Doch wie gelangen wir nun zu der notwendigen Feinmotorik, die ausschlaggebend für die erfolgreiche Anwendung der Zahnbürste ist? Und wie können wir unsere Patienten unterstützen, wenn die Voraussetzungen für das notwendige feinmotorische Geschick fehlen?
Neben Menschen, die aufgrund gesundheitlicher Einschränkungen motorische Veränderungen erfahren (zum Beispiel durch Krankheiten oder Unfälle), sind es vor allem die Kinder und die Senioren ab dem 70. Lebensjahr, die die fießenden Bewegungen ihrer Hände und Finger unterschiedlich gut beherrschen.
Bis zum dritten Lebensjahr sind die grobmotorischen Fähigkeiten weitestgehend entwickelt und es beginnt das Erlernen der feinmo- torischen Fähigkeiten. Nach dem fünften Lebensjahr geht es darum, diverse Fähigkeiten zu präzisieren und sich bewusste Fähigkeiten an- zueignen. Dabei gibt es jedoch kein einheitliches Entwicklungstempo. Jeder Sprössling braucht dafür unterschiedlich viel Zeit. Mit Beginn der Schulzeit sind diese ausgebildeten Fertigkeiten dann beispielsweise wichtig fürs Schreiben. Es ist deshalb relevant, nicht nur wegen der erhöhten Kariesanfälligkeit im Wechselgebiss, auch die feinmotorischen Fähigkeiten zu beurteilen und mittels API (Approximalraum-Plaque- Index) unzureichend geputzte Zähne zu ermitteln. Die motorischen Fertigkeiten im Umgang mit der Zahnbürste sollen dann Stück für Stück trainiert werden, so dass die Bewegungen im Idealfall in eine automatisierte Handlung übergehen (Flow) und der API einen stabilen guten Wert zeigt. Dabei sollte auf die unterschiedlichen Fähigkeiten der kleinen Patienten eingegangen und Kontrolltermine spätestens aller sechs Wochen durchführt werden. Denn wird die Zahnpfege gut gelernt und regelmäßig durchgeführt, werden unsere Jüngsten lange Freude an gesunden Zähnen haben.
Mit zunehmendem Alter treten schließlich Veränderungen auf, welche vor allem die Sensorik, die kognitive Leistungsfähigkeit und die Motorik beeinfussen. Wenn die Feinmotorik nicht mehr funktioniert, geschieht dies oft schleichend und wird von den Betroffenen selbst zunächst nicht wahrgenommen. Durch Anpassungsprozesse, sogenannte Kompensationsstrategien, können etwaige körperliche Defizite (in unterschiedlichem Umfang) ausgeglichen werden. Ältere gesunde Menschen können gut gelernte und häufig ausgeführte sowie stark automatisierte Handlungen, ähnlich wie jüngere Menschen, ausführen. Probleme bereiten ihnen allerdings komplexe Anforderungen sowie solche, die ein neues oder verändertes Handeln erfordern. Des Weiteren nimmt die Kapazität von Lang- und Kurzzeitgedächtnis sowie die Sehleistung mit dem Alter ab. All das muss beachtet werden, wenn die Putztechnik verfeinert oder neue Hilfsmittel, vor allem für die Pflege von herausnehmbarem Zahnersatz, empfohlen werden sollen. Auch hier ist es ratsam, den API im Auge zu behalten, um frühzeitig eine nachlassende Mundhygiene zu erkennen und regelmäßig das Prophylaxeprogramm an die altersbedingten Veränderungen anzupassen.
Auch ein verminderter Speichelfluss im Alter – vielleicht noch verschlimmert durch eine notwendige Medikamenteneinnahme – fördert die Plaquebildung. Sollte der ältere Patient schließlich nicht mehr dazu in der Lage sein, eine ausreichende häusliche Zahnpflege durchzuführen, sollten Angehörige und Pflegekräfte mit einbezogen werden. Die Erarbeitung einer Pflegeanleitung kann auch als Ergänzung zum Pflegeplan unter diesen Bedingungen sehr hilfreich sein (BEMA 174a).
Fazit
Für die Zahnpflege zu Hause ist das Beherrschen von fließenden Bewegungen der Hände und der Finger Voraussetzung. Dafür ist die Feinmotorik, also die Fähigkeit zu kleinräumigen, gezielten und besonders abgestimmten Bewegungen, wichtig. Um unsere Patienten optimal zu unterstützen ist es unsere Aufgabe, ein auf die individuellen Fähigkeiten angepasstes Prophylaxeprogramm anzubieten.
Neben unserer fachlichen Kompetenz dürfen die wichtigsten Elemente für eine erfolgreiche Individualprophylaxe nicht fehlen: Enthusiasmus, Spaß und Erfolgserlebnisse. Vollkommen unabhängig von der Begabung – und auch vollkommen unabhängig vom Alter – gibt es keine Grenzen und kein Ende für die individuelle Begleitung bei der zahnärztlichen Prophylaxe, denn ausschlaggebend ist das aktive Tun. Ich wünsche Ihnen und ihren Patienten dabei viel Erfolg!