Actiongeladener Wissenschaftsthriller

Interview mit Kathrin Lange & Susanne Thiele
© Verena Meier / © Susanne Krauss, München
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Kathrin Lange – Susanne Thiele

Multiresistente Keime sind die schleichende Gefahr der modernen Zivilisation. Kathrin Lange (Autorin) und Susanne Thiele (Mikrobiologin und Wissenschaftsjournalistin) befassen sich in dem actiongeladenen Wissenschaftsthriller „Probe 12“ (Bastei Lübbe, ET: 30.09.2021) mit den tödlichen Krankheitserregern.

Als die Wissenschaftsjournalistin Nina Falkenberg ihren Ziehvater in Georgien besucht, erfährt sie, dass ihm eine medizinische Sensation gelungen ist: Er hat ein Medikament entdeckt, das gegen antibiotikaresistente Keime wirkt. Aber anscheinend will jemand verhindern, dass die Rettung in Form einer Phagen-Therapie die Menschheit erreicht. Denn als Nina diesen Erfolg mit ihm feiern möchte, gerät sie mitten in einen tödlichen Angriff auf ihn. Die Proben konnte der Professor, der ahnte, dass er verfolgt wird, noch rechtzeitig zu einem Kollegen nach Berlin schicken. Dort versucht Nina zusammen mit dem Foodhunter Tom Morell, die Forschungsergebnisse nachzuvollziehen. Denn Tom trägt selbst Mitschuld daran, dass seine Tochter an einem dieser tückischen Keime schwer erkrankt ist. Und eine der Proben kann sie retten… Aber sie haben Gegner, die auch hinter der Medizin her sind. Und diese schrecken weder vor Entführung und Erpressung noch vor Mord zurück.

In dem packenden Thriller treffen Unterhaltung und Wissenschaft aufeinander. Kathrin Lange schreibt immer wieder über aktuelle gesellschaftliche Themen, und Susanne Thiele hat in ihrem Beruf viel mit den Gefahren antibiotikaresistenter Bakterien zu tun. Das ideale Autorinnenteam vermittelt Fakten und Expertise eingebettet in einen genauso mitreißenden wie realitätsnahen Plot. Ein Muss für Science-Thriller-Fans!

Kathrin Lange und Susanne Thiele im Doppelinterview zu ihrem Thriller „Probe 12“

Wie haben Sie sich beide kennengelernt?

Kathrin: Wir haben uns das erste Mal auf der Tagung einer regionalen Kulturinitiative getroffen. Es ging dort um das Thema „Vernetzung“, und das haben wir beide dann auch gleich wörtlich genommen.

Susanne: Wir haben zufällig beim Kaffee zusammengestanden, waren uns sehr sympathisch und haben noch auf dieser Veranstaltung die ersten Ideen für PROBE 12 entwickelt.

Wie kam es dazu, dass Sie zusammen einen thematischen Thriller geschrieben haben? Was hat Sie beide daran besonders gereizt?

Susanne: Ich wusste bereits, dass Kathrin Thrillerautorin ist, und hatte die Grundidee für den Roman bereits im Kopf. So kamen wir auf der Autorentagung miteinander ins Gespräch und dachten uns schnell, dass wir uns perfekt ergänzen können.

Kathrin: Ich hatte zu der Zeit eine Anfrage eines Verlages nach einem Science-Thriller und war kurz davor, sie abzulehnen, weil ich mir die Recherche – vor allem zeitlich – nicht zutraute. Als Susanne mir dann von ihrer Idee erzählte und ich ihr von dieser Verlagsanfrage, war relativ schnell klar, dass wir etwas Gemeinsames machen wollten.

Wieviel wissenschaftliche Fachexpertise steckt von Ihnen, Frau Thiele, in PROBE 12?

Susanne: Als Mikrobiologin und Journalistin an einem Infektionsforschungszentrum habe ich einen ganz natürlichen Zugang zu spannenden Trendthemen aus der Forschung. Wissenschaft und die realen Menschen, die forschen, schreiben die unglaublichsten Geschichten.

Wie würden Sie Ihr Buch in drei Wörtern beschreiben?

Kathrin: Mir fallen nur zwei ein: Spannend. Und realistisch.

