Professionelle Prophylaxemaßnahmen beim Implantatpatient

adragan - stock.adobe.com
Vesna Braun

Periimplantitis ist eine wachsende Herausforderung in der modernen Implantologie. Warum nimmt die Zahl der Fälle stetig zu, und wie können präventive Maßnahmen helfen, Implantate langfristig gesund zu erhalten? In diesem Artikel erfahrt ihr, welche Rolle professionelle Prophylaxe, gezielte Mundhygiene und eine strukturierte Nachsorge spielen – von der präoperativen Phase bis zur langfristigen Erhaltung. Jetzt mehr erfahren und die besten Strategien zur Vermeidung von Implantatkomplikationen entdecken!

Warum nimmt die Zahl der Periimplantitisfälle zu?

Manchmal fragt man sich schon, warum es immer mehr Produkt- und Therapieangebote für Periimplantitisfälle gibt. Die Nachfrage nach Lösungen steigt, und immer mehr Kurse zum Thema werden angeboten. Vielleicht liegt es daran, dass die Zahl der in Deutschland gesetzten Implantate auf weit über 1 Million angestiegen ist? Vielleicht liegt es aber auch an der alternden Gesellschaft, an Allgemeinerkrankungen und Wechselwirkungen?

Fragt man Patienten, welche Anforderungen sie an ein Implantat stellen, kommt neben Ästhetik und Funktion sehr schnell die Antwort: “Es muss ein Leben lang halten.” Verständlich, bei dem Aufwand und dem Preis.

Prävention statt spätere Therapie

Bevor man nach Lösungen für pathologische periimplantäre Verhältnisse sucht, wäre es viel sinnvoller, sich Gedanken darüber zu machen, wie eine parodontale Gesundheit vor, während und nach einer Implantation erreicht werden kann. Ein professionelles Implantat-/Präventionskonzept, das die Prognose von Anfang an verbessert, darf nicht zusätzlich zur Implantatberatung angeboten werden, sondern muss ein fester Bestandteil davon sein. Bei einer gefühlten Wahl zwischen “mit” oder “ohne” besteht die Gefahr, dass die Relevanz vom Patienten unterschätzt wird. Grund genug, das umfassende Implantatangebot (im Kostenvoranschlag) inklusive Präventionskonzept anzubieten.

Professionelle Prophylaxemaßnahmen unterstützen und begleiten die Arbeit des Implantologen vor, während und nach der Implantatinsertion.

Präoperative Phase oder Initialphase

In dieser Phase wird entschieden, ob der Patient direkt oder über therapeutische Umwege für die chirurgische Phase “freigegeben” werden kann. Allgemeingesundheit, Medikation und umfassende klinische Indices geben wichtige Hinweise auf mögliche Risiken und temporäre Kontraindikationen. Nur ein Patient mit verantwortungsbewusster Mundhygiene und parodontal gesundem Gebiss sollte mit Implantaten versorgt werden.

Neben Röntgenbefunden sind Blutungs-, Plaque- und Parodontalindices sowie ein umfassender Parodontalstatus (ggf. Sechs-Punkt-Messung) zu empfehlen. Da paropathogene Keime einen starken Einfluss auf den Implantaterfolg haben, können auch mikrobiologische Befunde erhoben werden, um eine individuelle Therapie einleiten zu können.

Wie heißt es so schön: Auf das Fundament kommt es an! Besser von Anfang an optimale Bedingungen schaffen, als sich später Gedanken über Mukositis und Periimplantitis zu machen. Daraus kann sich eine erforderliche PA-Behandlungsempfehlung ableiten lassen, sodass erst nach BEVa bzw. BEVb mit der chirurgischen Phase begonnen werden kann.

Auf Basis der Befunderhebung wird die Strategie für den weiteren Behandlungsverlauf festgelegt. Mundhygieneinstruktion, Motivation, professionelle Zahnreinigung und die abgestimmte Therapie werden durchgeführt. Oft bedarf es einer zweiten Sitzung, um den Verlauf zu überprüfen, zu besprechen und zu optimieren (Remotivation / Instruktion).

