Ganzheitlich, mutig, menschlich – Dr. Anne Heinz über moderne Kinderzahnheilkunde

Interview mit Dr. Anne Heinz
Heinz
Beata Luczkiewicz

Dr. Anne Heinz verbindet moderne Kinderzahnmedizin mit unternehmerischer Vision und ganzheitlicher Gesundheit. Ihre Praxis Dentiland steht für angstfreie Behandlung, Teamkultur auf Augenhöhe und mutige Veränderung.

Dr. Anne Heinz.

Kinderzahnheilkunde in einem Märchenland? Das klingt nach Feenstaub und Fantasie – und doch steckt hinter „Dentiland“ ein hochmodernes Praxiskonzept. Dr. Anne Heinz, Zahnärztin, Speakerin, Unternehmerin und Musikerin, hat mit ihrer Praxis nicht nur einen angstfreien Erlebnisraum für Kinder geschaffen, sondern auch ein wirtschaftlich gesund wachsendes Unternehmen mit einer klaren Vision: Gesundheit ganzheitlich denken, Mitarbeiterinnen auf Augenhöhe führen und den Beruf der ZFA wieder attraktiv machen.

Mit ihrem Buch Brush Hour – Warum Gesundheit im Mund beginnt, ihrer Sichtbarkeit auf in den Sozialen Medien und ihrem konsequent wertschätzenden Führungsstil setzt sie Impulse, die weit über die Kinderzahnmedizin hinausreichen. Sie fordert Exzellenz, lebt Teamspirit und spricht offen über Fehler, Entwicklung und Verantwortung.

Gesundheit beginnt im Mund und betrifft den ganzen Menschen

Dr. Heinz, Sie bezeichnen sich selbst als „Mundexpertin“. Was bedeutet das für Sie?

Dr. Anne Heinz: Der Mund ist für mich viel mehr als nur Zähne. Er ist das Tor zum gesamten Körper. Ich habe früh gelernt: An jedem Zahn hängt ein ganzer Mensch. Deshalb betrachte ich Gesundheit immer ganzheitlich: Ernährung, Atmung, Haltung und sogar Schlafqualität spielen eine Rolle für die Mundgesundheit. Wenn wir Patientinnen und Patienten – besonders Kinder – dafür sensibilisieren und sie und ihre Eltern entsprechend aufklären, können wir viel mehr erreichen, als nur Löcher zu füllen.

Sie arbeiten hauptsächlich mit Kindern. Wie reagieren Eltern auf diese ganzheitliche Herangehensweise?

Heinz: Oft mit Überraschung – und mit großer Dankbarkeit. Viele Eltern putzen mit ihren Kindern gewissenhaft, achten auf die Ernährung, und trotzdem entstehen Probleme wie Karies. Dann stellen wir fest, dass das Kind chronisch durch den Mund atmet. Das reduziert den Speichelfluss und begünstigt Karies. Wenn wir solche Ursachen aufdecken und behandeln, können wir manchmal sogar feste Zahnspangen vermeiden. Das sind für uns „Wow-Momente“ – und für die Eltern auch. In unseren morgendlichen Briefings sage ich deshalb immer: „Heute wünsche ich mir wieder eine Mutter, die vor Freude weint.“ Und meistens klappt das.

In Ihrem Buch Brush Hour schreiben Sie: „Gesundheit beginnt im Mund.“ Was ist die zentrale Botschaft?

Heinz: Ich möchte Menschen befähigen, Verantwortung für ihre Gesundheit zu übernehmen. Aber das geht nur, wenn sie wissen, worauf es ankommt. Wenn ich z. B. mit einfachen Worten erklären kann, wie die Nasenatmung sich auf Karies auswirkt, schaffe ich Bewusstsein. Das Buch ist mein Beitrag dazu – Wissen in verständlicher Sprache.

Das Konzept Ihre Praxis „Dentiland“ ist außergewöhnlich – sie wirkt wie ein Märchenland. Wie kam es zu dieser Idee?

Heinz: Ich hatte einen Traum: eine Stadt für schwerkranke Kinder, die nicht nach Krankenhaus riecht, sondern Hoffnung schenkt. In dieser Stadt, die ich Hero Town nenne – gibt es Zauberer statt Ärzte, Feen statt Helferinnen, Bioessen, Solaranlagen, keine Wartezeiten und ganz viel Magie. Das Ganze wäre ein Milliardenprojekt. Also habe ich mit dem angefangen, was ich kann: einer Zahnarztpraxis. Dentiland ist der erste Schritt. Hier probieren wir viele Ideen aus: angstfreie Medizin, visuelles Priming, Wertschätzung auf allen Ebenen. Und wir wachsen – jedes Jahr um rund 25 %, ganz ohne Investor.

Führung auf Augenhöhe stärkt das Team und begeistert Bewerberinnen und Bewerber

Wie sieht diese Wertschätzung konkret aus – besonders gegenüber Ihrem Team?

Heinz: Ich habe viel über Führung gelernt, oft durch Fehler. In meiner Assistenzzeit war ich selbst nicht besonders teamfähig. Heute weiß ich: Ohne mein Team läuft nichts. Ich sehe mich deshalb nicht über ihnen, sondern als verantwortlich für sie. Wir arbeiten nicht mit „Helferinnen“, sondern mit CoDentists. Jede hat ihre eigenen Stärken und übernimmt Verantwortung. Ich sehe meine Aufgabe darin, einen großartigen Arbeitsplatz zu schaffen – mit Massagen, Teamevents, gesundem Essen und echtem Interesse. Motivation muss jeder selbst mitbringen, die Rahmenbedingungen dafür schaffe ich.

