10-Punkte zur Pandemie aus Sicht der Mitarbeiter*innen in Arzt- und Zahnarztpraxen

Seit Beginn der Pandemie ist die Arbeit dieser Berufsangehörigen mit einer besonderen zusätzlichen Verantwortung und Belastung verbunden. Das wird unter anderem auch durch die neuesten Zahlen des Wissenschaftlichen Instituts der AOK über die Krankschreibungen im Zusammenhang mit COVID-19 bestätigt: Für den Zeitraum März bis Oktober 2020 liegen MFA auf Platz 2 der am stärksten betroffenen Berufsgruppe und damit deutlich vor den Beschäftigten in der Alten- und Gesundheitspflege, die im Frühjahr die Liste anführten und nun auf Platz 7 und 8 rangieren. ZFA werden an 6. Stelle genannt (im Frühjahr 2020 Platz 10).

Mit Blick auf diese vorhersehbare Entwicklung und die weiteren Probleme, die sich am Anfang der Pandemie abzeichneten, hat der Verband medizinischer Fachberufe e.V. einen 10 Punkte-Plan erarbeitet und im November an die Gesundheitspolitiker*innen auf Bundes- und Landesebene geschickt. „Wir haben im vergangenen Jahr auf verschiedenen Wegen und Kanälen auf die Situation unserer Berufsangehörigen aufmerksam gemacht“, erklärt dazu Hannelore König, Präsidentin des Verbandes medizinischer Fachberufe e.V. „Leider war die Resonanz nur gering. Die Politik schaut hauptsächlich auf die Berufe im stationären Bereich und die Pflegeeinrichtungen. Wir wissen, dass die Kolleg*innen in diesen Gesundheitsberufen sehr wertvolle Leistung erbringen und besonders belastet sind. Aber es ist auch wichtig, an diejenigen zu denken, die das ambulante Gesundheitswesen, in dem 80 bis 100 Prozent aller COVID-19-Patient*innen versorgt werden, am Laufen halten. Dies haben uns inzwischen auch mehrere Rückmeldungen aus verschiedenen Parteien und Bundesländern bestätigt. Deshalb müssen unsere Forderungen zügig in die aktuelle Arbeit der Behörden und in die Gesetzgebung einfließen.“

Der 10-Punkte-Plan umfasst folgende Forderungen

  1. Rolle von MFA und ZFA in der Patientensteuerung stärken: MFA und ZFA übernehmen in der digitalen und telefonischen Patientensteuerung im ambulanten Gesundheitswesen eine stetig wachsende Rolle. Um diese zu erfüllen in es unter anderem notwendig, MFA und ZFA in der Nutzung digitaler Anwendungsmöglichkeiten (Video-Sprechstunden, telemedizinische Anwendungen, elektronische Patientenakte und deren Anwendungen, Tele-VERAH-Rucksack, etc.) zu qualifizieren und die digitalen Anwendungen entsprechend zu honorieren – bei gleichzeitiger Reduzierung der Bürokratie.
  2. Bereitstellung freiwilliger Tests und Priorisierung von MFA und ZFA in der Impfstrategie .
  3. Sicherstellung ausreichender Schutzausrüstung und Erstattung der tatsächlichen Kosten für den Mehraufwand bei den Hygienemaßnahmen für alle Patient*innen.
  4. Von der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege sind Corona-Arbeitsschutzstandards in praxisnaher Form zu erstellen, damit Arbeitgeber*innen und Arbeitnehmer*innen diese unter der besonderen Belastung schnell nachvollziehen können.
  5. Die Fürsorgepflicht muss von den ärztlichen und zahnärztlichen Arbeitgeber*innen ernst genommen und gewahrt werden. Dazu gehört die Anpassung der Hygienekonzepte. Sie sind im Team zu erstellen und müssen die räumlichen Gegebenheiten berücksichtigen.
  6. Bei Verletzungen der arbeitsschutzrechtlichen Pflichten von Arbeitgeberseite muss der Schutz der Mitarbeitenden in Kleinbetrieben besonders berücksichtigt werden. Wenn sich MFA und ZFA vertrauensvoll an die zuständigen regionalen Stellen wenden, so sind ihre Sorgen ernst zu nehmen und Betriebe im Verdachtsfall zu überprüfen.
  7. Die Auszubildenden in den Arzt- und Zahnarztpraxen sind besonders zu schützen. Überforderung ist zu vermeiden. Die Ausbildung im dualen System (Betrieb und Berufsschule) muss auch in der Pandemie gewährleistet werden.
  8. Zusätzlich muss eine verstärkte Überzeugungsarbeit geleistet werden, um das Präventionsbewusstsein bei medizinischem Personal im niedergelassenen Bereich zu verbessern und beispielsweise die Durchimpfungsrate bei Grippe, Pertussis und Pneumokokken zu erhöhen. Das gilt auch für die Corona-Impfung.
  9. Die Notbetreuung in Kindertageseinrichtungen und Schulen muss aufgrund der Systemrelevanz der MFA und ZFA gesichert sein. Sofern die Notbetreuung bei Schließung der jeweiligen Einrichtung nicht oder nicht ausreichend gewährleistet werden kann, muss ein Vergütungsanspruch der Arbeitnehmer*innen bestehen.
  10. Die Gehaltssituation der Medizinischen und Zahnmedizinischen Fachangestellten muss verbessert werden.

