Interdentalpflege: Oft Neuland für Patienten

Faculty of Odontology, Malmö University, TePe
Patrick Schröder

Um Karies und Parodontalerkrankungen zu vermeiden, ist eine regelmäßige Interdentalpflege unerlässlich. Dennoch werden die mesialen und distalen Bereiche meistens vernachlässigt. Denn oft fehlt Patienten das nötige Hintergrundwissen zu medizinischen Zusammenhängen von Allgemein und Mundgesundheit. Unter Zahnmedizinern ist bekannt: Ausgelassene Interdentalpflege bleibt nicht ohne Folgen – es können Karies oder Parodontalerkrankungen entstehen, die sich auch auf den ganzen Körper auswirken. Aus diesem Grund ist Interdentalpflege so wichtig. Als eines der wichtigsten Hilfsmittel gelten hierfür Interdentalbürsten. Doch worin liegt das begründet?

Unwissenheit als Problem

Zahnmediziner und zahnmedizinische Fachkräfte wissen, dass im Mund Plaque entsteht und sich fortwährend auf allen Zahn- und Restaurationsflächen ablagert, besonders in den Approximalräumen. Und gerade dort ist der mikrobielle Biofilm vor dem Selbstreinigungsmechanismen der Mundhöhle sowie oft auch der aktiven Mundhygiene geschützt. Die Folge: Es bilden sich Karies und Gingivitis, die weltweit noch immer zu den häufigsten chronischen Erkrankungen zählen.

Wichtig für Patienten zu wissen ist, dass Parodontitis einen negativen Effekt auf Entstehung und Verlauf von systemischen Erkrankungen haben kann. Über entzündete Taschen können Parodontalkeime und entzündungsvermittelnde Proteine schon beim Kauen leicht in die Blutbahn (Bakteriämie) gelangen und durch Aspiration auch in die Atmungsorgane. Die Folge: verstärkte entzündliche Immunreaktionen. Sogar Herz-Kreislauf-Erkrankungen durch Gefäßveränderungen (Endokarditis) und chronische Lungenerkrankungen (COPD) können schwerwiegende Folgeerscheinungen sein. Begünstigt werden diese Effekte durch Risikofaktoren, wie zum Beispiel Rauchen oder eine falsche Ernährung. Einem Diabetiker erschweren unbehandelte, schwere PA-Verläufe die Blutzuckereinstellung – sein Diabetes kann sich verschlimmern. Aus diesen Gründen ist es besonders wichtig, Patienten mit Parodontalerkrankungen über die Zusammenhänge verständlich zu informieren.

Ungenügende Reinigung

Auslöser für diese Volkskrankheiten sind meist ungenügende Putzergebnisse. Es ist erwiesen, dass Zahnbürsten nur etwa die Hälfte der Zahnoberfläche säubern und eine Reinigung der Approximalräume fast gar nicht stattfindet. Es werden zusätzliche Hilfsmittel benötigt. Geeignet sind Interdentalbürsten (IDB), Dental Picks und Zahnseide, die sich in ihren Anwendungsbereichen ergänzen. Interdentalbürsten gelten dabei als das wirksamste Hilfsmittel für eine gründliche Reinigung der Zahnzwischenräume. Denn im Vergleich mit anderen Hilfsmitteln zur Interdentalreinigung sind nur IDB – dank ihrer flexiblen Borsten – so gut in der Lage, die an den Approximalraum angrenzenden Unebenheiten und Konkavitäten des Zahns zu reinigen.

Was macht eine gute Interdentalbürste aus?

Die Auswahl an IDB ist sehr groß, ihre verschiedene (Größen-)Kennzeichnung kann verwirren und ist markenübergreifend oft nicht einheitlich. Auch im Produktdesign und im Anwendungskomfort können Unterschiede ausgemacht werden. Gute Produkte lassen sich leicht an bestimmten Merkmalen erkennen: ein umfangreiches Größensortiment (ISO 0-8), große Arbeitslänge (Verhältnis von Bürstenfeld- zu Drahtlänge), beschichteter Edelstahldraht, abgerundete Kanten und ergonomischer Griff. Sind die Farbkodierung und Bezeichnung innerhalb einer Marke einheitlich, erleichtert es dem Behandler und den Patienten die Anwendung zusätzlich.

