Molekulare Diagnostik

Was die Parodontitistherapie so kompliziert macht, ist, dass eine Reihe verschiedener Faktoren zur Entwicklung der Erkrankung beitragen. Eine der Hauptursachen stellen bestimmte Bakterien dar, die die Parodontitis auslösen. Gleichzeitig hat aber auch die genetische Veranlagung des jeweiligen Patienten einen erheblichen Einfluss auf die Progression der Erkrankung. Liegen bei einem Patienten bestimmte Genvarianten vor, schreitet die Parodontitis besonders schnell und aggressiv voran, da sein Immunsystem stärker auf die vorhandenen Bakterien reagiert. Außerdem wirken sich noch weitere äußere Faktoren wie zum Beispiel Rauchen, eine schlechte Mundhygiene oder Diabetes mellitus nachteilig auf die Erkrankung aus.12, 14, 17, 18, 22 Schauen wir uns die wichtigsten Themen ein­ mal genauer an.

Parodontitisbakterien

Im Mund können bis zu 700 verschiedene Bakterienarten vorkommen. Viele davon sind nützlich und tragen ihren Teil zur Mundgesundheit bei, einige sind aber auch schädlich, wie zum Beispiel die Parodontitisbakte­rien. Solange sich die Bakteriengemeinschaft im Gleichgewicht befindet, ist alles in Ordnung. Führen aber bestimmte Umstände dazu, dass sich diese Balance zugunsten der schädlichen Keime verschiebt, beginnen diese sich zu vermehren. Dabei drängen sie die nützlichen Bakterien zu­ rück und lösen eine Entzündung aus.4, 5, 7, 15, 16

Wie aber kommt es zu so einer Verschiebung des Gleichgewichts? Viele der Parodontitisbakterien sind empfindlich gegenüber Sauerstoff und be­siedeln daher gerne Stellen im Mund, an denen die Sauerstoffkonzentra­tion nicht so hoch ist, zum Beispiel den Spalt zwischen Zähnen und Zahn­fleisch. Ohne regelmäßige Mundhygiene vermehren sich diese Bakterien und organisieren sich in einem Biofilm, sodass Plaque entsteht (Abb.1).

Dort scheiden sie verschiedene Stoffwechselprodukte aus, die ihnen in der Zahnfleischtasche von Nutzen sind. Diese können ihnen zum Beispiel Vorteile im Konkurrenzkampf um rare Nährstoffe wie Eisen verschaffen oder es sind sogenannte Virulenzfaktoren, welche den Produzenten unter anderem die Fähigkeit verleihen an Zellen anzuhaften, in Zellen einzudringen oder diese zu zerstören. Zusammen mit der Reaktion des Immunsystems auf die vorhandenen Keime führt dies dazu, dass sich der Spalt zwischen Zahn und Zahnfleisch vertieft und sich Zahnfleisch­taschen bilden. Hier bieten sich ideale Lebensbedingungen für die Paro­dontitisbakterien, da zum Beispiel in tiefen Taschen noch weniger Sauer­stoff vorhanden ist. So können sich die Keime noch besser vermehren und vertiefen die Zahnfleischtaschen zunehmend: ein klassischer Teufels­kreis. Erschwerend kommt hinzu, dass die reguläre Mundhygiene die Bakterien innerhalb der Zahnfleischtasche nicht mehr erreicht und somit die Plaquebildung dort vom Patienten alleine nicht unterbunden werden kann. Doch während sich die Parodontitisbakterien so einen optimalen Lebensraum erschaffen, hat das für den Zahnhalteapparat ernste Fol­gen. Denn wird dieser Prozess nicht aufgehalten, führt das langfristig zur Zerstörung des Weichgewebes und Abbau des Kieferknochens.1, 2, 7, 15, 16

“Wichtig zu wissen: Ab einem gewissen Stadium kann der von den Bakterien verursachte Schaden nicht wieder rückgängig gemacht werden. Handelt man nicht rechtzeitig, können letztendlich Zähne verloren gehen. Aus diesem Grund ist eine frühzeitige Therapie besonders wichtig.”