Dazu erklärt Hannelore König: „Sowohl den Arbeitsschutz als auch die Arbeitsbedingungen gilt es zu verbessern. 2019 hatten wir bei MFA und ZFA eine Lohndifferenz von mehr als 30 Prozent zum Median des monatlichen Bruttoentgelts. Wir kommen nur dann aus dieser Lücke, wenn die ausgehandelten Tarifsteigerungen bei den aktuellen Honorarverhandlungen prozentual voll berücksichtigt werden und eine Gegenfinanzierung analog dem stationären Bereich erfolgt.“

Den vollständigen 10-Punkte-Plan können Sie abrufen auf www.vmf-online.de/10-punkte-plan-pandemie-mfa-zfa

Hinweis: Die aktuelle Umfrage zum Stand des Arbeitsschutzes ist noch bis zum 20. Januar 2021 online: https://www.vmf-online.de/2020-12-17-umfrage-arbeitsschutz

Auch in Corona-Zeiten an die Ausbildung denken

Die Corona-Pandemie trifft Wirtschaft und Gesundheitswesen hart – davon sind auch Auszubildende betroffen. Die Bundeszahnärztekammer (BZÄK) und der Verband medizinischer Fachberufe rufen dazu auf, die Ausbildung von Zahnmedizinischen Fachangestellten (ZFA) auch in Krisenzeiten zu unterstützen. Noch sind die Auswirkungen der Krise auf den ZFA-Ausbildungsmarkt nicht abzusehen, aufgrund der deutlich zurückgegangenen Behandlungen und der unsicheren zukünftigen Entwicklung wäre eine Zurückhaltung der Zahnarztpraxen beim Ausbildungsplatzangebot jedoch zu erwarten. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass Wirtschaftskrisen oft eine geringere Zahl an Ausbildungsplätzen zur Folge haben.

Henner Bunke, D.M.D./Univ. of Florida, BZÄK-Vorstandsreferent für ZFA und Präsident der Zahnärztekammer Niedersachsen: „Wenn Praxen wegen der unklaren wirtschaftlichen Lage zögerlicher bei der Ausbildungsplatzvergabe sind, ist das verständlich. Dennoch darf die Corona-Krise nicht zu einer Ausbildungskrise führen. Junge Menschen brauchen eine berufliche Perspektive, zudem liegt die Fachkräftesicherung im eigenen Interesse der Zahnärzte. Denn ZFA leisten einen wertvollen Beitrag im Praxisteam, ohne sie würden Zahnarztpraxen nicht funktionieren. Gleichzeitig würde sich der bestehende Fachkräftemangel noch weiter verstärken. Jeder Ausbildungsplatz ist eine Zukunftsinvestition.“

