Der Einsatz von Adjuvantien bei Parodontitis-Patienten

Vesna Braun

Den Zahnarztpraxen in Deutschland mangelt es wahrlich nicht an Langeweile. Kaum hat man sich an die neuen PAR-Richtlinien gewöhnt, steht schon die nächste Herausforderung an. Ganz abgesehen von dem flächendeckenden Personalmangel beschäftigt uns ein Thema, das zu empfindlichen Honorareinbußen und Kürzungen führen kann – gemeint sind die Auswirkungen des HVM und der Budgetierung. In diesem und weiteren Beiträgen werden verschiedene Adjuvantien für den häuslichen und professionellen Einsatz unter die Lupe genommen.

DH Vesna Braun nimmt verschiedene Adjuvantien für den häuslichen und professionellen Einsatz bei PAR-Patieneten unter die Lupe. Ukraine Kyiv – stock.adobe.com

Die steigenden Ausgaben der gesetzlichen Krankenkassen sollen durch die Budgetierung begrenzt werden, damit der Krankenkassenbeitrag stabil bleiben kann. Die Ausgaben sollen die Einnahmen nicht überschreiten. Aber was tun, wenn die Volkskrankheit Parodontitis nach wie vor im Land weiter um sich greift? Wenn mehr als jeder zweite Patient, der die Praxis betritt, einen Parodontal Screening Index von 3 und mehr aufweist?

Sie alle haben Anspruch auf ein Aufklärungsgespräch und die damit verbundene Empfehlung zur PAR-Behandlungsstrecke. Bei manchen Patienten reicht auch die von der GKV festgelegte Behandlungszeit nicht aus, so dass im Bedarfsfall eine Verlängerung beantragt werden muss. Betriebswirtschaftliches Denken ist in diesem Zusammenhang wichtig und erfordert zunehmend mehr Beratung zu privaten Zusatzleistungen.

Nicht jeder Patient will oder kann sich auf eine Behandlungsdauer von zwei Jahren festlegen. Nicht jede vorgegebene Progressionsstufe in der UPT reicht aus, um im Anschluss stabile Parodontalzustände zu erreichen oder eine Verlängerung zu vermeiden, und nicht jeder Patient zeigt die erforderliche Motivation für die häuslichen Mundhygienemaßnahmen.

Richtig eingesetzt, können uns adjuvante Maßnahmen in der Parodontologie sehr nützlich sein. Sei es, um die parodontale Gesundheit wirkungsvoller und schneller zu erreichen, die Patientenakzeptanz zu erhöhen oder gar Honorareinbußen und -kürzungen zu vermeiden.

Adjunktiver Therapieansatz für die Praxis (professional):

Unterstützender Therapieansatz mit Pocket-X Gel (Hyaluronsäure-Gel)

Pocket-x Gel mit Hyaluronsäure. Foto: Vesna Braun

Hintergrund: Präparate mit Hyaluronsäure (HA) gibt es schon viele. Sie werden bereits erfolgreich im Alltag (etwa Cremes und Ampullen), in der Kosmetik (zum Beispiel Lippenaufpolsterung), in der Medizin (etwa Augenheilkunde, Orthopädie und Innere Medizin) eingesetzt. Hyaluronsäure ist ein natürlicher Bestandteil des menschlichen Körpers. Sie ist ein wesentlicher Bestandteil der bindegewebigen Mundschleimhaut, Gingiva, Speichel und in allen parodontalen Gewebskomponenten vorhanden (1HA-Molekül bindet 6 H2O-Moleküle). Mit den unten genannten Inhaltsstoffen bietet es dem Anwender eine verlässliche antimikrobielle nicht-chirurgische Anwendung im Rahmen der parodontalen Therapie durchzuführen. Mit der thermo-responsiv Wirkung haftet sich das Präparat nachhaltig an die Wurzeloberfläche an, behindert die initiale Biofilmbildung und fördert damit die parodontale Regeneration.

