Volkskrankheit Parodontitis – ganzheitliche Therapie mit Pocket X

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Sonja Steinert

Zu den Volkskrankheiten zählen Bluthochdruck, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Übergewicht, Diabetes mellitus II, Arthrose und viele andere. Parodontitis ist weltweit eine der häufigsten Erkrankungen. In Deutschland sind laut der aktuellen Mundgesundheitsstudie bereits 52 Prozent der BürgerInnen ab 35 Jahren davon betroffen. Mit zunehmendem Alter steigt der Anteil auf über 90 Prozent bei den Senioren. Der (Be-)Handlungsbedarf ist also enorm.

Parodontitis ist eine chronische Entzündung mit starker Fernwirkung. Gerade sie korreliert in hohem Maße mit den oben genannten Volkskrankheiten. Studien belegen den negativen Einfluss von Parodontitis auf Diabetes mellitus, Arteriosklerose, koronare Herzerkrankungen, rheumatoide Arthritis, Morbus Hashimoto, Asthma und Frühgeburtlichkeit.

Ganzheitliche Betrachtung

Die Parodontitis-Therapie soll nicht nur aus der Behandlung mit Hand- und Schallinstrumenten bestehen, sondern vielmehr den Patienten ganzheitlich betrachten. Um die als ursächlich anzusehenden Parodontitis-Bakterien zu eliminieren, wurde und wird häufig antibiotisch behandelt. Dies insbesondere dann, wenn es sich um therapieresistente oder rezidivierende Formen der Parodontitis handelt.

Gerade im Praxisalltag ist es oft schwierig, ganzheitliche Maßnahmen umzusetzen. Dies erfordert ein Umdenken, denn Parodontitis spiegelt nicht nur die Entzündung des Zahnhalteapparates wider, sondern ist ein Zeichen für die unzureichende Abwehrsituation des gesamten Organismus. Gelingt es, nicht nur in der Mundhöhle ein ökologisches Gleichgewicht herzustellen, dann bleiben die Patienten langfristig stabil.

Umfangreiche Anamnese

Die Diagnostik in unserer Praxis geht weit über die alleinige Befundung des Mundraums hinaus. Sie umfasst eine umfangreiche Anamnese. Blutanalysen sowie eine mikrobiologische Stuhluntersuchung spielen eine ebenso wichtige Rolle. Denn jeder Patient ist ein Individuum und sollte auch so betrachtet werden. Denn: Wie soll ich den Patienten therapieren, wenn ich nichts über ihn weiß?

Der größte Faktor für einen langfristigen Therapieerfolg ist der Patient selbst. Er muss entsprechend aufgeklärt werden und verstehen, dass Parodontitis eine chronische Erkrankung ist, die zwar stabilisiert, aber nicht geheilt werden kann. Eine optimale Mundhygiene und eine engmaschige Kontrolle zur Unterstützung der Parodontitis-Therapie sind unabdingbar. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen wir als Team funktionieren, um langfristig erfolgreich zu sein.

Der aufmerksame und überzeugte Patient

Der wichtigste Part ist die Aufmerksamkeit und das Verständnis des Patienten – ohne haben wir keine Chance. Denn nur aus einer tiefen Einsicht heraus wird der Patient den Konsum von Zigaretten oder zuckerhaltigen Lebensmitteln einschränken. Für einen dauerhaften Erfolg ist nicht nur eine zahnfreundliche, sondern eine entzündungshemmende Ernährung notwendig.

Fokus: Darmgesundheit

Im Fokus steht dabei die Darmgesundheit. Zum einen, weil die Immunabwehr des Darms auch die Immunabwehr anderer Körperoberflächen wie der Mundhöhle erheblich beeinflusst, zum anderen, weil schon ein geringer Mangel an Vitaminen, Mikronährstoffen oder Spurenelementen, die über die Darmschleimhaut aufgenommen werden, entscheidend für die Gesundheit des Parodonts sein kann.

Deshalb ist die Optimierung der Darmflora vor Beginn der weiteren Therapie in unserer Praxis unerlässlich. In der ganzheitlichen Zahnmedizin werden also nicht nur die Auswirkung der Parodontitis auf den Organismus betrachtet, sondern der Zustand des Parodonts als Ausdruck des Gesamtzustandes. Daraus ergibt sich ein multimodaler Therapieansatz.

Patientenfall

Neuvorstellung eines 44-jährigen Patienten im Januar 2024 in der oralchirurgischen Praxis Dr. Kai Zwanzig in Bielefeld. Der Patient kommt zur Weiterbehandlung in der UPT-Phase. In der Vorbehandlerpraxis wurde bereits eine Parodontitis-Behandlung mit Antibiotikatherapie durchgeführt – jedoch ohne Erfolg.

Der Patient ist seit einem Jahr Nicht-Raucher. Er klagt über Müdigkeit und Antriebslosigkeit, fühlt sich insgesamt sehr geschwächt. Er nimmt keine Medikamente oder Supplemente ein. Die weitere Diagnostik umfasst ein großes Blutbild, eine Mikronährstoffanalyse sowie eine mikrobiologische Stuhluntersuchung.

Daraus ergibt sich folgendes Bild:

  • Leaky Gut (die Barrierefunktion der Dünndarmschleimhaut ist
  • gestört)
  • Dysbiose von E. Coli, Candida
  • verminderte Immunfunktion
  • Störung des Knochenstoffwechsels

Unser Therapiekonzept UPT 6

Nachdem die UPT 1-5 in der Vorbehandlerpraxis ohne Erfolg durchgeführt wurde, beginnen wir mit einer umfangreichen Ernährungsberatung und einer Beratung zur Optimierung der häuslichen Mundhygiene. Unsere ganzheitliche Therapie beginnt mit der Stärkung der Darmflora. Dies nicht nur aufgrund des mikrobiologischen Stuhlbefundes, sondern auch unter dem ganzheitlichen Aspekt, dass die Darmschleimhaut über verschiedenen Kreuzreaktionen alle Schleimhäute und das Parodont beeinflusst.

Dadurch werden die Entgiftungsorgane unterstützt, der Mineralstoff- und Mikronährstoffhaushalt ausgeglichen und das Immunsystem aktiviert. Eine umfangreiche Instrumentierung schloss sich an. Bakterielle Konkremente, Zahnbeläge und Zahnstein wurden supra- und subgingival mit verschiedenen Instrumenten sowie mittels Hand- und Schall-Verfahren entfernt. Nach der Instrumentation folgte die Applikation von Pocket X in alle Zahnfleischtaschen.

Das Ergebnis

Nach drei Monaten folgte eine weitere private UPT. Das aktuelle Ergebnis ist auf den Bildern zu sehen: Die Zahnfleischtaschen haben sich deutlich reduziert, kein BOP, top Mundhygiene – mein Patient und ich sind überglücklich mit dem Ergebnis.

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