Hannelore König vom Verband medizinischer Fachberufe e.V. ergänzt: „Wir hoffen, dass die geplante Ausbildungsprämie der Regierung für kleine und mittelständische Unternehmen auch Zahnarztpraxen im Blick hat. Auch in der derzeit schwierigen Situation ist es wichtig, weiterhin Zahnmedizinische Fachangestellte auszubilden. In diesem Sinne appelliere ich an alle Ausbildungsbetriebe sowie an die ausgelernten Kolleginnen und Kollegen in den Zahnarztpraxen, sich für eine gute Qualität der Ausbildung einzusetzen. Unsere Auszubildenden brauchen persönliche kompetente Ansprechpartner/innen, sie brauchen Zeit, Empathie und Wertschätzung. Nur so gelingt es, ZFA gut auszubilden, die ihre Zukunft in diesem Beruf sehen und damit einen wichtigen Beitrag zur zahnmedizinischen Versorgung der Bevölkerung leisten.“

Covid-19

Der Verband medizinischer Fachberufe e.V. hat heute eine neue Online-Umfrage gestartet. Ziel ist es, einen Überblick über den Stand des Arbeitsschutzes und der Arbeitssicherheit in Zeiten der Corona-Pandemie zu erhalten.

Gefragt werden dieses Mal die Angehörigen aller vier vom Verband vertretenen Berufe: Medizinische, Tiermedizinische und Zahnmedizinische Fachangestellte sowie angestellte Zahntechnikerinnen und Zahntechniker. Die Umfrage endet am 02.06.2020.

„Unsere Berufe sind in unterschiedlicher Art und Weise von der Corona-Pandemie betroffen“, erklärt dazu Bundesvorstandsmitglied Hannelore König. „Als Gewerkschaft interessiert uns dabei einerseits, wie der Arbeitsschutz an die neuen Gegebenheiten angepasst und damit die Sicherheit für die Beschäftigten garantiert wird. Andererseits wollen wir einen Einblick in die Sorgen und Nöte unserer Berufsangehörigen erhalten. Die Ergebnisse werden wir als Grundlage für unsere weitere Arbeit im Fachausschuss Arbeitssicherheit sowie in den Gesprächen mit den Berufsgenossenschaften und Arbeitgeberverbänden nutzen und hoffen deshalb auf eine große Teilnehmerzahl bei allen Berufsangehörigen.“

Link zur Umfrage: https://www.vmf-online.de/umfrage-arbeitsschutz-corona

Bundeszahnärztekammer und Verband medizinischer Fachberufe danken Praxisteams

Die Bundeszahnärztekammer (BZÄK) und der Verband medizinischer Fachberufe e.V. informieren die Patienten, dass die Zahnarztpraxen  wieder Prophylaxe und zahnärztliche Behandlungen in vollem Umfang anbieten. Die bereits vor der Corona-Pandemie für die Praxen geltenden hohen Hygiene- und Infektionsschutzstandards wurden nochmals verstärkt und sorgen so für Sicherheit und für einen wirksamen Schutz von Patienten und Mitarbeitern. Nach den derzeitigen Erkenntnissen trugen weltweit Behandlungen in Zahnarztpraxen weder beim zahnärztlichen Behandlungsteam noch bei Patienten zu erhöhten Covid-19-Infektionen bei.