Bei den Parodontitisbakterien handelt es sich um eine Gruppe sehr unterschiedlicher Spezies und auch die jeweilige Bakterienkonstellation kann sich von Patient zu Patient unterscheiden.10, 11, 23 Das macht es schwierig, immer die passende Therapie zu wählen. So ist bei  manchen Konstellationen eine mechanische Parodontitistherapie ausreichend, da diese Bakterien damit in der Regel gut in den Griff zu kriegen sind. Andere Bakterien hingegen sind aggressiver und können zudem auch noch in das Zahnfleisch eindringen. Damit können sie nur schwer allein durch eine mechanische Behandlung eliminiert werden. In solchen Fällen ist zusätzlich ein Antibiotikum indiziert.8, 19, 24, 25

Dabei ist es allerdings nicht sinnvoll, einfach breit wirkende Antibiotika­ Kombinationen wie den Winkelhoff-­Cocktail zu verschreiben. Denn mikrobiologisch betrachtet ist in circa 70 Prozent der Fälle die alleinige Gabe von Metronidazol ausreichend. Nur wenn zum Beispiel auch der Leitkeim Aggregatibacter actinomycetemcomitans vorliegt, muss zusätzlich noch Amoxicillin gegeben werden.3, 6, 20, 24, 25

Um diese Fälle sicher erkennen zu können, hilft die molekulardiagnos­tische Analyse des Keimspektrums. Beispielsweise weist die Analyse mit micro­IDent® beziehungsweise micro­IDent®plus die fünf beziehungs­weise elf häufigsten parodontopathogenen Bakterien zuverlässig nach. Der Test zeigt dabei nicht nur, welche der pathogenen Bakterien bei dem jeweiligen Patienten individuell vorhanden sind, sondern auch in welcher Konzentration (Abb. 2). Daraus lässt sich dann konkret ableiten, ob ein Antibiotikum verabreicht werden sollte und wenn ja, welches. Auf diese Weise verhindert man eine Übertherapie des Patienten und vermeidet unnötige Nebenwirkungen. Gleichzeitig berichten Praxen, dass sie viel mehr Parodontitispatienten erfolgreich therapieren, seit sie mikrobiolo­gische Diagnostik in ihrem Therapiekonzept etabliert haben.9

“Praxistipp: Das Testergebnis veranschaulicht dem Patienten sehr deutlich,die Situation in seinem Mund aussieht. Anschließend ist er häufig motivierter, seine Mundhygiene zu verbessern. Denn werschon so viele schädliche Bakterien in seinem Mund haben? Da eine Analyse somit die Patientencompliance erhöht, ist sie eigentlich immer hilfreich, selbst wenn keine Antibiotikagabe notwendig ist.”

Genetische Veranlagung des Patienten

Die Bakterien sind die Hauptursache der Parodontitis, aber auch die Reaktion des Immunsystems auf die Eindringlinge führt zu Gewebeschä­digungen und langfristig zu Knochenabbau.2,7, 13 Wie schnell und wie stark das Immunsystem auf die Infektion reagiert, hängt unter anderem von drei Aspekten ab:

1.   von der Art der Bakterien:
Die verschiedenen Bakterienarten bringen ganz individuelle Eigen­ schaften mit sich und können das Immunsystem unterschiedlich stark provozieren.

2.   von der Menge der Bakterien:
Dem Immunsystem fällt es umso schwerer die Situation in den Griff zu bekommen, je mehr Parodontitisbakterien vorhanden sind.

3.   von der genetischen Veranlagung des Patienten:
Das Immunsystem mancher Patienten reagiert überdurchschnittlich stark auf die bakterielle Infektion. Das ist genetisch festgelegt und erklärt, warum manche Patienten, trotz geringer Anzahl von Paro­dontitisbakterien, an einer schweren Parodontitis leiden.

