Was die Parodontitistherapie so kompliziert macht, ist, dass eine Reihe verschiedener Faktoren zur Entwicklung der Erkrankung beitragen. Eine der Hauptursachen stellen bestimmte Bakterien dar, die die Parodontitis auslösen. Gleichzeitig hat aber auch die genetische Veranlagung des jeweiligen Patienten einen erheblichen Einfluss auf die Progression der Erkrankung. Liegen bei einem Patienten bestimmte Genvarianten vor, schreitet die Parodontitis besonders schnell und aggressiv voran, da sein Immunsystem stärker auf die vorhandenen Bakterien reagiert. Außerdem wirken sich noch weitere äußere Faktoren wie zum Beispiel Rauchen, eine schlechte Mundhygiene oder Diabetes mellitus nachteilig auf die Erkrankung aus.12, 14, 17, 18, 22 Schauen wir uns die wichtigsten Themen ein mal genauer an.
Parodontitisbakterien
Im Mund können bis zu 700 verschiedene Bakterienarten vorkommen. Viele davon sind nützlich und tragen ihren Teil zur Mundgesundheit bei, einige sind aber auch schädlich, wie zum Beispiel die Parodontitisbakterien. Solange sich die Bakteriengemeinschaft im Gleichgewicht befindet, ist alles in Ordnung. Führen aber bestimmte Umstände dazu, dass sich diese Balance zugunsten der schädlichen Keime verschiebt, beginnen diese sich zu vermehren. Dabei drängen sie die nützlichen Bakterien zu rück und lösen eine Entzündung aus.4, 5, 7, 15, 16
Wie aber kommt es zu so einer Verschiebung des Gleichgewichts? Viele der Parodontitisbakterien sind empfindlich gegenüber Sauerstoff und besiedeln daher gerne Stellen im Mund, an denen die Sauerstoffkonzentration nicht so hoch ist, zum Beispiel den Spalt zwischen Zähnen und Zahnfleisch. Ohne regelmäßige Mundhygiene vermehren sich diese Bakterien und organisieren sich in einem Biofilm, sodass Plaque entsteht (Abb.1).
Dort scheiden sie verschiedene Stoffwechselprodukte aus, die ihnen in der Zahnfleischtasche von Nutzen sind. Diese können ihnen zum Beispiel Vorteile im Konkurrenzkampf um rare Nährstoffe wie Eisen verschaffen oder es sind sogenannte Virulenzfaktoren, welche den Produzenten unter anderem die Fähigkeit verleihen an Zellen anzuhaften, in Zellen einzudringen oder diese zu zerstören. Zusammen mit der Reaktion des Immunsystems auf die vorhandenen Keime führt dies dazu, dass sich der Spalt zwischen Zahn und Zahnfleisch vertieft und sich Zahnfleischtaschen bilden. Hier bieten sich ideale Lebensbedingungen für die Parodontitisbakterien, da zum Beispiel in tiefen Taschen noch weniger Sauerstoff vorhanden ist. So können sich die Keime noch besser vermehren und vertiefen die Zahnfleischtaschen zunehmend: ein klassischer Teufelskreis. Erschwerend kommt hinzu, dass die reguläre Mundhygiene die Bakterien innerhalb der Zahnfleischtasche nicht mehr erreicht und somit die Plaquebildung dort vom Patienten alleine nicht unterbunden werden kann. Doch während sich die Parodontitisbakterien so einen optimalen Lebensraum erschaffen, hat das für den Zahnhalteapparat ernste Folgen. Denn wird dieser Prozess nicht aufgehalten, führt das langfristig zur Zerstörung des Weichgewebes und Abbau des Kieferknochens.1, 2, 7, 15, 16
“Wichtig zu wissen: Ab einem gewissen Stadium kann der von den Bakterien verursachte Schaden nicht wieder rückgängig gemacht werden. Handelt man nicht rechtzeitig, können letztendlich Zähne verloren gehen. Aus diesem Grund ist eine frühzeitige Therapie besonders wichtig.”