Henner Bunke, D.M.D./Univ. of Florida, BZÄK-Vorstandsreferent für Zahnmedizinische Fachangestellte (ZFA) und Präsident der Zahnärztekammer Niedersachsen: „Der Zahnarztbesuch ist für die Patienten sicher. Ich empfehle deshalb, Behandlungen und vor allem die wichtigen Prophylaxetermine nicht aufzuschieben. Denn eine gute Mundgesundheit bedarf einer regelmäßigen Kontrolle und Untersuchung in der Praxis. Dank der eingespielten Teamarbeit von Zahnarzt und zahnmedizinischem Fachpersonal sind die hohen deutschen Hygienestandards gewährleistet. Den tagtäglichen Einsatz und das große Verantwortungsbewusstsein und die Loyalität der ZFA auch in Corona-Zeiten kann man ihnen gar nicht hoch genug anrechnen. Sie tragen einen wichtigen Teil zur hervorragenden Arbeit in den Zahnarztpraxen bei.“

„Die Situation im Bereich der Schutzausrüstung hat sich deutlich verbessert”, das bestätigt auch Sylvia Gabel, Referatsleiterin ZFA im Verband medizinischer Fachberufe e.V. „Außerdem haben die Praxisteams ihr Hygienemanagement überprüft und ergänzt, so dass sich die Patientinnen und Patienten sowie die Zahnmedizinischen Fachangestellten unter Beachtung der notwendigen Arbeitsschutzmaßnahmen sicher fühlen können.“ BZÄK und der Verband medizinischer Fachberufe e.V. danken den Praxisteams für ihre großartige Arbeit in den Zeiten der Krise. Die Partner bekennen sich zum Gesundheitsschutz und der Teamleistung. Sie sind stets – auch außerhalb der Pandemie – mit Engagement und Empathie für ihre Patienten da, haben eigene Unsicherheiten hintenangestellt und sorgen für reibungslose Abläufe in den Zahnarztpraxen in Deutschland.

Informationen zum Verband medizinischer Fachberufe e.V.: www.vmf-online.de

Zahnarztpraxen ohne Schutzschirm:

Die Kürzung des ursprünglichen Sozialschutzpakets für Zahnarztpraxen auf einen reinen Kredit wird sich unmittelbar auf die Arbeits- und Ausbildungsplätze der mehr als 200.000 Zahnmedizinischen Fachangestellten (ZFA) auswirken. Darauf macht der Verband medizinischer Fachberufe e.V. als Interessenvertretung der Zahnmedizinischen Fachangestellten (ZFA) und der angestellten Zahntechniker/innen aufmerksam. „Viele der mehr als 200.000 sozialversicherungspflichtig beschäftigten ZFA werden ihren Job verlieren, viele der mehr als 30.000 Auszubildenden ihren Ausbildungsbetrieb“, erklärt Sylvia Gabel, Referatsleiterin ZFA im Verband medizinischer Fachberufe e.V. „Bis zum Pandemie-Beginn war die Nachfrage nach gut aus- und weitergebildeten ZFA groß. In diesem Beruf wie auch im nachgelagerten Zahntechnikhandwerk gab es mehr freie Stellen als Arbeitslose. Unseren Umfragen zufolge hatte sich das bereits positiv auf die Gehälter ausgewirkt – wenn auch noch lange nicht ausreichend. Denn immer noch liegen ZFA-Gehälter häufig unter der Niedriglohngrenze von 2.203 Euro brutto. Wenn jetzt Zahnarztpraxen ihre Mitarbeiter/innen in die Arbeitslosigkeit schicken, dann versucht ein großer Teil der ZFA schließlich, in anderen Branchen unterzukommen und steht nicht mehr für die ambulante wohnortnahe zahnärztliche Versorgung zur Verfügung. Denn die Unzufriedenheit im Beruf war ohnehin schon groß.“

Sylvia Gabel erinnert: „Viele fortgebildete ZFA, Prophylaxeassistent(inn)en sowie Zahnmedizinische Fach- und Verwaltungsassistent(inn)en haben die Arbeit in den Zahnarztpraxen am Laufen gehalten und dazu beigetragen, dass sich die Mundgesundheit in der Bevölkerung kontinuierlich verbessert hat. Seit Beginn der Corona-Pandemie mussten die Behandlungen eingeschränkt werden – aus Gründen des Arbeitsschutzes und weil die Patienten verständlicherweise Angst hatten, sich zu infizieren. Es kann nicht sein, dass die Beschäftigten in Zahnarztpraxen anders behandelt werden als unserer Kolleginnen und Kollegen in Facharztpraxen, die ebenfalls weniger Patientinnen und Patienten betreuen konnten. Die Politik muss nun ihren Anteil dazu beitragen, diese Fachkräfte im ambulanten Gesundheitswesen zu halten und sie als systemrelevante Berufe zu fördern.“

