Die individuelle und professionelle Prophylaxe…

proDente e. V.
Birgit Thiele-Scheipers

…beinhaltet einen Ernährungslink für Patienten!

Die Ernährungsanamnese- und beratung sollte in jeder Praxis zu einem wichtigen und festen Bestandteil gehören. Zucker, Säuren, Mangel- und/oder Fehlernährung fördern nicht nur Schäden in der Mundhöhle, sondern können auch Auslöser oder Verstärker für verschiedene Allgemeinerkrankungen wie Diabetes mellitus, Adipositas, zahlreiche Krebsarten, Herz-Kreis- lauferkrankungen und Atherosklerose, sein. Ein individuelles Ernährungsberatungskonzept, indem wir die Patienten auf Risiken und Defizite aufmerksam machen, gehört in unserer prophylaxeorientierten Praxis in jedes präventive Konzept.

Mundschleimhauterkrankungen, Gingivitis-   und   Parodontitisverläufe können durch Mineralien (Kalzium, Magnesium), mikro- (Vitamin A,C,D,B12) und makronährstoffreicher Ernährung (Omega-3-Fettsäuren) und zuckerarmer Ernährung positiv beeinflusst werden. Oftmals sind es schon geringe Veränderungen beziehungsweise Ergänzungen in der Ernährung, die einen positiven Einfluss erkennen lassen.

Prophylaxe-Konzept mit Ernährungsberatung

Die Skepsis gegenüber einer individuellen Ernährungsberatung verhindert häufig das Einbauen dieses Themas in das bereits vorhandene Prophylaxe-Konzept. Oft ist es die Unsicherheit über die „richtige“ Kommunikation, wie dieses Thema bei den Patienten angesprochen werden soll. Auch der zeitliche Ablauf, gegebenenfalls entstehende Zusatzkosten und das „wann“ binde ich die Beratung in den Prophylaxeablauf am besten mit ein, sind häufig Kriterien, womit sich auch unser Praxisteam auseinandergesetzt hat.

Wichtig war uns, dass allem voran die ausführliche und individuelle (Ernährungs-) Anamnese und Auswertung steht. Zusammen mit der Befundung wird die Diagnose- und Therapieplanung erstellt. In Teamsitzungen wurde die einheitliche Kommunikation des Prophylaxeteams in der Ernährungsberatung besprochen und Fachliteratur sowie themenbezogene Fortbildungen brachten die nötige Basis für die Kommunikation und Beratung der Patienten.

Kommunikation und Instruktion

Der erste Schritt zu einer erfolgreichen und zeitlich gut im Prophylaxeablauf etablierten Kommunikation und Instruktion ist eine umfangreiche Anamnese, in der die Ernährungsanamnese ihren Stellenwert hat. Zudem bildet die Erstbefundung mit unserem praxisindividuellen Ernährungsanamnesebogen für die weitere Aufklärung und Instruktion die Basis. Bei Befunden wie häufigen Kariesläsionen, Erosionen, Gingivitis oder Parodontitis findet nach Befundung und Auswertung des Ernährungsanamnesebogens zeitnah ein Beratungsgespräch statt. Wichtig ist, dass man sich als Team Gedanken zu den verschiedenen Patientengruppen (Kinder, Jugendliche, Erwachsene, Senioren), deren Ernährungsgewohnheiten, Bedürfnissen und Bereitschaft für Veränderungen macht. Viele Faktoren müssen individuell betrachtet und abgeklärt werden.

Wichtig: Bei Patienten mit allgemeinmedizinischen Problemen, wie zum Beispiel Diabetes oder Adipositas, ist zu beachten, dass diese bereits eine Ernährungsberatung erhalten haben. Somit sollte unsere zahngesunde Ernährungsempfehlung nicht mit anderen Empfehlungen kollidieren. Fragt bitte gezielt nach!

Jede Ernährungsanamnese ist individuell und erfordert von uns eine auf den Patienten abgestimmte Aufklärung und Beratung. Diese sollte in kleinen Schritten erfolgen und natürlich zielführend sein. Einfühlungsvermögen und sensibler Umgang, mit dem Wunsch nach Veränderung der Ernährung, bringen uns das Vertrauen der Patienten.

