recall Frau Matysiak, mit Ihrem aktuellen Artikel „Lasst die Giraffe in die Zahnarztpraxis“ setzen Sie auf `tierische` Unterstützung in der Zahnarztpraxis. Worin liegt der Ursprung für diese ausgewöhnliche Idee?
Nadja Matysiak In den letzten Jahren hatte ich die wunderbare Chance, viele tolle Teams in Zahnarztpraxen, die sich für ein gutes Miteinander und einen stabilen Teamzusammenhalt stärken wollten, im Rahmen von Workshops und Inhouse-Schulungen zu begleiten.
Mit der Zeit bemerkte ich, dass bestimmte Themenschwerpunkte gehäuft auftraten und das unabhängig davon, ob es sich nun um eine kleine familiäre Praxis handelt oder um die große Praxisklinik. Dort wo Menschen zusammenkommen, gibt es keine reibungslose Kommunikation. Missverständnisse kosten Kraft und Zeit, die Stimmung rutscht in den Keller und im Allgemeinen ist dann das Betriebsklima stark belastet. Kurz gesagt: Es ‘menschelt’ eben überall.
Dabei kann der Teamgeist erst so richtig Fahrt aufnehmen, wenn alle sich in ihrer Verschiedenartigkeit kennen und annehmen lernen. Denn mit Spaß und Leichtigkeit kommen wir so gut durch den Praxisalltag, und nach Feierabend stehen uns dann auch noch die nötigen Energiereserven für unseren Freizeitausgleich zur Verfügung.
Ein Workshop kann sicherlich einiges in Gang setzen, doch nur wenn alle gemeinsam dranbleiben, wird dies langfristig positive Veränderungen nach sich ziehen. Aber mal ganz ehrlich: Wer macht das so konsequent? Wie oft verlassen wir selbst begeistert ein Seminar und wenige Tage später ist alles verpufft? Da braucht es schon mehr für einen nachhaltigen Effekt. Und genau hier setzt die Forschung an: So ist bekannt, dass klar verständliche Schlüsselreize einen wichtigen Beitrag in der Verankerung von Wissen leisten. Also etwas wie ein Symbol oder Zeichen, was mit einem Blick erfasst werden kann. Bezogen auf unser Thema etwas, das täglich an die wichtigsten Aspekte im gesunden Miteinander erinnert. Ein absoluter Hingucker und damit perfekt geeignet ist die Giraffe als Tier. Denn sie fällt auf und in der Regel haben die meisten eine positive Einstellung diesem liebenswerten Tier gegenüber. Kaum jemand wird wohl sagen: „Igitt! Schau mal da: Eine Giraffe!“
recall Wie lässt sich im Rahmen der Teamarbeit ausgerechnet eine Giraffe als Expertin zurate ziehen?
Nadja Matysiak Nun, wer schon einmal das Glück hatte, eine Giraffe live im Zoo, Tierpark oder auf Safari zu beobachten, dem wird aufgefallen sein, wie sie gelassen mit viel Bodenhaftung durch das Gelände schreitet. Mal im Bild gesprochen: In der Ruhe liegt die Kraft. Wenn wir in uns ruhen und ganz in unserer Mitte sind, wird sich das positiv auf unsere Kommunikation im Team auswirken.