Der Verband medizinischer Fachberufe e.V. ist die Interessenvertretung und unabhängige Gewerkschaft für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Arzt-, Zahnarzt und Tierarztpraxen sowie im Zahntechnikerhandwerk. Weitere Informationen auf www.vmf-online.de

Kurzarbeitergeld im Niedriglohnbereich verbessern

Die Regelungen für das Kurzarbeitergeld müssen den Niedriglohnbereich stärker beachten. Darauf macht der Verband medizinischer Fachberufe e.V. aufmerksam. „Grundsätzlich begrüßen wir, dass die Bundesregierung im Rahmen der Corona-Pandemie beabsichtigt, das Kurzarbeitergeld für den Zeitraum vom 1. Mai bis 31. Dezember 2020 auf bis zu 80 bzw. 87 Prozent des Nettoentgelts zu erhöhen. Das schafft für die Arbeitnehmer/innen mehr Sicherheit“, erklärt dazu Hannelore König, 1. Vorsitzende im geschäftsführenden Vorstand. „Allerdings sollten sich die unterschiedlichen Aufstockungen vorrangig nach der Gehaltshöhe und nicht nur nach der Dauer der Zahlung des Kurzarbeitergeldes richten.“

Als Berufsverband und Gewerkschaft vertritt der Verband medizinischer Fachberufe e.V. Medizinische, Tiermedizinische, Zahnmedizinische Fachangestellte und angestellte Zahntechniker/innen. Als Beschäftigte in Arzt-, Zahnarzt- und Tierarztpraxen und damit als systemrelevante Berufe erhalten MFA, TFA und ZFA im ambulanten Gesundheitswesen und in der Veterinärmedizin die Versorgung in der Corona-Pandemie aufrecht. Dennoch sind sie – in sehr unterschiedlichem Maße – von Kurzarbeit betroffen.

„Mehr als 96 Prozent der MFA, TFA und TFA sind Frauen. Ihr Bruttogehalt sowie das von angestellten Zahntechnikerinnen und Zahntechnikern liegt schon zu normalen Zeiten häufig unterhalb die Niedriglohnschwelle von 2.203 Euro. Für sie sind 60 bzw. 67 Prozent wesentlich weniger als für Durchschnittsverdiener mit einem Bruttogehalt von mehr als 3.800 Euro“, erklärt Hannelore König. „Wenn die Aufstockung erst ab dem vierten Monat greift, müssen sie mindestens drei Monate mit einem Kurzarbeitergeld von maximal 918 Euro pro Monat überleben. Da bei derart niedrigen Nettoeinkommen keine Chance besteht, Rücklagen für finanzielle Engpässe zu bilden, sind sie sehr schnell auf die Grundsicherung angewiesen.“

Bundesweite Tarifverträge gibt es nur für Medizinische und Tiermedizinische Fachangestellte. Für Zahnmedizinische Fachangestellte und Zahntechniker/innen fehlt der jeweilige Tarifpartner auf Bundesebene. In den vorhandenen Tarifverträgen ist eine Kurzarbeiterregelung nicht vorgesehen, weil die Zugangsvoraussetzung bisher nicht erfüllt waren. Deshalb sei es jetzt umso dringender, das Kurzarbeitergeld im Niedriglohnbereich bereits ab dem ersten Monat auf 70 bzw. 77 Prozent und ab dem dritten Monat auf 80 bzw. 87 Prozent aufzustocken. Nur so könne verhindert werden, dass nach der Pandemie die bereits bestehende kritische Fachkräftesituation in diesen Berufen noch mehr verstärkt wird und die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung nicht mehr sichergestellt werden kann.