Bei Patienten mit einer erblich bedingten Veranlagung zu einer starken Immunreaktion auf vorhandene parodontopathogene Keime sollte man schon zu einem früheren Behandlungszeitpunkt versuchen, diese Bak­terien zu eliminieren. Während einige Patienten selbst bei einer hohen Bakterienkonzentration nur eine moderate Entzündung aufweisen, wird eine hohe Keimbelastung für Patienten mit einer genetisch bedingt star­ken Immunreaktion besonders problematisch.13, 14, 17, 21

Auch hier können molekulardiagnostische Analysen, zum Beispiel Geno­ Type IL­1 von Hain Lifescience, die genetische Prädisposition aufklären. Aus diesen Ergebnissen lassen sich auch Rückschlüsse auf geeignete Recallintervalle ziehen. Denn Patienten mit dieser Veranlagung sollten engmaschiger kontrolliert werden als Patienten ohne diese genetische Besonderheit. Zudem ist es in solchen Fällen sinnvoll, die Parodontitis­therapie schon in einem früheren Stadium zu beginnen, um ein rasches Voranschreiten zu verhindern. Gleichzeitig sind auch diese Analyseergeb­nisse dazu geeignet, die Patientencompliance positiv zu beeinflussen.

Denn damit wird es leichter dem Patienten zu vermitteln, dass er auf­ grund seiner genetischen Situation, ganz besonders gründliche Mundhygiene betreiben muss (Abb. 3). Zudem kann die genetische Veranlagung erklären, warum die Erfolge trotz hervorragender Mundhygiene manch­mal nicht so durchschlagend sind, wie erhofft.

“Praxistipp: Die Ergebnisse aus den Analysen können auch langfristig in der UPT hilfreich sein. Vor allem, wenn die Compliance des Patienten mit der Zeit wieder etwas nachlässt, kann man das Ergebnis erneut hervorholen und als Gesprächsgrundlage verwenden. Das Analyseergebnis macht dieses fiktive Thema greifbarer und ist damit eine gute Motivationshilfe.”

Zusammenfassung

Molekulare Diagnostik hilft nicht nur dem Zahnarzt bei der Parodon­titistherapie, sondern auch der zahnmedizinischen Fachangestellten oder Dentalhygienikerin bei der regelmäßigen Zahnreinigung und Remotiva­tion des Patienten. Immerhin ist die kontinuierliche Kontrolle und Reini­gung der Zähne entscheidend für eine erfolgreiche Parodontitistherapie.

Prophylaxe in der Schwangerschaft

Die Schwangerschaftsgingivitis gehört zu den wichtigsten parodontalen Erkrankungen. Unbehandelt kann sie wie andere Formen der Gingivitis zur Parodontitis führen. Mit der Schwangerschaft ist keine spezifische Art der Parodontitis verbunden, aber sie scheint ein potenzieller Risikofaktor für unerwünschte Schwangerschaftsabläufe zu sein.

Der Gesetzgeber kennt bereits seit Jahrzehnten die Bedeutung von parodontaler Gesundheit für werdende Mütter. So schreiben Bundesausschüsse und Krankenkassen vor, dass Gynäkologen und Zahnärzte im letzten Drittel der Schwangerschaft bedarfsgerecht über die Bedeutung der Mundhygiene für Mutter und Kind sprechen sollen. Doch leider sieht die Realität so aus, dass nur 5 bis 10 Prozent der Schwangeren weltweit einen Zahnarzt während der Schwangerschaft aufsuchen. Der sozioöko­nomische Status, Angst und vielleicht auch Apathie führen dazu, dass viele Patienten den Gang zum Zahnarzt meiden.

Die Schwangerschaftsgingivitis
Tatsächlich können verschiedene parodontale Erkrankungen, darunter Schwangerschaftsgingivitis, Granulom gravidarium (Schwangerschafts­ tumor) und Parodontitis die (Mund­) Gesundheit schwangerer Frauen beeinträchtigen. Die Schwangerschaftsgingivitis gehört dabei zu den klassischen gingivalen Erkrankungen und zählt zu denjenigen, die durch systemische Faktoren modifiziert sind. Das können hormonelle Einflüsse wie Pubertät, Menstruation, Schwangerschaft und Diabetes mellitus oder auch Blutbildstörungen sein. In Aussehen und Form unterscheidet sich die Schwangerschaftsgingivitis nicht von der klassischen Gingivitis. Aber ihre Prävalenz unterscheidet sich. Bereits 1933 sprachen Ziskin et al. von einem 30­ bis 100­prozentigen Vorkommen. Neuere Studien 1­-3 schwanken zwischen 38 Prozent und 93,7 Prozent. Allen Studien gemein ist, dass die Gingivitis mit dem Hormonlevel und der Plaque korreliert. Im zweiten und dritten Trimester bemerken Schwangere im Allgemeinen eine Steigerung der Gingivitis und Blutungen, da der Körper die Steroid­ hormone Progesteron und Östrogen stärker produziert. Je mehr Plaque vorhanden ist, desto höher ist auch das Risiko einer Gingivitis.