Zielsetzung in der Initialphase:

  • “Plaquefreiheit”
  • Blutungsfreie, gesunde parodontale Verhältnisse
  • Optimierung der Mundhygienegewohnheiten
  • Stärkung der Eigenverantwortlichkeit

Die chirurgische Phase

In Abhängigkeit vom eingesetzten Implantatsystem, dem Zeitpunkt der letzten professionellen Prophylaxe und den in der Praxis zur Verfügung stehenden Ressourcen sind unmittelbar vor dem chirurgischen Eingriff keimreduzierende Maßnahmen zu empfehlen: Restzahnreinigung, Zungenreinigung, evtl. FMD mit der Empfehlung, auch das Operationsgebiet bei der Mundhygiene nicht auszulassen (Surgical Bürste, antibakterielle Zahnpasta/Spülung).

Falls eine Einheilphase geplant ist, empfiehlt sich eine weitere PZR-Sitzung für die Restbezahnung während oder spätestens nach der Freilegung der Implantate und der Versorgung mit Gingivaformern oder Einheilkappen. In dieser Sitzung erfährt und übt der Patient, mit welchen Hilfsmitteln (z. B. Monobürste) er die neue Situation plaquefrei halten kann. Spätestens nach Eingliederung der Suprakonstruktion erhält der Patient erneute Instruktionen zur veränderten Mund- und Pflegesituation.

Wichtig ist nicht nur die Vorstellung der Hilfsmittel, sondern auch das gemeinsame praktische Übung im Mund. Gelingt dies mit unserer Hilfe und unter unserer Aufsicht, kann davon ausgegangen werden, dass es auch zu Hause funktioniert. Ein kleines Pflegeset, das im Anschluss gleich mitgegeben werden kann (keine Muster, sondern Originalverpackung), erhöht die Motivation, wertet insgesamt die hochwertige Implantatversorgung auf und bietet einen zusätzlichen Praxisservice.

Erhaltungsphase

Ziel der Erhaltungsphase ist der Erhalt des Implantates und die Förderung der Osseointegration, d. h. die Vermeidung von periimplantären Infektionen. Der langfristige Implantaterhalt mit gesundem periimplantärem Gewebe sichert die Patientenzufriedenheit und -bindung und die daraus resultierende Weiterempfehlung.

Krankheitsbilder wie Mukositis und Periimplantitis treten nicht von heute auf morgen auf, sondern schleichend und für den Patienten kaum wahrnehmbar. Unser festgelegtes Ziel kann also nur erreicht werden, wenn unser Fokus auf die frühzeitige Erkennung von periimplantären Veränderungen gerichtet ist. Im ersten Jahr engmaschiger, etwa alle 3 – 4 Monate. Ein Jahr postoperativ können die Recall-Abstände – entsprechend der individuellen Verhältnisse – verlängert werden.

Individuelle Risikoeinstufung für das Recall richtet sich nach:

  • Allgemeinerkrankungen und Medikamenteneinnahmen
  • Befunderhebung klinisch & röntgenologisch
  • Plaqueindex
  • Blutungsindex
  • Sondierungstiefen
  • Attachmentniveau

Periimplantäre Infektionen

MukositisPeriimplantitis
klinische Zeichen einer Entzündungklinische Zeichen einer Entzündung
Bluten auf SondierungBluten auf Sondierung
 erhöhte Sondierungstiefen,
 evtl. Pusaustritt
Keein KnochenabbauKnochenabbau
reversibelirreversibel

Erst wenn die oben genannten Informationen vorliegen, erst wenn das individuelle Risiko feststeht, kann eine Remotivation und Reinstruktion stattfinden und anschließend eine bedarfsbezogene Implantat-/Konstruktionsreinigung inkl. therapeutischer Maßnahmen. Alles andere käme einem Gießkannenprinzip gleich und hätte mit Individualprophylaxe nichts zu tun.