Ein Beispiel: Selbst eine schräge Bemerkung der Kollegin wird mich nicht völlig aus der Bahn werfen. Im besten Fall gelingt es mir sogar auf Sie zuzugehen und nachzufragen: „Hey, ich habe den Eindruck dir geht es gerade nicht gut, wo drückt denn der Schuh?“ Kommen wir zum auffallend langen Hals, der es vermag, den Kopf ganz schnell in unterschiedliche Höhen zu bringen. Um wieder im Bild zu bleiben: Der Hals ermöglicht der Giraffe, die Dinge aus einer anderen Perspektive zu sehen. Dieses Prinzip ist besonders hilfreich in Konfliktsituationen. Erst einmal einige Schritte zurückgehen und sich Überblick verschaffen über die Situation. Im zweiten Schritt dann gewillt sein, sich auf einen Perspektivwechsel einzulassen: „Warum handelt die Kollegin so? Welches Bedürfnis könnte dahinterstecken?“
Und noch etwas: Giraffen kommunizieren in tiefen Tönen untereinander per Infraschall. Für uns Menschen nicht wahrnehmbar, da die Frequenz unter 16 Hertz liegt. Mich fasziniert das! Denn in der nonverbalen Kommunikation kommt es ja auch gelegentlich vor, dass wir zwar etwas aussenden, es aber gar nicht oder völlig anders verstanden wird. Ein typisches Beispiel: Jemand runzelt die Stirn. Aus Skepsis oder aus einer Haltung der Konzentration heraus? Es bleibt immer ein gewisser Interpretationsspielraum offen, solange wir uns nicht erklären.
recall Ihre Giraffen-Marke nennt sich nun „Roberta“. Wie erklärt sich das?
Nadja Matysiak Eines Tages bereitete ich Unterlagen für Teilnehmer eines Workshops vor. In diesem kreativen Moment entwickelte sie sich und ist seitdem aus meiner Arbeit nicht mehr wegzudenken. Das war sozusagen die Geburtsstunde von Roberta: Irgendwo zwischen Laptop und Flipchart. Die Illustratorin Carina Riebroek hat dann aus meinen ersten Skizzen eine gelungene Grafik erstellt. Und zum Namen: Er sollte irgendwie frech und “merk”-würdig sein – also des Merkens würdig. Ursprünglich geht der Name auf das Althochdeutsche zurück und bedeutet so viel wie „die ruhmreich Glänzende“. Das gefiel mir.
recall Unserer Leserschaft fallen sofort die Flecken auf – sie sind untypisch bunt. Was steckt dahinter?
Nadja Matysiak Die Flecken in Blau, Rot, Gelb und Grün stehen für die vier verschiedenen Typen, die letztlich auf die Temperamentenlehre von Hippokrates zurückgehen. Das bedeutet: Wenn wir wissen, welcher Typ wir sind und welchem Typus die einzelnen Praxismitglieder angehören, dann wird uns dieses Wissen dabei helfen, uns auf die Eigenschaften und Macken unserer Kollegin oder dem Chef einzustellen. Es wird uns leichter fallen, die Art und das Verhalten unseres Gegenübers besser zu durchschauen und einen milderen Blick darauf zu haben. Die Auseinandersetzung mit dem Temperament weitet also den eigenen Horizont und lässt uns entspannter und vor allem typgerechter kommunizieren.
Ein Beispiel: In Zimmer 1 fällt die Einheit komplett aus. Kurze und knappe Infos dazu will der rote Typ. Etwas ausführlicher und nüchtern sollte es dem Blauen vorgetragen werden.
recall Roberta hat insgesamt vier Ohren?
Nadja Matysiak Ja, genau. Denn vier Ohren hören nun mal mehr als zwei. Das genaue Hinhören spielt bei Roberta eine ganz wesentliche Rolle. Hören wir hin, um zu verstehen, oder um sofort unser Gegenüber von unserer unumstößlichen Meinung zu überzeugen? Die felligen Lauscher können auch als Sinnbild für Fragen verstanden werden: Wie geht es mir eigentlich grad? Was brauche ich persönlich oder hätte ich mir gewünscht?
recall Haben Sie noch einen letzten Roberta-Tipp für uns?
Nadja Matysiak Ja, gern: Schenkt dem Ernst des Lebens ab und zu ein ‘giraffisches’ Augenzwinkern.
Frau Matysiak, endlich konnten wir die Rätsel um Roberta lösen. Vielen Dank für die aufschlussreichen Hintergründe!