„Patienten können nicht zu jung für ein Prophylaxekonzept sein“

recall Frau Dr. Serke, können Sie Ihr Konzept kurz erläutern?
Dr. Vivian Serke Unser Zahnputz-Club ist ein Prophylaxekonzept, bei dem die Betreuung der kleinen Patienten in einem Clubgefüge stattfndet. Es soll Spaß machen, ein Mitglied zu sein und ein Zugehörigkeitsgefühl aufbauen. Unterstützt wird dieses durch praxiseigene Clubkarten, die nach jedem Termin mit einem Sticker bestückt werden. Durch einen frühestmöglichen Zahnarztkontakt sollen Karies, Zahnfleischentzündungen, Zahnverlust und entsprechende Folgeerkrankungen vermieden und gleichzeitig ein Vertrauensverhältnis zwischen den Eltern, den Kindern und dem Arzt mit seinem Team aufgebaut werden.

recall An welche Kinder richten Sie sich mit Ihrem Zahnputz-Club?
Mahmoud K. Faheem Damit wollen wir vor allem Kleinkinder erreichen. Wir teilen die kleinen Patienten in die Gruppe der unter Dreijährigen und Kinder im Alter von drei bis sechs Jahren ein.

recall Warum ist es Ihrer Meinung nach so wichtig, ein eigenes Prophylaxekonzept bereits für Kleinkinder zu haben?
Mahmoud K. Faheem In einem eigenen Prophylaxekonzept, bei uns ist es der Zahnputz-Club, ist der Ablauf genau beschrieben und somit für alle Beteiligten reproduzierbar. Die Inhalte sind außerdem festgelegt und genau auf die Bedürfnisse der kleinen Patienten abgestimmt. Das ist wichtig, denn Kinder unter drei Jahren und Mädchen und Jungen im Alter zwischen drei und sechs Jahren sind von ihrer ganzen Entwicklung und von ihren Bedürfnissen nicht mit älteren Kindern ab sechs Jahren, also mit einem Alter in der die Individualprophylaxe eigentlich beginnt, vergleichbar. Nur durch ein solches Konzept können Sie in der Praxis von Anfang an auf einem gleichbleibend hohen Niveau arbeiten und eine nachhaltige Verbesserung der Zahn- und Mundgesundheit für diese Kinder erzielen.

recall Welche Ziele verfolgen Sie mit Ihrem Zahnputz-Club konkret?
Dr. Vivian Serke Die aktuelle Studie der Deutschen Arbeitsgemeinschaft für Jugendzahnpfege e.V. (DAJ) besagt, dass 13,7 Prozent der Dreijährigen Karies aufweisen. Auch wir sehen in unserer Praxis diese Kinder und nehmen mit viel Engagement jeden Tag den Kampf gegen die frühkindliche Karies auf. Ihr Hauptverursacher ist die sogenannte Nuckelfaschenkaries (Early Childhood Caries, kurz ECC), die als häufgste chronische Krankheit bei Kindern im Vorschulalter gilt. Wenn die Kinder mit sechs Jahren das Alter der Individualprophylaxe erreicht haben, ist in vielen Fällen das Gebiss schon massiv geschädigt. Wir wollen den Kindern früher und nachhaltiger helfen und haben deshalb den Prophylaxe- Club für Kleinkinder entwickelt.

Dr. Juliane Einfalt Wir möchten die Versorgungslücke bei Kleinkindern schließen und die Vermeidung beziehungsweise Behandlung der Karies voranbringen. Sobald wir als Zahnärzte ein Defzit in der Mundgesundheit der kleinen Patienten feststellen, erklären wir den Eltern unser Konzept.

recall Und wie wird der Zahnputz-Club angenommen?
Dr. Juliane Einfalt Sehr gut. Sonst würde unser Konzept auch nicht so erfolgreich sein. Es lebt davon, dass die Kinder gern in die Prophylaxe gehen, Erfolge sehen und ein entspanntes Verhältnis zu ihrem Zahnarzt beziehungsweise ihrer Zahnärztin entwickeln.

