Vertreterinnen und Vertreter der relevanten Fachgesellschaften und -organisationen haben die Empfehlungen gemeinsam entwickelt. Diesen Prozess hat das Netzwerk Gesund ins Leben koordiniert. Das Netzwerk ist im zur Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) gehörenden Bundeszentrum für Ernährung (BZfE) angesiedelt und eine Einrichtung im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL). Netzwerk-Leiterin Maria Flothkötter freut sich über das gemeinsame Ergebnis: „Das gibt Fachkräften und Eltern Sicherheit.“ Wo lange verschiedene Empfehlungen von Kinder- und Jugendärzt*innen sowie Zahnärzt*innen nebeneinanderstanden, gelten nun gemeinsame für Kinder im Alter von null bis sechs Jahren.
„Das ist ein Meilenstein für die frühkindliche Gesundheitsprävention und hilft allen sehr dabei, die Maßnahmen zur Kariesprävention im individuellen Alltag von Familien mit Babys und kleineren Kindern besser zu verankern. Kinder- und Jugendärzt*innen, Zahnärzt*innen, die Fachkräfte der Gruppenprophylaxe, Hebammen und alle, die junge Familien beraten, sprechen gleiche Empfehlungen aus und ihre Beratungen ergänzen sich“, so Flothkötter weiter. BLE-Präsident Dr. Hanns-Christoph Eiden fügt hinzu: „Ich bin stolz, dass es unserem Netzwerk Gesund ins Leben gelungen ist, alle Akteure an einen Tisch zu bringen und eine gemeinsame Empfehlung auszusprechen, mit der die verschiedenen Fachkräfte Hand in Hand arbeiten und nun auch mit einer Stimme sprechen.“
Vorteile von kariesfreien Milchzähnen
Die Karieshäufigkeit im Milchgebiss ist seit Mitte der 1990er Jahre bisher nur um etwa 35 Prozent zurückgegangen. Fast die Hälfte der Sechs- bis Siebenjährigen ist von Karies betroffen – besonders häufig Kinder aus sozioökonomisch benachteiligten Familien. „Kariöse Milchzähne können Schmerzen verursachen, beim Essen Schwierigkeiten machen und so die körperliche Entwicklung des Kindes verlangsamen. Insbesondere die Behandlung kleinerer Kinder kann mit Belastungen für die Familie verbunden sein“, erläutert Zahnarzt Prof. Dr. Ulrich Schiffner, Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Kinderzahnheilkunde (DGKiZ) und Mitautor der neuen Empfehlungen. Und: Bleiben die Milchzähne kariesfrei, ist auch das Kariesrisiko bei den bleibenden Zähnen geringer. Sein Kollege aus dem Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ), Dr. Burkhard Lawrenz, Kinder- und Jugendarzt, ergänzt: „Wenn Präventionsmaßnahmen schon im frühen Kleinkindalter zur Gewohnheit werden und im Alltag verankert sind, bleiben sie im späteren Kindes-, Jugend- und Erwachsenenalter als Routinen etabliert.“
Fluorid spielt eine Schlüsselrolle
Neben der Begrenzung des Verzehrs von Süßigkeiten und süßen Getränken und der regelmäßigen Zahnreinigung spielt die Fluoridanwendung eine wichtige Rolle in der Kariesprävention. Bereits ab der Geburt wird Fluorid empfohlen: zunächst als tägliche Tablette in Kombination mit Vitamin D, bei Bedarf aufgelöst in ein paar Tröpfchen Wasser. Ab Durchbruch des ersten Zahnes bis zum Ende des ersten Lebensjahres wird das Kind behutsam an das Zähneputzen herangeführt. Eltern haben für die Fluoridanwendung zwei Wahlmöglichkeiten, die sie individuell mit dem*der Kinder- und Jugendärzt*in bei einer Vorsorgeuntersuchung besprechen, etwa der U5 (mit ca. sechs Monaten) – und mit dem*der Zahnärzt*in bei der ersten zahnärztlichen Früherkennungsuntersuchung (ZFU, ab dem sechsten Lebensmonat möglich): Entweder geben sie weiter die Tablette mit Fluorid und Vitamin D und beginnen das erste Zähneputzen ohne Zahnpasta oder mit einer geringen Menge Zahnpasta ohne Fluorid. Alternativ nehmen sie ab dem Zahndurchbruch nur Vitamin D als Tablette und putzen die Zähne mit einer bis zu reiskorngroßen Menge Zahnpasta mit 1.000 ppm Fluorid (parts per million, ppm) bis zu zweimal täglich.
Je nach Alter genau dosiert: Reiskorn oder Erbse
Ab dem ersten Geburtstag gilt dann: Zweimal täglich putzen mit einer reiskorngroßen Menge Zahnpasta mit Fluorid. Es ist wichtig, dass die Eltern die Zahnpasta genau dosieren. Lawrenz: „Die empfohlene Zahnpastamenge darf nicht überschritten werden, um eine zu hohe Fluoridaufnahme zu vermeiden. Denn Säuglinge und Kleinkinder können Zahnpasta noch nicht ausspucken.“
Zahnpasten aus Tuben mit kleinerer Öffnung und solche mit neutraler Farbe und neutralem Geschmack sind zu bevorzugen. Sie sollten für alle Kinder zwischen null und sechs Jahren 1.000 ppm Fluorid enthalten. Zahnmediziner Schiffner: „Einen Wunsch an die Tuben-Hersteller hätten wir noch: genauere Dosierungsmöglichkeiten!“
Nach dem zweiten Geburtstag werden die Zähne zweimal täglich zu Hause mit einer erbsengroßen Menge Zahnpasta geputzt. Das Kind lernt das Putzen, die Eltern putzen die Kinderzähne sauber. Hinzu kann ergänzend ein drittes Zähneputzen in Kindergarten und Kitas kommen.
Eltern-Beratungen sind elementar
Elementarer Bestandteil der Gesundheitsprävention sei die Beratung und Aufklärung bei den kinder- und jugendärztlichen Vorsorgeuntersuchungen und die praktische Schulung der Eltern bei den zahnärztlichen Früherkennungsuntersuchungen, so Flothkötter. Darüber hinaus hätten Familien Anspruch auf zahnärztliche Früherkennungsuntersuchungen ab dem sechsten Lebensmonat ihres Kindes.
Behutsam Zähneputzen ohne Widerstand
Lawrenz: „Um Zahnpflege zur Gewohnheit zu machen, ist es wichtig, das Kind behutsam und spielerisch an die Zahnbürste und das Zähneputzen heranzuführen und zu gewöhnen. Dabei soll das natürliche Bedürfnis des Säuglings genutzt werden, Gegenstände mit dem Mund zu erkunden. Keinesfalls darf gegen den Widerstand des Kindes geputzt werden!“ Ein Lied, ein lustiger Reim oder eine Geschichte könnten dabei helfen.
Weitere Informationen
Die einheitlichen Handlungsempfehlungen zur Kariesprävention im Säuglings- und frühen Kindesalter gibt es kostenlos zum Bestellen oder Herunterladen unter: www.ble-medienservice.de (Bestell-Nr. 0250). Unter www.gesund-ins-leben.de/kariespraevention gibt es Fotos zur sicheren Dosierung, eine Informationsgrafik zu den Empfehlungen und Details zur Pressekonferenz und zum Fachgespräch.