisel P (2018): Periodontal complications of hyperglycemia/diabetes mellitus: Epidemiologic complexity and clinical challenge. Periodontol 2000;78(1):59ff.
[7] Mauri-Obradors E, Estrugo-Devesa A, Jané-Salas E, Viñas M, López-López J (2017): Oral manifestations of Diabetes Mellitus. A systematic review. Med Oral Patol Oral Cir Bucal;22(5):e586ff.
[8] Adda G, Aimetti M, Citterio F, Consoli A, Di Bartolo P, Landi L, Lione L, Luzi L (2021): Consensus report of the joint workshop of the Italian Society of Diabetology, Italian Society of Periodontology and Implantology, Italian Association of Clinical Diabetologists (SID-SIdP-AMD). Nutr Metab Cardiovasc Dis;31(9):2515ff.
[9] Schmalz G, Kreher D, Ziebolz D (2022): Biologische und klinische Assoziationen von oraler Gesundheit und Diabetes. Zahnärztliche Mitteilungen;14:66ff
[10] Akl S, Ranatunga M, Long S, Jennings E, Nimmo A (2021): A systematic review investigating patient knowledge and awareness on the association between oral health and their systemic condition. BMC Public Health;21(1):2077.