Ernährungsanamnese-/protokoll, Abrechnung und Dokumentation

Wir erörtern in der Praxis beim Abgleich der Anamnese die Ernährungsgewohnheiten und bieten bei Bedarf die notwendige Aufklärung und Unterstützung an. Die Beratung wird im Rahmen der Professionellen Zahnreinigung bei Erwachsenen und der Individualprophylaxe bei Kindern und Jugendlichen und deren Erziehungsberechtigten durchgeführt. Bei sehr umfangreichen Beratungen, die den zeitlichen Rahmen von circa fünf bis zehn Minuten deutlich überschreiten, bieten wir dem Patienten einen gesonderten Termin an. Je nach Umfang und Dauer des Aufklärungsgespräches berechnen wir nach GOZ/GOÄ Analogpositionen/Verlangensleistungen. Ernährungsprotokolle und Informationsblätter bekommt der Patient für seine häusliche Mitarbeit und Dokumentation von uns ausgehändigt. Zusätzlich können wir mit dem Screening Programm ParoStatus.de Befunde und Beratungen dokumentieren und im weiteren Verlauf mit dem Patienten vergleichen und analysieren. Das Ernährungsproto- koll macht deutlich, wie der Patient sich unter den oben genannten Faktoren ernährt. Anhand des Protokolls ist die Wahrnehmung einer Mangel- und/oder Fehlernährung für unsere Patienten deutlicher und sie sind prinzipiell motivierter ihre Ernährung dauerhaft umzustellen. Regelmäßige Recalltermine und die Auswertung der Protokolle unterstützen und begleiten den Patienten.

Interdiziplinäre Zusammenarbeit mit Hausärzten und Kontrolle durch Blutabnahme

Zur Kontrolle der Vitaminwerte bitten wir den Patienten bei seinem Hausarzt ein umfangreiches Blutbild anfertigen zu lassen. Dieses gibt Aufschluss über eventuelle Mangelerscheinungen oder Zufallsbefunde, wie zum Beispiel eine bis jetzt nicht diagnostizierte Diabetes. Das hierbei ein großes Risiko liegt, zeigt die hohe Dunkelziffer der nicht erkannten Diabetes Typ 2-Patienten.

Mangelerscheinungen wirken sich sowohl auf die Zahn- als auch auf die allgemeine Gesundheit aus. In unseren Aufklärungsgesprächen motivieren wir die Patienten, dass durch eine ausgewogene Ernährung auch die Lebensqualität verbessert werden kann. Raucher sind besonders gefährdet und haben einen erhöhten Bedarf an Mikro- und Makronährstoffen. Wir empfehlen bei Rauchern die Mundhygienehilfsmittel wie Zahnpasta/Spüllösung mit Vitamin C-haltigen Produk- ten zu ergänzen. Dies geschieht auch bei Patienten, die keine Veränderung in ihren Ernährungsgewohnheiten wünschen. Zielführend ist hierbei, dass auch minimale positive Einwirkungen eine Veränderung des Krankheitsbildes schaffen.

In der Karies- und Gingivitisprävention weisen wir auf die Gefahren hin, die sich durch zu hohen und gegebenenfalls versteckten Zuckerkonsum zeigen. Die Kombination von Zucker und Säure in einem Getränk ist besonders gefährlich, denn sie verstärkt die kariogene Wirkung. Reduktion von weißem Zucker und Alternativen wie zum Beispiel Birkenzucker (Xylit) sind Bestandteil eines Aufklärungsgespräches. Um die Gefahr von Erosionen zu mindern, empfehlen wir möglichst stilles Wasser oder Schorlen zu trinken. Nach den Mahlzeiten ist das Kauen von zuckerfreiem Xylit-haltigem Kaugummi zu empfehlen.

Gesundes Trinkverhalten und Kauaktive Nahrung

Jeder Mensch sollte täglich circa zwei bis zweieinhalb Liter Flüssigkeit zu sich nehmen. Bei einem Erwachsenen liegt der tägliche Bedarf zwischen 20 und 45 ml Flüssigkeit pro Kilogramm Körpergewicht. Oftmals erkennen die Patienten erst durch das Ernährungsprotokoll wie viele zucker- und säurehaltige Getränke über den Tag verteilt getrunken werden. Betrachtet man als Beispiel die Mischgetränke, stellt man fest, dass sie mit Kohlensäure angereichert werden und einen hohen Kaloriengehalt, viel Zucker und einen nicht unerheblichen Säureanteil aufweisen. Deshalb werden in einer zahngesunden Ernährungsberatung besonders kalorien- und säurearme Getränke empfohlen.