recall Welche Rolle spielen die Eltern bei der Mundhygiene zuhause?
Dr. Juliane Einfalt Kinder unter drei Jahren und auch Kinder bis zu ihrem neunten Lebensjahr sind darauf angewiesen, dass ihnen ihre Eltern in der täglichen Mundhygiene zuhause helfen. Was passiert, wenn diese Hilfe vielleicht durch Nichtwissen ausbleibt, sehen wir jeden Tag in meiner Praxis. Die Abbildung 2 zeigt die Folgen deutlich.

recall Wie sind Sie und Ihre Kollegen bei der Entwicklung des Konzepts vorgegangen?
Dr. Vivian Serke Wir haben die Kinder zunächst in zwei verschiedene Altersgruppen eingeteilt und uns angeschaut, welche Bedürfnisse die Kinder in der jeweiligen Altersgruppe haben und wie die Problematik konkret aussieht. Außerdem erörterten wir die Fragen, welche Faktoren einer gesunden Zahn- und Mundgesundheit entgegenwirken und in welchen Bereichen wir mit der Aufklärung und Beratung der Eltern viel bewirken können. Die sogenannte Nuckelflaschenkaries entsteht unter anderem, wie der Name sagt, indem Kinder zum Beispiel Säfte, Schorlen, gesüßte Tees und Milchgetränke über einen längeren Zeitraum aus der Nuckelflasche trinken. Dass durch dieses Verhalten in Kombination mit einer ungenügenden Zahnpflege ein massiver kariöser Befall der Milchzähne ausgelöst wird, ist vielen Eltern nicht bewusst.

Wir haben einen genauen Ablaufplan erarbeitet, der die Beratung der Eltern in der jeweiligen Altersgruppe regelt. Er enthält zum Beispiel Ernährungs- und Stilltipps, eine Anleitung verschiedener altersangepasster Positionierungen des Kindes beim täglichen Zähneputzen, die Verwendung von Fluoriden, die Aufklärung des Lutschverhaltens ihrer Kinder, eine Prophylaxesitzung, in der Beläge entfernt und die Zahn- schmelzhärtung durch Fluoridlacke unterstützt wird. Anschließend erfolgen die zahnärztliche Untersuchung und das Einteilen der Kinder in das für sie spezifische Untersuchungsintervall. Das sind nur einige Punkte. Wichtig war uns, dass die Kinder durch den Prophylaxe-Club ein Clubgefühl entwickeln, bei dem es Spaß macht, Mitglied zu sein.

Tipps unserer Interviewpartner:


Dr. Vivian Serke

„Patienten können nicht zu jung für ein Prophylaxekonzept sein. Ganz im Gegenteil: Eine Langzeitstudie aus Jena ist zu dem Ergebnis gekommen, je frühzeitiger der Erstbesuch beim Zahnarzt stattfindet, desto geringer ist der Kariesbefall bei Milchzähnen.1


Mahmoud K. Faheem

„Kleinkinder haben vor allem Angst vor dem Unbekannten. Je früher sie ihr Team in der Praxis kennenlernen, umso dauerhafter wird das Vertrauen aufgebaut und desto nachhaltigere Erfolge können Sie in der Gesundheit der Zahn- und Mundgesundheit erzielen.“


Dr. Juliane Einfalt

„Bis zum neunten Lebensjahr ‚spielen‘ Kinder Zähneputzen. Die korrekte Reinigung muss durch die Eltern erfolgen. Der Hintergrund dabei ist, dass die meisten Kinder erst mit circa neun Jahren motorisch in der Lage sind, alle Zahnflächen korrekt zu reinigen.“

1 Wagner Y, Heinrich-Weltzien R. Evaluation of an interdisciplinary preventive programm for early childhood caries:  ndings of a regional German birth cohort study

Vielen Dank für das Gespräch und Ihnen weiterhin viel Erfolg.

Recall Magazin