Die Ursachen der Schwangerschaftsgingivitis scheinen aber komplexer zu sein als bisher angenommen. Bereits geringe Mengen an Plaque führen bei Schwangeren zu einer überschießenden Entzündungsreaktion im an­ fälligen Gewebe. Nicht nur das Immunsystem ändert sich, sondern auch die Durchblutung sowie das Zellsystem. Die gesamte Mundschleimhaut bereitet sich auf die anstehende Geburt vor. Ein großes Augenmerk muss das Praxisteam deshalb auf den dentalen Biofilm legen. Progesteron und Östrogen fördern direkt die Pathogene P. intermedia und P. gingivalis. Indirekt ist das weiche Gewebe deutlich empfänglicher für Bakterien, die in die Mundhöhle gelangen. Nichts destotrotz bleiben Schwangere, die eine gute Mundhygiene durchführen, von schweren Entzündungen verschont.

Führt die Schwangerschaftsgingivitis nun  zu  Frühgeburten?
Allgemein vermutet die Wissenschaft, dass parodontale Entzündungen bei Schwanger­ schaftskomplikationen eine wichtige Rolle spielen. Die Parodontitis als eine chronische Entzündung hat schließlich eine bakterielle Infektion als Ursache und stellt somit eine potentielle Quelle von zirkulierenden Entzündungsbiomarkern dar. Diese Entzündungs­ mediatoren streuen in den gesamten Körper und werden mit möglichen negativen Schwangerschaftsfolgen in Verbindung gebracht. Studien zur Parodontitis bei Schwan­ geren variieren dabei zwischen 0 Prozent 4 und 61 Prozent.2

Klinische Studien deuten zudem darauf hin, dass Bakterien wie P. gingivalis, T. denticola, T. forsythia und F. nucleatum aus der Mundhöhle den Fötus und die Plazenta kolonisieren. Diese parodontalen Pathogene können damit einen Risikofaktor für negative Schwangerschaftsverläufe darstellen, darunter ein niedriges Geburtsgewicht, Früh­geburten sowie Präeklampsie (Bluthochdruck). Faktisch gibt es aber immer noch keine eindeutigen Beweise, die den Zusammenhang zwischen Parodontitis und unerwünsch­ten Schwangerschaftsabläufen untermauern. Einige Studien deuten zwar darauf hin, dass es eine Assoziation geben könnte. Weitere Untersuchungen sind aber notwendig, um die komplexen biologischen Prozesse zu verstehen. Drei Fakten bleiben:

  1. Eine parodontale Vorerkrankung der Frau kann sich in der Schwangerschaft zu einer Parodontitis verschlimmern.
  2. Nach der Geburt verbessert sich bei Frauen mit Parodontitis der Parodontalstatus auch ohne aktive Parodontitistherapie.
  3. Schwangerschaftsgingivitis allein führt nicht zu negativen Schwangerschaftsfolgen.

Therapie und Vorsorge
Ob gesunder Mund, Gingivitis oder sogar Parodontitis: Heute empfehlen Verbände und Forscher schwangeren Patienten drei Besuche beim Zahnarzt, idealerweise ein­ mal pro Trimester. So können Zahnärzte die Patienten im ersten Trimester umfassend beraten. Das zweite eignet sich für eine professionelle Zahnreinigung und eventuelle Parodontitistherapie. Das dritte Trimester sollte das Praxisteam zur Beratung für die Zahngesundheit des werdenden Kindes nutzen, denn idealerweise beginnt Prophylaxe des Babys bereits in der Schwangerschaft.

