Ohne Motivation ist alles nichts. Jeder Mensch benötigt einen Anreiz für sein Tun – und der hat immer zuerst mit Gefühlen zu tun1. Nach einer aktuellen Übersicht, in der 39 Studien ausgewertet wurden, springen die meisten Parodontitispatienten schon in den ersten Jahren nach der Initialtherapie ab2. Als Ursachen nennen sie am häufigsten:
- dass sie nicht ausreichend über den Nutzen des Recall informiert wurden und
- dass die regelmäßige „Motivation“ fehlte.
Motivation lässt sich mit Botschaften erreichen, die auch Emotionen ansprechen – mit der sich Patientinnen und Patienten „mitgenommen“ fühlen. Wichtig ist bekanntlich, einfühlsam zu sein, zum Beispiel durch aktives Zuhören3, 4: Auf offene Fragen berichten Patienten, was ihnen wichtig ist. Meist werden gutes Aussehen, frischer Atem und Gesundheit genannt. Aus den Antworten ergeben sich Argumente für bessere Pflegegewohnheiten oder regelmäßiges Erscheinen zur Prophylaxe4.
Wer die Praxis mit einem guten Gefühl verlässt, kommt wieder. Wichtig ist deshalb, dass am Ende jeden Recalls Zähne und Weichgewebe „tiptop“ gereinigt werden – mit einer modernen und schonenden Methode.Stand der Technik ist die Guided Biofilm Therapy (GBT) (Abb. 1, Seite 36): Deren Grundprinzip ist, dass der Biofilm angefärbt und mit Airflow vollständig und sehr schonend entfernt wird5, 6. Dieser Beitrag beschreibt die GBT-Schritte 01 Diagnose, 02 Anfärben und 03 Motivation.
01 Diagnose
Nachdem mögliche akute Probleme abgeklärt sind, beginnt jede Recallsitzung mit der, gegebenenfalls aktualisierten, Anamnese. Raucht der Patient zum Beispiel, hat Übergewicht oder zurzeit persönliche Probleme, kann er oder sie schwieriger zu motivieren sein und benötigt besondere Aufmerksamkeit. Bei anderen Patienten erhöht ein nicht optimal eingestellter Diabetes die Entzündungsneigung und kann zu mehr Sondierungsblutungen führen4.
Zu Beginn jeder GBT-Sitzung spülen Patienten grundsätzlich für mindestens 40 Sekunden mit der antimikrobiellen Lösung BacterX® Pro. Neben 0,1% CHX enthält BacterX® Pro 0,05 % Cetylperidiniumchlorid (CPC) und 0,005 % Fluorid. CPC rückte in letzter Zeit als wirksame antivirale Substanz immer mehr in den Fokus. So zeigen sowohl eine In-vitro- als auch eine klinische Studie mit Covid-19-Patienten, dass SARS-CoV-2-Viren im Speichel bis zu 6 Stunden nach Spülung mit CPC signi kant reduziert werden7, 8. In jeder Sitzung sollten im Rahmen der Untersuchung ausgewählte Taschen sondiert werden, zum Beispiel mit dem Parodontalen Screening Index (PSI)9. Wer seine Recallpatienten kennt, kennt auch dessen dentale Problemzonen und kann dort gezielt untersuchen.Karies ist am besten nach der Zahnreinigung erkennbar. Die gründliche Untersuchung durch die Zahnärztin oder den Zahnarzt erfolgt deshalb am zweckmäßigsten am Ende der Sitzung.
02 Anfärben / 03 Motivation
Wenn die Mundhygiene schlecht funktioniert, kann das an fehlendem Wissen und nicht ausreichender Fingerfertigkeit liegen. Hier hilft ein gründliches Aufklärungsgespräch und Mundhygienetraining, wenn nötig gemeinsam mit einer Betreuungsperson. Der optimale Start ist immer das Anfärben des Biofilms, am besten mit vorgetränkten Pellets (Bio lm Discloser, EMS).
Mundhygieneinstruktion mit Anfärben praktizierten schon die „Prophylaxe-Väter“ Axelsson und Lindhe – bei kleinen und großen Patienten. Das Vorgehen ist ebenso Teil aktueller Empfehlungen und bei präventiver PZR und Parodontitispatienten im Prinzip gleich10, 11.
Bevor Patienten dem Anfärben widersprechen können, wird ihnen kurz erklärt, wozu angefärbt wird:
- Damit die wichtigste Ursache für Karies und Parodontitis (und andere Munderkrankungen) sichtbar wird – der Biofilm.
- Damit der Patient diesen zuhause effektiv entfernen kann, um gesund und attraktiv zu bleiben.
- Damit der Patient sieht, dass die Prophylaxe-Expertin ihn bei der PZR vollständig entfernt hat – als Qualitätssicherung (der Patient zahlt!).
Angesichts dieser Argumente sind Patienten in der Regel überzeugt und lassen bereitwillig anfärben. Traditionell wird meist empfohlen, Patienten zuerst zuhause oder in der Praxis putzen zu lassen und danach zur Kontrolle anzufärben. Alternativ kann es sinnvoll sein, die ungeputzten Zähne anzufärben und die gewohnte Mundhygiene erst in der Praxis durchführen zu lassen – in Ruhe und nach Möglichkeit mit der eigenen Zahnbürste. Damit werden gleich vier Ziele erreicht:
- Der Patient hat keinen Stress, wenn vor dem Termin zu wenig Zeit für die gewohnte Hygiene war.
- Der Patient sieht den Bio lm, der nach dem Putzen verbleibt. Ein gutes Ergebnis ist eine positive Bestärkung.
- Die Prophylaxe-Fachkraft kann beobachten, ob mit geeigneter Technik und sinnvoller Systematik geputzt wird.
- Die Zeit lässt sich messen, die für eine (fast) perfekte Reinigung benötigt wird (Empfehlung Prof. Dr. Stefan Zimmer, Witten-Herdecke). Das ist ein guter Anhaltspunkt, wie lange zuhause geputzt werden sollte. Meist reichen zwei Minuten nicht aus.
Diese Maßnahme kostet Zeit, die aber bei den folgenden Prophylaxe- Sitzungen durch weniger Biofilm und Zahnstein wieder herausgeholt wird. Als sehr wirksame Hilfsmittel für die tägliche Mundhygiene haben sich zum Beispiel Philips Sonicare Schall-Zahnbürsten und AirFloss Interdentalreinigungs-Geräte erwiesen (beide: Philips)10, 11. Vor allem approximal und am Gingivasaum verbleibt jedoch – auch nach gründlicher Mundhygiene – Biofilm und damit Plaque-Färbemittel. Dieses wird dann im Rahmen der professionellen Zahnreinigung mit Air ow und schonendem Pulver (zum Beispiel Airflow Plus, beide: EMS) vollständig entfernt.
Kontrolle und Empathie
Für eine besondere Patientengruppe scheint Anfärben – in Verbindung mit einem motivierenden Gespräch – besonders wirkungsvoll zu sein: für Jugendliche in kieferorthopädischer Behandlung13. Junge Patienten wollen also sowohl Empathie als auch Leistungs-Feedback und damit Kontrolle. Im Prinzip gilt das auch für Erwachsene. Die auf der Basis von Axelssons Prophylaxestunde entwickelte Guided Bio lm Therapy bietet dafür die optimalen Werkzeuge.
Der Beitrag entstand mit freundlicher Unterstützung der Firma E.M.S. und erschien bereits in der P&C 2-2020.