Bei den Parodontitisbakterien handelt es sich um eine Gruppe sehr unterschiedlicher Spezies und auch die jeweilige Bakterienkonstellation kann sich von Patient zu Patient unterscheiden.10, 11, 23 Das macht es schwierig, immer die passende Therapie zu wählen. So ist bei manchen Konstellationen eine mechanische Parodontitistherapie ausreichend, da diese Bakterien damit in der Regel gut in den Griff zu kriegen sind. Andere Bakterien hingegen sind aggressiver und können zudem auch noch in das Zahnfleisch eindringen. Damit können sie nur schwer allein durch eine mechanische Behandlung eliminiert werden. In solchen Fällen ist zusätzlich ein Antibiotikum indiziert.8, 19, 24, 25
Dabei ist es allerdings nicht sinnvoll, einfach breit wirkende Antibiotika Kombinationen wie den Winkelhoff-Cocktail zu verschreiben. Denn mikrobiologisch betrachtet ist in circa 70 Prozent der Fälle die alleinige Gabe von Metronidazol ausreichend. Nur wenn zum Beispiel auch der Leitkeim Aggregatibacter actinomycetemcomitans vorliegt, muss zusätzlich noch Amoxicillin gegeben werden.3, 6, 20, 24, 25
Um diese Fälle sicher erkennen zu können, hilft die molekulardiagnostische Analyse des Keimspektrums. Beispielsweise weist die Analyse mit microIDent® beziehungsweise microIDent®plus die fünf beziehungsweise elf häufigsten parodontopathogenen Bakterien zuverlässig nach. Der Test zeigt dabei nicht nur, welche der pathogenen Bakterien bei dem jeweiligen Patienten individuell vorhanden sind, sondern auch in welcher Konzentration (Abb. 2). Daraus lässt sich dann konkret ableiten, ob ein Antibiotikum verabreicht werden sollte und wenn ja, welches. Auf diese Weise verhindert man eine Übertherapie des Patienten und vermeidet unnötige Nebenwirkungen. Gleichzeitig berichten Praxen, dass sie viel mehr Parodontitispatienten erfolgreich therapieren, seit sie mikrobiologische Diagnostik in ihrem Therapiekonzept etabliert haben.9
“Praxistipp: Das Testergebnis veranschaulicht dem Patienten sehr deutlich,die Situation in seinem Mund aussieht. Anschließend ist er häufig motivierter, seine Mundhygiene zu verbessern. Denn werschon so viele schädliche Bakterien in seinem Mund haben? Da eine Analyse somit die Patientencompliance erhöht, ist sie eigentlich immer hilfreich, selbst wenn keine Antibiotikagabe notwendig ist.”
Genetische Veranlagung des Patienten
Die Bakterien sind die Hauptursache der Parodontitis, aber auch die Reaktion des Immunsystems auf die Eindringlinge führt zu Gewebeschädigungen und langfristig zu Knochenabbau.2,7, 13 Wie schnell und wie stark das Immunsystem auf die Infektion reagiert, hängt unter anderem von drei Aspekten ab:
1. von der Art der Bakterien:
Die verschiedenen Bakterienarten bringen ganz individuelle Eigen schaften mit sich und können das Immunsystem unterschiedlich stark provozieren.
2. von der Menge der Bakterien:
Dem Immunsystem fällt es umso schwerer die Situation in den Griff zu bekommen, je mehr Parodontitisbakterien vorhanden sind.
3. von der genetischen Veranlagung des Patienten:
Das Immunsystem mancher Patienten reagiert überdurchschnittlich stark auf die bakterielle Infektion. Das ist genetisch festgelegt und erklärt, warum manche Patienten, trotz geringer Anzahl von Parodontitisbakterien, an einer schweren Parodontitis leiden.
Bei Patienten mit einer erblich bedingten Veranlagung zu einer starken Immunreaktion auf vorhandene parodontopathogene Keime sollte man schon zu einem früheren Behandlungszeitpunkt versuchen, diese Bakterien zu eliminieren. Während einige Patienten selbst bei einer hohen Bakterienkonzentration nur eine moderate Entzündung aufweisen, wird eine hohe Keimbelastung für Patienten mit einer genetisch bedingt starken Immunreaktion besonders problematisch.13, 14, 17, 21
Auch hier können molekulardiagnostische Analysen, zum Beispiel Geno Type IL1 von Hain Lifescience, die genetische Prädisposition aufklären. Aus diesen Ergebnissen lassen sich auch Rückschlüsse auf geeignete Recallintervalle ziehen. Denn Patienten mit dieser Veranlagung sollten engmaschiger kontrolliert werden als Patienten ohne diese genetische Besonderheit. Zudem ist es in solchen Fällen sinnvoll, die Parodontitistherapie schon in einem früheren Stadium zu beginnen, um ein rasches Voranschreiten zu verhindern. Gleichzeitig sind auch diese Analyseergebnisse dazu geeignet, die Patientencompliance positiv zu beeinflussen.
Denn damit wird es leichter dem Patienten zu vermitteln, dass er auf grund seiner genetischen Situation, ganz besonders gründliche Mundhygiene betreiben muss (Abb. 3). Zudem kann die genetische Veranlagung erklären, warum die Erfolge trotz hervorragender Mundhygiene manchmal nicht so durchschlagend sind, wie erhofft.
“Praxistipp: Die Ergebnisse aus den Analysen können auch langfristig in der UPT hilfreich sein. Vor allem, wenn die Compliance des Patienten mit der Zeit wieder etwas nachlässt, kann man das Ergebnis erneut hervorholen und als Gesprächsgrundlage verwenden. Das Analyseergebnis macht dieses fiktive Thema greifbarer und ist damit eine gute Motivationshilfe.”
Zusammenfassung
Molekulare Diagnostik hilft nicht nur dem Zahnarzt bei der Parodontitistherapie, sondern auch der zahnmedizinischen Fachangestellten oder Dentalhygienikerin bei der regelmäßigen Zahnreinigung und Remotivation des Patienten. Immerhin ist die kontinuierliche Kontrolle und Reinigung der Zähne entscheidend für eine erfolgreiche Parodontitistherapie.