Welche Interdentalbürste ist passend?

Zahnzwischenräume sind so individuell wie die Patienten selbst, darum kommt es vor allem auf die richtige Größenauswahl an. Ist die Interdentalbürste zu klein, reinigt sie nicht optimal. Zu große Bürsten hingegen können Schäden an Zähnen und Zahnfleisch verursachen. Eine passende Größe kann am leicht spürbaren Durchtrittswiderstand erkannt werden. Die Borsten müssen den gesamten Interdentalraum  ausfüllen und sollen dabei auch etwas unter den Zahnfleischrand reichen. Das gelingt mit großen Bürstendurchmessern bei dünnem, aber stabilem Drahtkern. Besonders bei implantologisch versorgten und parodontal erkrankten Patienten kommen oft mittlere bis größere IDB zum Einsatz. Viele Anwender benötigen zwei oder drei verschiedene Größen. Mehr sollten es im Idealfall allerdings nicht sein, um besonders Erstanwender nicht zu überfordern.

Anwendungstraining in der Praxis

Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Reinigung mit IDB ist eine gründliche Einweisung und aktives Üben. Bei der Handhabung ist darauf zu achten, dass die Bürste etwas von koronal kommend vorsichtig zwischen Papillenspitze und angrenzenden Zähnen in den Interdentalraum eingeführt wird. Dann wird sie einige Male horizontal vor und zurück bewegt beziehungsweise leicht nach mesial und distal ausgelenkt. Häufig sind hinterher an den Borsten Plaque oder Sekret erkennbar, ein Beleg für die Reinigungswirkung. Beim Üben stellt sich heraus, ob IDB mit kurzem oder langem Griff für die Patienten geeigneter sind – dabei stehen deren Geschicklichkeit und Vorlieben im Vordergrund. Soft-Varianten können bei bestimmten Indikationen, wie zum Beispiel Mundtrockenheit oder besondere Empfindlichkeit, eine gute Wahl sein. Wichtig ist: eine forcierte Anwendung ist meistens kontraindiziert. Anzeichen dafür können das Verbiegen der Interdentalbürste oder die Traumatisierung der Gingiva sein. In solchen Fällen – bei besonders engen und gesunden interdentalen Verhältnissen – kann manchmal auch Zahnseide das bessere Hilfsmittel sein.

Was folgt nach dem Training?

Interdentalbürsten werden idealerweise einmal pro Tag angewendet – und zwar ohne Zahnpasta. Bewährt hat sich die abendliche Benutzung, am besten direkt vor dem Zähneputzen. Bei Anwendern, die erst am Beginn der Interdentalpflege stehen oder sie nur sporadisch betreiben, kann es zu Blutungen am Zahnfleisch kommen. Um negative Überraschungen für den Patienten zu vermeiden, ist es sinnvoll bereits im Vorfeld zu erklären, dass dies zumeist eine Reaktion des entzündeten Zahnfleischs ist, die nach einigen Tagen regelmäßiger Anwendung abklingt. Vermieden werden sollte, dass der Patient die IDB für die Ursache hält. Um Handhabung und Reinigungsergebnisse zu kontrollieren, empfiehlt sich ein zeitnaher Recall – eine gute Gelegenheit zur Remotivation und für nötige Korrekturen an der Technik. Zudem sollte erneut geprüft werden, ob die gewählten Größen noch passen. Nachlassende Schwellungen könnten dann unter Umständen größere IDB erfordern.


[1] Tonetti MS, Jepsen S, Jin L, Otomo-Corgel J. Impact of the global burden of periodontal diseases on health, nutrition and wellbeing of mankind: A call for global action. J Clin Periodontol. 2017;00:1–7

[2] Slot DE, The efficacy of manual toothbrushes following a brushing exercise: a systematic review. Int J Dent Hyg. 2012 Aug;10(3):187-97

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