Susanne: Fakten und Fiktion und Edutainment, also die Vermittlung von Wissen auf beiläufige und unterhaltsame Weise.

Worum geht es in PROBE 12?

Kathrin: In Georgien wird ein führender Wissenschaftler ermordet, dessen Lebenswerk eine innovative Medizin gegen antibiotikaresistente Keime war. Nina Falkenberg, die Ziehtochter des ermordeten Forschers, selbst engagierte Wissenschaftsjournalistin, versucht herausfinden, was geschehen ist. Vor allem aber will sie das Vermächtnis ihres Vaters retten: 12 hochwirksame Medikamentencocktails. Ihre Suche danach führt sie nach Berlin, wo sie auf den Foodhunter und Blogger Tom Morell stößt. Dessen Tochter Sylvie leidet an einem nur noch schwer behandelbaren antibiotikaresistenten Keim und droht daran zu ster-en. Als klar wird, dass eine der 12 Proben Sylvie retten kann, tun Nina und Tom sich zusammen. Das ist ein nicht ganz ungefährliches Unterfangen, denn es gibt noch andere, die hinter den Proben her sind, und sie scheuen vor Gewalt nicht zurück.

Susanne: Es steckt viel Realität in PROBE 12. Wenn wir von Medikamentencocktails reden, meinen wir eine innovative Methode, um antibiotikaresistenten Bakterien mit ihren natürlichen Feinden den – Bakteriophagen (= kurz Phagen) zu bekämpfen. Ich will hier nicht zu viel verraten, aber das ist eine fast vergessene Therapie, die schon vor hundert Jahren entdeckt wurde und in einigen Ländern der ehemaligen Sowjetunion weiter praktiziert wurde, z. B. in Georgien – einem unserer Romanorte. Mit der zunehmenden Ausbreitung von Antibiotika-Resistenzen und multiresistenten Bakterien rückt das alte Therapiekonzept heute wieder in das Interesse der Forscher.

Inwieweit hat die Corona-Pandemie Ihren Schreibprozess und die Entstehung des Thrillers noch beeinflusst?

Kathrin: Zunächst natürlich hat es uns organisatorisch vor Herausforderungen gestellt. Wir wohnen nur wenige Kilometer voneinander entfernt, und eigentlich war der Plan, sich so oft wie möglich zu treffen und an dem Buch zu arbeiten. Das ging wegen Corona dann nicht mehr, ließ sich aber durch Zoom und Co. recht gut auffangen. Den größeren Einfluss hatte die Pandemie aber auf ein wichtiges Detail unseres Themas. Ursprünglich war die Idee nämlich, Sylvie Morell an einem multiresistenten Tuberkulosekeim leiden zu lassen.

Susanne: Als sich im März 2020 abzeichnete, dass die Tuberkuloseforschung im Zuge der Impfstoffentwicklung gegen Corona eine große Rolle spielen und dass es womöglich sehr schnell ein neues Medikament gegen resistente Tuberkulose geben könnte, hat dies unserer Romanprämisse die Grundlage genommen. Ich musste in der Recherche noch einmal völlig neu ansetzen, einen anderen passenden resistenten Erreger und eine andere Krankheit finden. Das führte dazu, dass wir auch etliche andere Teile des Romans noch einmal umstricken mussten. Das ist leider immer die Gefahr, da wir nah an der Realität schreiben.

Was waren die stärksten Motive und Inspirationen für PROBE 12?

Susanne: Ich habe durch meine beruflichen Stationen viel mit den Gefahren antibiotikaresistenter Bakterien zu tun. Das ist ein spannendes Thema, was jeden im Alltag angeht. Daher finde ich es legitim, diese Trendthemen auch in die gehobene Unterhaltungsliteratur einzuarbeiten, wie wir es mit unserem Science-Thriller gemacht haben. Zudem wollte ich schon immer etwas zur faszinierenden Phagentherapie schreiben und das ließ sich in unserem Projekt wunderbar kombinieren.

Kathrin: Dadurch, dass ich mich in meinen Thrillern immer wieder an aktuellen und relevanten gesellschaftlichen Themen abarbeite, war die Chance, mit Susanne dieses Buch zu schreiben, ein Glücksfall für mich.