Kauaktive Nahrung festigt den Zahnhaltapparat, fördert den Speichelfluss und damit die orale Clearance der Mundhöhle. Als kauaktiv gelten naturbelassene Gemüse, Vollkornbrot, frisches Obst, Haferflocken, Kartoffeln, Vollkornreis und Hülsenfrüchte.

Probiotika und Mikronährstoffpräparate

Eine gesunde Ernährung, reich an frischer biologischer Kost, unterstützt den Körper und Heilungsprozesse. Wo sich jedoch ein Krankheitsgeschehen manifestiert hat, reicht das unter Umständen nicht aus. Hier empfehlen wir bei einer immer wieder auftretenden Gingivitis oder chronischen Parodontitis als Kur unter anderem Probiotika. Ein Probiotikum unterstützt die Gesunderhaltung des Zahnfleisches und fördert das Gleichgewicht der Mundflora. Der Patient lutscht in der Regel einmal täglich eine Pastille, da über die Schleimhäute die größtmögliche Wirksamkeit erzielt wird und beendet nach einer Packungseinheit die Einnahme. Auch das Mikronährstoffpräparat Itis-Protect® kommt unterstützend in der Parodontitistherapie zum Einsatz, wenn trotz guter Mundhygiene und Compliance bei Patienten mit chronischen Zahn- und Zahnfleischproblemen nicht der gewünschte Heilungsverlauf eintritt.

Abrechnung

Eine ausführliche individuelle Beratung über zahngesunde Ernährung, in Zusammenhang mit der Auswertung eines Ernährungsfragebogens/Ernährungsanamnese und Protokolls, ist eine Privatleistung und wird daher von uns auch einem Kassenpatienten in Rechnung gestellt. Dabei ist zu beachten, dass die Berechnung weder in der GOZ noch in der GOÄ geregelt ist. Entsprechend gibt es unterschiedliche Empfehlungen, wie zum Beispiel die Berechnung nach §2 Abs.3 GOZ als „Verlangensleistung“ oder nach §6 Abs.2 GOZ als „Analogleistung“. Die Vereinbarung mit den Kassenpatienten ist nach §4 Abs.5 BMV-Z bzw. §7 Abs.7 EKVZ zu treffen und schriftlich zu dokumentieren.

Abrechnungsbeispiel

GOÄ 6 a Erhebung der Ernährungsanamnese und gege- benenfalls Defizite analog gemäß §6(1) GOZ ent- sprechend GOÄ 6, einschließlich Dokumentation
GOZ 6020 Ausführliche Auswertung der Ernährungs- anamnese analog gemäß §6(1) GOZ entspre- chend GOZ 6020
GOÄ 34a Ausführliche Ernährungsberatung gemäß §6(1) GOZ entsprechend GOÄ 34, Dauer mindestens 20 Minuten
GOÄ 76 Individueller schriftlicher Plan, für jeden Patien- ten einzeln ausgestellt

Praxistipp: Wir rechnen die ausführliche Ernährungsberatung zur Ausschaltung zahnschädlicher Gewohnheiten mit der GOÄ-Nr. 3 ab. Hierbei handelt es sich beim Privatpatienten um eine eingehende, das gewöhnliche Maß übersteigende Beratung von mindestens zehn Minuten Dauer.

Fazit

Ernährungsberatungen haben in der Prophylaxe ihren Stellenwert und sollten in jedes professionelle Praxiskonzept integriert werden. Die Unterversorgung von Nährstoffen kann negative Auswirkungen auf die Immunabwehr sowie die Anfälligkeit für eine Vielzahl von Krankheitserregern haben und dadurch zu einem erhöhten Risiko für Infektionen, Komplikationen und Schweregrad der Erkrankung beitragen. Grundsätzlich empfehlen wir den Patienten eine abwechslungsreiche, ausgewogene, zucker- und säurearme Ernährung reich an wertvollen Mikro- nährstoffen und unterstützen sie bei der Umstellung.

Bei Verdacht auf eine Mangelernährung erwägen wir die Verwendung von Nahrungsergänzungsmitteln, Probiotika und die interdiziplinäre Zusammenarbeit mit den Hausärzten. So können wir in der Zahnarztpraxis unsere Patienten nicht nur im Zusammenhang mit der Kariesprävention, sondern auch in Bezug auf parodontale Erkrankungen, die Wirkung und Bedeutung einer gesunden Ernährung auf die orale und systemische Gesundheit erläutern und ihre Lebensqualität verbessern.

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