Inhaltsstoffe / Wirkung

  • Hyaluronsäure besitzt antiinflammatorische, antiödematöse, antibakterielle sowie auch bakteriostatische Effekte und trägt primär zu raschen Wundheilungsprozessen bei
  • Octenidin ist ein antiseptischer Wirkstoff, der eine bakterizide, fungizide und begrenzt viruzide Wirkung hat. Damit wird das Wachstum und die Vermehrung von Mikroorganismen gehemmt und reduziert
  • Poloxamer 407 ist ein thermoaktiver Inhaltsstoff. Dieser verleiht dem Gel eine fließfähige Konsistenz, welche sich festigt, sobald es mit der Körpertemperatur in Kontakt kommt

Kontraindikation
Patienten mit Unverträglichkeit gegenüber oben genannten Inhaltsstoffen

Indikation – klinische Situation

  • PSI 3 & 4
  • BOP+
  • Patienten, welche nicht in die Behandlungsstrecke einwilligen
  • Patienten mit Periimplantitis
  • während der AIT
  • während der Nachsorge
  • während der UPT
  • bei der Versorgung von vulnerablen Patienten

Vorbehandlung
Subgingivales Debridement:

  • reduzierter Gracey-Kürettensatz
  • Schall-/ Ultraschallinstrumentation
  • Luft-Pulver-Wasserstrahl

Vorgehen Step-by-Step

  • Verpackungseinheit öffnen
  • Kanüle (bevorzugt die blaue) auf die Spritze aufschrauben
  • Kunststoffspitze an die tiefste Parodontalstelle platzieren und das flüssige Gel von subgingival bis zum Gingivasaum einbringen
  • Falls erforderlich sichtbaren Überschuss mit Applitip entfernen

Nach der Behandlung – Patienteninformation
Nach der Applikation soll der Patient:

  • Zwei Stunden nichts essen und nichts Heißes zu sich nehmen
  • Zwei Stunden nicht den Mund ausspülen
  • Zwei Tage an den behandelnden Zähnen keine Zwischenraumpflege betreiben (Zahnpflege ausgenommen)

Tipps und Tricks aus dem Alltag

  • Wenn das Gel außerhalb des Mundes mit dem Stempel in der Spritze kurz durchgestoßen wird, lässt es sich im Mund besser führen
  • Wird die Kanüle am Zahn von distal nach mesial geführt, erleichtert es den Workflow
  • Falls das Gel mal zu warm gelagert wurde, einfach kurz in den Kühlschrank legen (dann verflüssigt es sich wieder)

Studienlage
Die Wirkung von Pocket-X Gel wurde in verschiedenen Studien belegt und ist über die Firma Geistlich in Baden-Baden erhältlich.

Vorteile von Pocket-X Gel

  • schmerzfreie Behandlung
  • schneller Wirkungseintritt
  • keine Resistenzbildung
  • gute Verträglichkeit
  • kann mit anderen Therapiemaßnahmen, wie etwa apdT (helbo-Laser) kombiniert werden.
  •  delegierbar an qualifiziertes Personal
  • kurze Behandlungsdauer
  • im Vergleich zu anderen unterstützenden Maßnahmen sind die Kosten für den Patienten relativ moderat

Hier könnt Ihr den Test als pdf zu Pocket-X Gel herunterladen.

Adjunktiver Therapieansatz für den Patienten (häuslich):

Unterstützender Therapieansatz mit Perio-aid Produkten

Perio-aid gibt es als Mundspülung und als Gel. Foto: Vesna Braun

Hintergrund: Bei hoher CHX-Konzentration erhalten wir eine direkte Wirkung auf die Bakterien (bakterizid) und eine indirekte Wirkung auf die dentale Plaque. Das Wirkprinzip besteht darin, dass das positiv geladene CHX-Molekül von den negativ geladenen Phospholipiden in der Zellwand angezogen werden. Anschließend bindet sich das CHX an die Zellwand und bringt sie zum Reißen, was zum Flüssigkeitsaustritt führt und letztendlich zum Zelltod. Klinische Situationen verbessern sich und Nebenwirkungen, wie Geschmacksirritationen und Zahnverfärbungen werden dafür hingenommen. Weniger bekannt ist, dass bei zweimal täglicher Spülung über eine Woche lang, es zur Steigerung des Blutdrucks um 10 mmHg kommen kann.