Welche besondere Herausforderung stellt das Schreiben eines Science-Thrillers bzw. eines thematischen Thrillers für Sie dar?

Kathrin: Für mich war es eine Riesenherausforderung, das geballte Fachwissen, das Susanne mitbringt, zu verstehen und dann herauszufinden, wo darin der Kern für einen glaubwürdigen und spannenden Thrillerplot liegt. Bestand früher ein Großteil meiner Arbeit aus Recherchen, so hatte ich diesmal eher zu viel als zu wenig Informationen. Gleichzeitig war das aber auch ein Segen, denn ich kannte es bisher ja nicht, einfach bei jeder inhaltlichen Frage zum Telefonhörer greifen zu können und quasi sofort eine Antwort zu haben, mit der ich weiterarbeiten konnte.

Susanne: (lacht) Dafür haben mir manchmal die Plotwendungen, die Kathrin für unseren rasanten Thriller brauchte, etwas Kopfzerbrechen bereitet, damit sie noch in der wissenschaftlichen Realität lagen. Aber mit einer Nacht drüber schlafen und etwas Kreativität haben wir immer eine Lösung untereinander ausgehandelt.

Kathrin: „Ausgehandelt“ trifft es gut. (lacht)

Gibt es eine wissenschaftliche Grundlage für das Buch? Wenn ja, welche Aspekte im Zusammenhang mit multiresistenten Bakterien sind wissenschaftlich belegt?

Susanne: Leider gehört die Gefahr der Antibiotika-Resistenzen zu unserem Alltag. Die gefürchteten multiresistenten Keime breiten sich seit den 1940er-Jahren aus. Bis zu 95 Prozent der Staphylococcus-Stämme in Kliniken – bekannter unter der Bezeichnung MRSA oder auch Krankenhauskeim – sind schon resistent. Viele Umstände haben das begünstigt: von falschen oder vorzeitig abgesetzten Medikamenten bis zum landwirtschaftlichen Masseneinsatz von Antibiotika in der Viehzucht. Kritisch wird es, wenn Medikamente, die von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als „Reserveantibiotika“ für den Menschen eingestuft sind, weltweit in der Tiermast eingesetzt werden und auf diese Weise in die menschliche Nahrungskette gelangen. Die Antibiotikakrise ist zu einer globalen Bedrohung geworden. Es ist eine potenziell explosive Lage, eine Zeitbombe – allerdings eine, die in Zeitlupe explodieren wird. Wir haben für unser Buch das reale Szenario eines panresistenten Pseudomonas-Bakteriums gewählt. Wir Menschen sind mobil, wir reisen, und all das führt dazu, dass wir Keime mit gefährlichen Multiresistenzen, die wir in und an uns tragen, aus Ländern einschleppen, in denen der Verkauf von Antibiotika weniger oder gar nicht reguliert ist als bei uns. Wenn diese Bakterien dann ihre Resistenzgene mit anderen multiresistenten Erregern tauschen, werden sie zur Gefahr. Dass in der Folge panresistente Erreger entstehen können, gegen die alle gängigen Antibiotika nicht mehr wirken, ist bisher zwar noch selten, aber leider schon jetzt Wirklichkeit.

Auf einer Skala von 1 bis 10 wie realistisch ist Ihr Thriller?

Kathrin: 9

Susanne: Ja da gehe ich mit – 9. An einer Stelle im Thriller haben wir uns zugunsten der Dramaturgie entschieden, die Realität etwas zu biegen. Das wird im Nachwort erklärt.

Was gefällt Ihnen am Thriller-Genre besonders?

Kathrin: Ich mag es, dass man in diesem Genre wichtige Themen und Fragen unserer Zeit verhandeln und dabei spannend und unterhaltsam erzählen kann. Idealerweise lesen die Menschen unser Buch bis morgens um halb drei, weil sie es nicht mehr aus der Hand legen können, und haben, wenn sie es ausgelesen haben, ein paar neue Erkenntnisse gewonnen.

Susanne: Ich finde das Science-Thriller-Genre ideal, um Geschichten über wissenschaftliche Zukunftsthemen mit all ihren Potenzialen und Gefahren anhand spannender Protagonisten mit zum Teil dunklen Seiten zu erzählen. So kann ich Wissenschaft sehr gut unterhaltend vermitteln.

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