Manche Informationen müssen bei jeder Sitzung erhoben werden, andere jährlich oder mit größerem Abstand. Wichtig ist die kontinuierliche Überwachung und Dokumentation, um eine Verlaufskontrolle und Früherkennung pathologischer Veränderungen zu ermöglichen (siehe Tabelle unten).

Nachdem Verlauf und Bedarf erkannt sind, können Reinformation und Remotivation passgenau und individuell stattfinden. Ein nicht zu unterschätzender Moment, denn wenn der Patient hier gezielt (anhand der Befunde) „mitgenommen“ wird, haben wir eine Chance, bei der nächsten Sitzung eine Befundverbesserung zu erreichen.

Regelmäßige Überwachung und Dokumentation

BefundWannWas
Klinisches Bildin jeder SitzungForm, Farbe und Konsistenz des periimplantären Gewebes
Blutungsindexin jeder ProphylaxesitzungBewertung des kompletten Implantates
Plaqueindexin jeder ProphylaxesitzungBewertung von weichem/mineralisiertem Belag, auch auf der Suprakonstruktion
Passform Suprakonstruktionin jeder Prophylaxesitzung 
Attachementniveau1 x jährlich 
Sondierungstiefen1 x jährlichImplantat-Parodontalsonden
Röntgenaufnahmen1 Jahr post OP, danach alle 2-3 JahreWenn möglich standardisierte Verfahren wählen

Tipps für die Beratung

Die Reinigung von Implantaten und einer möglicherweise vorhandenen herausnehmbaren Suprakonstruktion ist so schonend wie möglich und gleichzeitig so gründlich wie nötig durchzuführen. Je nach Bedarf: supra- und/oder subgingival.

Dafür stehen uns Ultraschall- und Schallgeräte mit speziellen Implantataufsätzen aus Kunststoff oder Karbon oder Handinstrumente aus Kunststoff oder besser Titan zur Verfügung. Bei der Politur verhält es sich ähnlich, nur so viel wie wirklich nötig ist. So reicht meist ein niedertouriges Handwinkelstück mit Softbürstenansätzen und antibakteriellen Gelen aus. Je nach Konstruktion (Brückenglied, Steg, Geschiebe…) können aber auch Floss, Interdentalbürstchen etc. mit CHX-Gel zum Einsatz kommen.

Selbstverständlich ist auch eine Politur mittels Luft-Pulver-Wasserstrahlgerät und Perio-Pulver erlaubt. Die Auswahl und Durchführung sind immer von der Qualifikation und Erfahrung des Behandlers oder der Behandlerin abhängig und dem richtigen Einsatz (Arbeitseinsatz, -winkel, -druck, aber auch Wartung/Funktion des Instrumentes/Gerätes).

Danach erfolgt die Zungenreinigung und die individuelle und unterstützende Therapie, je nach Bedarf und Indikation. Festgelegte Fahrpläne haben viele Vorteile, vor allem aber erleichtern sie die Umsetzung für das Personal, minimieren Behandlungsfehler und unterstützen damit die Qualitätssicherung:

“Fahrplan” für die systematische Implantat-Prophylaxe-Sitzung:

  • Verschiedene Befunde erheben, dokumentieren und mit den letzten abgleichen
  • Beratung / Information / Motivation
  • Reinigung und Politur der Implantate
  • Falls vorhanden: Reinigung und Politur der natürlichen Zähne
  • Falls vorhanden: Reinigung und Politur der herausnehmbaren Suprakonstruktion
  • Instruktion / praktische Übungen
  • Zungenreinigung
  • Individuelle Therapie
  • Bestimmung und Vergabe vom Recall-Termin

recall® Das Praxisteam-Magazin immer mit dabei

Mit unserem E-Paper haben Sie die Möglichkeit alle Ausgaben kostenfrei mobil auf Ihrem Smartphone, Tablet oder Laptop zu lesen.

Recall Magazin