In der Zahnarztpraxis sollten schwangere Patienten alles Wichtige über Kariesent­stehung, Infektionswege und Ernährung erfahren. Nicht nur auf der Aufklärung liegt hier ein Schwerpunkt, sondern auch auf einer gezielten präventiven Therapie. Werdende Mütter, die sich selbst für die Prophylaxe begeistern, geben diese Erfahrung an ihre Kinder weiter. Damit steht auch die Prophylaxe für das Kind, also die Primär- Primär­prophylaxe, noch vor der Geburt im Fokus der Zahnmedizin.

Mechanische und professionelle Plaquekontrolle
Im Fokus der Schwangerschaftsprophylaxe steht seit jeher die mecha­nische Plaquekontrolle. Zähneputzen mit weichen Borsten, fluoridhaltige Zahnpasta, Instrumente zur Interdentalpflege und gegebenenfalls che­mische Plaquekontrolle sind Schlüsselinstrumente für die Prävention von Gingivitis und Parodontitis bereits vor der Schwangerschaft. Die neuen S3­-Leitlinien empfehlen zum Beispiel elektrische Zahnbürsten mit oszil­lierenden Rotationen und einer Dauer von 120 Sekunden. Grundsätzlich eignet sich jedoch jedes System der mechanischen Plaquekontrolle, ob manuell oder elektrisch, solange die richtige Technik verwendet wird. Im Falle einer Gingivitis eignen sich auch Mundspüllösungen als zu­ sätzliche Therapie. Bei akuter Gingivitis sollten Patienten Chlorhexidin therapeutisch kurzfristig einsetzen, am besten in einer Konzentration von 0,1 bis 0,2 Prozent oder 1 Prozent. Verschiedene Metaanalysen haben herausgefunden, dass Chlorhexidin in der Schwangerschaft bedenken­los eingesetzt werden kann. Längerfristige chemische Plaquekontrolle eignet sich für Schwangere mit Übelkeit und schlechter Mundhygiene im molaren Bereichen. Weitere Alternativen wie Teebaumöle und Propolis zeigten in Studien hingegen keine Wirksamkeit.

Was bei der Parodontaltherapie zu beachten ist
Wenn das Praxisteam schwangere Patienten mit Parodontitis behandeln muss, haben beide Seiten erst einmal keine Besonderheiten zu beachten. Die Forschung zeigt, dass eine nicht­chirurgische Parodontaltherapie während des zweiten Trimesters unbedenklich ist. Scaling und Root Planing sind damit während der Schwangerschaft sicher. Röntgenauf­ nahmen können aufgenommen und auch eine Lokalanästhesie ohne zusätzliches Risiko für den Fötus oder die schwangere Frau durchgeführt werden. Die Verwendung von üblichen Schmerzmitteln und von syste­ mischen Antibiotika ist sicher.

Die nicht­chirurgische Parodontaltherapie verbessert den Parodontal­ status der meisten schwangeren Frauen mit Parodontalerkrankungen, aber das Ausbleiben von negativen Schwangerschaftsproblemen konn­te noch nicht mit Evidenz gezeigt werden. Man vermutet, dass eine PA- Therapie in der Schwangerschaft zu spät kommt, da eine Kaskade von Entzündungsreaktionen bereits ausgelöst wurde. Sie kann aber die Häufigkeit unerwünschter Schwangerschaftsausgänge bei Frauen senken, bei denen ein hohes Risiko für Schwangerschaftskomplikationen besteht oder die auf eine Parodontalbehandlung besser ansprechen.

Die moderne Schwangerschaftsprophylaxe
Die Professionelle Zahnreinigung als Teil des modernen Biofilmmanage­ ments ist ein unverzichtbarer Bestandteil der Gingivitis­ und Parodontitis­prophylaxe und ­-therapie. Eine PZR in Kombination mit Mundhygiene­produkten und Instruktionen reduziert die moderate oder schwere Gingivitis deutlich. Das zweite Trimester eignet sich dabei am besten für die professionelle Zahnreinigung. Die Übelkeit ist zu diesem Zeitpunkt verschwunden, gleichzeitig kann die Patientin noch eine ganze Stunde liegen, da es noch nicht zu Kompression der vena cava kommt.