Und das scheint zu funktionieren. Haben Sie keine Probleme Fachkräfte zu finden?

Heinz: Nein, im Gegenteil. Wir bekommen jede Woche Bewerbungen. Ich suche nicht nach perfekten Lebensläufen, sondern nach Potenzial. Wer brennt, wer will, wer passt zu uns – das zählt. Eine ehemalige Auszubildende ist heute meine Praxismanagerin und kennt sich mit meinen Finanzen besser aus als ich selbst.

Wertschätzung ist ein viel diskutiertes Thema – auch in Bezug auf die zahnmedizinischen Fachberufe. Was müsste sich ändern?

Heinz: ZFA und ZMF leisten Enormes. Viele von ihnen wählen den Beruf, weil sie helfen wollen – sicher nicht wegen des Gehalts. Aber oft fehlt die Anerkennung. Viele Praxen funktionieren noch hierarchisch und autoritär. Ich bin überzeugt: Die Art der Führung muss sich ändern. Wir müssen die Arbeit wieder attraktiver machen. Und das beginnt mit echter Wertschätzung, Kommunikation auf Augenhöhe und einer Kultur der Weiterentwicklung.

Wie sehen Sie die Rolle von Künstlicher Intelligenz in der Zahnmedizin?

Heinz: Ich glaube, KI wird vieles übernehmen – von Diagnostik bis zur Behandlung. Irgendwann wird ein Roboter vielleicht sogar präziser behandeln als ein Mensch. Aber: Die menschliche Komponente bleibt wichtig. Vertrauen, Empathie und persönliche Zuwendung kann keine Maschine ersetzen. Zumindest noch nicht. Es wird darauf ankommen, wie wir KI klug in unsere Abläufe integrieren.

Sie sind nicht nur Zahnärztin und Unternehmerin, sondern auch Musikerin. Was bedeutet Musik für Sie?

Heinz: In der Praxis muss ich funktionieren – freundlich, professionell, kontrolliert. Die Musik erlaubt mir, ganz ich selbst zu sein. Ich kann Gefühle zulassen, die ich im Praxisalltag oft unterdrücke. Wenn ich singe, bin ich Anne – nicht die Chefin, nicht die Zahnärztin, sondern einfach ein Mensch. Diese Balance ist für mich essenziell.

In den sozialen Medien erreichen Sie viele Menschen mit verständlichen Informationen. Welche Themen bewegen Ihre Community am meisten?

Heinz: Ästhetik ist ein Riesenthema – Veneers, Bleaching, Perfektion. Aber auch ganzheitliche Gesundheit, zum Beispiel bei Wurzelbehandlungen oder Implantaten. Ich merke, dass viele Menschen bereit sind, sich mit Zahngesundheit ernsthaft auseinanderzusetzen – wenn man ihnen auf Augenhöhe begegnet.

Sie engagieren sich auch im Netzwerk Dentista. Was bedeutet das für Sie?

Heinz: Dentista ist für mich eine Herzensangelegenheit – nicht zuletzt wegen meiner engen Freundschaft mit Dr. Rebecca Otto. Dort entsteht eine Community, die fachlich stark ist, sich gegenseitig unterstützt und auch in schwierigen Zeiten wie Krankheit oder Praxisübergabe zusammenhält. Das finde ich unglaublich wertvoll.

Nachhaltigkeit und persönliche Entwicklung gehören zur Praxisphilosophie

Auch Nachhaltigkeit spielt bei Ihnen ebenfalls eine große Rolle. Wie setzen Sie das in der Praxis um?

Heinz: Ich bin eine kleine Öko-Tante (lacht). Wir versuchen, wo immer möglich, Plastik zu vermeiden. Wir arbeiten mit nachhaltigen Firmen zusammen, nutzen eine Wasserfilteranlage, bieten Bioessen für das Team an und verwenden kompostierbare Einmalzahnbürsten. Natürlich kostet das oft mehr, aber ich denke, wir haben keine Wahl mehr. Wir arbeiten mit Kindern – für ihre Zukunft.

Was würden Sie jungen Zahnärztinnen heute mit auf den Weg geben?

Heinz: Sucht euch frühzeitig Unterstützung – einen Coach oder eine Mentorin, jemanden, der euch auffängt. Die Zahnarztwelt ist herausfordernd. Im Studium lernt man viel Fachliches, aber kaum, wie man gut mit sich selbst umgeht. Und genau das ist wichtig, um langfristig gesund und erfüllt zu arbeiten.

Gab es einen Moment, der Sie besonders berührt oder geprägt hat?

Heinz: Viele. Besonders bewegend sind Kinder, die woanders nicht behandelt werden konnten, weil die Zeit oder das Verständnis fehlte. Wenn wir es dann doch schaffen, wenn ein Kind Vertrauen fasst und die Behandlung klappt, dann ist das für mich der Lohn für alles. Aber genauso berührt es mich, wenn ich sehe, wie eine Mitarbeiterin über sich hinauswächst, selbstbewusster wird, privat oder beruflich. Das zeigt mir: Wir schaffen Raum für echte Veränderung – bei den Kindern und im Team.

Kontakt

Beata Luczkiewicz

Freie Journalistin
Beata ist Fachautor für das Recall-Magazin und spezialisiert auf Themen rund um Praxismanagement, Patientenkommunikation und effiziente Abläufe in Zahnarztpraxen.
Mit über 15 Jahren Erfahrung im Gesundheitsbereich liefert sie fundierte und praxisnahe Inhalte für Praxisteams.


Email: kontakt@beata-luczkiewicz.de

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