Normalerweise wandeln kommensale Bakterien mit ihrer bakteriellen Nitratreduktase Nitrat in blutdruckregulierendes Nitrit um. Diese Wirkung entfällt jedoch, wenn die symbiotischen Bakterien durch CHX eliminiert bzw. reduziert werden. Demnach muss die Empfehlung lauten: bedachter Einsatz von hochkonzentrierten CHX-Produkten.

Inhaltsstoffe / Wirkung
Perio-aid active control Mundspülung (0,05 Prozent CHX + 0,05 Prozent CPC)
Perio-aid intensive care Zahngel (0,12 Prozent CHX)

  • CHX: Chorhexidindigluconat, orales Antiseptikum mit antibakterieller, Anti-Plaque- und Anti-Gingivitis-Wirkung
  • CPC: Cetyl Pyridinium Chlorid ist eine monokationische, quaternäre Ammoniakverbindung mit breitem Wirkspektrum – hat eine hohe Wirksamkeit gegen Plaque und hemmt das Wachstum des oralen Biofilms

Die Kombination beider Inhaltsstoffe ermöglicht einen Synergieeffekt, der trotz geringer Konzentration zu einer erhöhten antiseptischen Wirksamkeit führt und dabei die bekannten Nebenwirkungen von CHX stark minimiert.

Kontraindikation
Patienten mit Unverträglichkeit gegenüber oben genannten Inhaltsstoffen.

Indikation – klinische Situation

  • während / nach PA-Behandlungen
  • während / nach chirurgischen Eingriffen
  • Patienten mit Periimplantitis
  • Patienten mit eingeschränkter Alltagskompetenz
  • (etwa Pflegebedürftige)
  • Patienten mit körperlichen oder geistigen Einschränkungen
  • Patienten, die unter besonderer Medikation stehen
  • (zum Beispiel Chemotherapie)

Vorgehen Step-by-Step

  • Perio-aid Mundspüllösung: 2 x täglich für 1 Min./10 ml pur
  • spülen und anschließend ausspucken
  • Perio-aid Zahngel: Mindestens 2 x täglich Zähneputzen (einschließlich Gingivamassage) mit weichen Borsten (Handzahnbürste/Elektrische Zahnbürste)

Verfügbarkeit

  • Produkte sind bundesweit im Handel unterschiedlich erhältlich
  • Über Apotheken und im Internet verfügbar

Tipps und Tricks aus dem Alltag

  • Die Anwendung von Perio aid Zahngel und Perio aid Spülung ergeben bei jeweils mind. 2 x täglich / Anwendung die beste Biofilmkontrolle
  • Sofern die Praxis über einen Dentalshop verfügt, Produkt gleich anbieten
  • Zusätzliche Approximalhilfsmittel empfehlen (etwa Interdentalbürsten) und Zungenreinigung

Studienlage
Die Wirkung von Perio-aid wurde in verschiedenen Studien belegt und auch die Effektivität im Vergleich zu herkömmlichen CHX-Mundspülungen (0,1 Prozent) und steriler Kochsalzlösung belegt. Informationen hierzu können bei der Firma Dentaid in Mannheim angefordert werden.

Vorteile von Perio-aid

  • hohe Patientenakzeptanz (beim Geschmack, im Vergleich zu ähnlichen Produkten)
  • gute Verträglichkeit
  • keine Resistenzbildung
  • gleiche Wirksamkeit wie CHX 0,20 Prozent
  • weniger Nebenwirkungen
  • Langzeitanwendung möglich

Hier könnt Ihr den Test als pdf zu Perio-Aid herunterladen.

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