Zu einer optimalen Schwangerschaftsprophylaxe gehört aus zahn­medizinischer Sicht auch die Ernährung. Hier sollten sich Patienten nicht einschränken, sondern grundsätzlich die Schwangerschaft genießen. Nichtsdestotrotz sollten Patientinnen auf säurehaltige Speisen und Getränke verzichten. Die „neue Lust“ auf saure und süße Speisen, oft in zu hoher Frequenz, erhöht auch das Risiko einer Karies. Die Pufferkapazität und Spülfunktion des Speichels ist während der Schwangerschaft einge­ schränkt, der Mund tendiert zu Trockenheit, Karies entsteht so leichter. Selbst vermeintlich gesunde Speisen, wie saure Früchte oder Obstsäfte, können so schnell die Zahnhartsubstanz schädigen.

Apropos Erosion: Auch Schwangerschaftsübelkeit führt zum Ausstoß von Magensäure, was wiederum zu unterschiedlich starken Erosionen führen kann. Dabei sollte man das Zähneputzen nach einem Erosionsreiz vermei­den, denn die Pellikel benötigt nach dem Erbrechen ein bis zwei Stunden, um sich wieder zu bilden. Hilfreiche Mittel der Neutralisierung sind neben Milch und Käse vor allem Kaugummi. Anstatt direkt zu putzen, können Schwangere antibakterielle Mund­ und Fluoridspüllösungen verwenden.

Fazit

Die Schwangerschaft stellt eine große Herausforderung für Zähne und Zahnfleisch dar. Die Hauptaufgabe der parodontalen Behandlung während der Schwangerschaft besteht darin, die parodontale und allgemei­ne Gesundheit der Schwangeren zu verbessern. Ernährungsberatung und Mundhygienetraining reduzieren die Plaque und Gingivitis und verhin­dern so die Parodontitis. In Bezug auf die Beeinflussung unerwünsch­ter Schwangerschaftsergebnisse kann es effektiver sein, bereits vor der Schwangerschaft zu intervenieren. Wenn das Praxisteam die Gingivitis kontrolliert und damit die Parodontitis vermeidet, hat es seinen Beitrag zu einer problemlosen Schwangerschaft geleistet. In allen Fällen gilt: Vorbeugen ist besser als heilen… zu müssen. Denn jeder Zahn zählt.

* Danke auch an Marc Chalupsky

Interview zu unserem neuen Studiengang Dental Hygienist

“Möglichkeiten im zahnmedizinischen Bereich einfach auf ein neues Level heben”

1. Sie haben eine Fortbildung zur Bachelor DH absolviert. Was hat Sie zu diesem Schritt motiviert?
Sarah Kohl: Ich arbeite in der Praxis Klein Sälzer, die nicht nur national, sondern auch international über den Tellerrand schaut. Bei uns arbeitete bereits eine DH aus den USA, als der Beruf in Deutschland noch unbekannt war. Mit Beginn der Bachelor Fortbildung in Deutschland sprach mich unsere Managerin Romy Klein an. Sie erkannte mein Potenzial, ich war sofort Feuer und Flamme und ergriff die mir gebotene Möglichkeit. Der Studiengang war in Deutschland längst überfällig.

2. Wenn andere KollegInnen sich mit dem Gedanken tragen würden, einen Bachelorabschluss Dental Hygienist machen zu wollen, aus welchen Gründen würden Sie dies empfehlen?
Sarah Kohl: Der Studiengang Dental Hygiene hebt die Möglichkeiten im zahnmedizinischen Bereich einfach auf ein völlig neues Level! Es wird ein akademisch fundiertes Wissen vermittelt, welches wir absaugen und aufsaugen. Die Ausbildung zur ZFA endet damit nicht weiter in einer Sackgasse, sondern eröffnet einen Strauß an Möglichkeiten für eine tolle eigenständige Karriere. Neben Fächern wie Betriebswirtschaft stehen die Themenfelder Gesundheitsverständnis und Dienstleistungsorientierung auf der Agenda. Die Lernfelder Kommunikation und Ethik runden das zahnmedizinisch fundierte Know-How ab. Der Studiengang ist das Tor zur Zukunft der präventiven Zahnmedizin!

3. Welche Aufgaben ergeben sich für einen Dentalhygieniker im Praxisalltag?
Sarah Kohl: Das Arbeitsfeld umfasst die Kariesprävention, die Mitarbeit in der systematischen Parodontitistherapie und der sich anschließenden Erhaltungstherapie. Auch Implantate brauchen Pflege. Wir erstellen einen individuellen Behandlungsplan in Absprache mit dem Patienten. Dieser Plan ist eingebettet in das Praxiskonzept. Wir beraten unsere anspruchsvollen Patienten ganzheitlich und systematisch in der Übernahme einer guten Mundhygiene und/oder Ernährung. Wir ergänzen als Spezialisten den Zahnarzt/die Zahnärztin in dem immer wichtiger werdenden Zweig der Gesundheitsbranche nämlich der Prävention und Prophylaxe.

4. Die Kammer bietet ebenso die Option einer DH-Fortbildung an. Was überzeugt Sie an dem Konzept des Studiums (an der SRH Hochschule für Gesundheit)?
Dr. Christian Klein: Wir Zahnärzte können uns auf andere Aufgaben konzentrieren und wesentliche Bereiche wie die Vorsorge und Therapie bei parodontal erkrankten Patienten vertrauensvoll in die Hände der Dentalhygienikerin übergeben. So können wir zeitliche Ressourcen viel besser nutzen. Die SRH Hochschule für Gesundheit bietet ein enorm breites Spektrum an Inhalten in ihrem Programm. Sie bringt frischen Wind in die enorm wichtige Entwicklung der Gesundheitsbranche. Sie entwickelt für uns echte Sparringspartner für den Markt der Zukunft.

5. Das Berufsbild des Dental Hygienist ist sehr vielfältig. Welche Vorteile ergeben sich für das Gesundheitssystem bei steigenden Ausbildungszahlen und Einstellungen von Dentalhygienikern?
Dr. Christian Klein: Zunächst möchte ich die Leser auf einen Ausflug in die Begriffsdefinition Prophylaxe oder Professionelle Zahnreinigung und Dentalhygiene einladen. Diese sind bislang eher unscharf definiert und es wird zum jetzigen Zeitpunkt unter diesen Begriffen immer noch ein breites Angebot an Leistungen über einen Kamm geschoren. Die Behandlungen werden auf sehr unterschiedlichem Qualifikationsniveau und mit ebenso unterschiedlichem Zeit- und instrumentellem Aufwand betrieben. Die Spannbreite reicht von einfachem Entfernen der Zahnbeläge bis zu einem wissenschaftlich fundiertem präventiven Konzept. Daraus resultieren in den einzelnen Praxen erhebliche Qualitätsunterschiede. Zu den eindeutigen Vorteilen zur Einstellung von DHs: das bislang noch weitgehend unbekannte Berufsbild der Dentalhygienikerin ist überaus vielfältig, zukunftsweisend und ich plädiere leidenschaftlich dafür, es immer mehr in den Fokus des Gesundheitsbewusstseins zu rücken. Mit der Ausbildung heben wir die präventiven Maßnahmen in der Zahnmedizin auf ein völlig neues Niveau. Dental HygienikerInnen werden vor dem Hintergrund der steigenden Erkrankungsrate von Parodontitis, Periimplantitis und anderen oralen Krankheiten auf dem Arbeitsmarkt dringend benötigt. Wir werden im internationalen Vergleich durch die Einführung des Studienganges wieder wettbewerbsfähig.

6. Den „Empfehlungen zu hochschulischen Qualifikationen für das Gesundheitswesen“ des Wissenschaftsrates aus 2012 zufolge ist die Akademisierung des Dental Hygienist (B. Sc.) ein weiterer wichtiger Baustein im Gesundheitssystem von heute und morgen. Welche Herausforderungen und Chancen ergeben sich aus dieser Tatsache?
Romy Klein: Blicken wir auf die demographische Entwicklung, wird es ganz klar: wir hatten in den letzten Jahren eine eindeutige Verschiebung des Zahnverlustes in ein höheres Alter. Darauf können wir stolz sein, denn der Grund dafür sind sicher gute zahnmedizinische Präventionsmaßnahmen und ein steigendes Gesundheitsbewusstsein. Der Markt für Dentalhygiene wächst schneller als der für die Zahnmediziner. Ein bedeutende Zielgruppe sind auf der einen Seite die Kinder und Jugendlichen. Hier können wir durch eine erfolgreiche Dentalhygiene in der Kariesprävention, bestehende Risikogruppen mit einer deutlich erhöhten Kariesprävalenz effektiv erreichen. Eine größere Herausforderung an eine präventiv orientierte Zahnheilkunde werden aufgrund des bereits erwähnten demographischen Wandels die Senioren sein. Der Patientenkreis wird zukünftig einen erheblichen Teil des zahnmedizinischen Geschehens bestimmen. Dazu braucht es qualifizierte, personelle Ressourcen!

7. Die SRH Hochschule für Gesundheit bietet in Leverkusen ab dem Wintersemester 2019/2020 den Bachelorstudiengang Dental Hygienist an – wie blicken Sie auf die Etablierung dieses Studiengangs?
Romy Klein: Wir blicken mit Vorfreude, Hoffnung und Ungeduld auf den Bachelorstudiengang Dental Hygienist! Die Argumente liegen klar auf der Hand: Die Gesundheitsbranche benötigt dringend qualifizierte Spezialisten und die Zahnmedizin im Besonderen braucht DentalhygienikerInnen, um auf einem hohen Niveau weiter bestehen zu können. Wenn wir nicht aus den umliegenden europäischen Ländern rekrutieren wollen und State-of-the-Art bleiben wollen, müssen wir akademisch ausbilden! Ich bin zuversichtlich, dass die SRH Hochschule für Gesundheit in Leverkusen mit dem Studiengang Dentalhygiene einen fulminanten Start hinlegen wird!

Vielen Dank für diese Einblicke und Ihre Zeit!

Über unsere Interviewpartner:

Dr. Christian Klein, Jahrgang 1964, studierte Zahnmedizin an der Università di Pavia, Italien, in Mainz und in Göttingen. Seine Kernkompetenzen sind Implantologie,
Funktionstherapie, Prothetik, Parodontologie und Ästhetische Zahnheilkunde auf höchstem Niveau. Systematische Therapiekonzepte sind ein wesentlicher Bestandteil
seiner Beratung. Sein Geheimnis: Zahnmedizin anders denken… Er schult stetig seinen Blick für Ästhetik mit der Fotografie als Inspirationsquelle. Sein Motor ist ein Faible für präzise Handwerkskunst und immer mit Hilfe moderner Technologie.

Romy Klein ist Impulsgeberin und Entwicklerin der Marke Klein Sälzer Zahnärzte. Sie kümmert sich neben der kreativen Strategieentwicklung vor allem um die Weiterbildung des Teams sowie um Personalauswahl und -entwicklung. Sie arbeitete ursprünglich im Marketing eines großen internationalen Kosmetikkonzerns und lässt ihre reiche Erfahrung nun querdenkend in den Markt der Zahnmedizin fließen.

Sarah Kohl bereichert das Team seit 2012 und legt eine steile Karriere hin. Sie startete in der Assistenz und es wurde schnell klar, dass Sarah ein intuitiv gutes Gespür im Umgang mit unseren anspruchsvollen Patienten mitbringt. So stieg sie hoch motiviert in den ersten Studiengang Dentalhygiene in Köln ein und absolvierte ihn mit Bravour. Ihre Bachelorarbeit zum Thema Seniorenzahnheilkunde haben wir aktiv mit der Praxis begleitet. Sarah flog bereits zweimal ehrenamtlich als Dentalhygienikerin nach Nairobi wo wir als Praxis ein humanitäres Hilfsprojekt der Lufthansa Cargo Human Care unterstützen.

Recall Magazin