Schlafstörungen und schlechte Mundgesundheit

Dass Schlafprobleme ein weitverbreitetes Phänomen darstellen, ist vielen Menschen bewusst. Das genaue Ausmaß wird jedoch häufig unterschätzt. Tatsache ist: Es handelt sich hierbei um eine Volkskrankheit! Doch schauen wir zunächst auf die Definition: In der Fachsprache bezeichnet der Begriff der Insomnie sowohl Ein- und Durchschlafstörungen als auch frühmorgendliches Erwachen mit psychosomatischen Beschwerden oder Einschränkungen im psychosozialen Leistungsvermögen am Tage.

Wie weit dieses Krankheitsbild verbreitet ist, zeigt ein Blick auf die Studienlage: Untersuchungen zufolge leiden 6 bis 10 Prozent der Deutschen an einer behandlungsbedürftigen Insomnie – das sind mindestens 5 Millionen Bundesbürger! Nicht selten ist die Erkrankung chronisch, zum Teil mit Erkrankungsdauern von über 3 Jahren. Rund 1 bis 2 Millionen Menschen deutschlandweit können ohne Schlafmittel nicht schlafen. Der volkswirtschaftliche Schaden der Erkrankung ist enorm – allein in Deutschland wird er auf jährlich 55 Milliarden Euro geschätzt. Anlass zur Sorge gibt zudem, dass sich beim Thema Schlafstörungen ein Trend nach oben abzeichnet. Wir sehen, dass die Zahl der Betroffenen steigt – das ist nicht zuletzt eine Folge unserer heutigen Nonstop-Gesellschaft.

Schlafprobleme nicht auf die leichte Schulter nehmen

Bei den soeben erwähnten Zahlen und Statistiken handelt es sich allerdings nur um die schwerwiegenden, behandlungsbedürftigen Ausprägungen der Insomnie. Das Thema „Schlafprobleme“ im Allgemeinen betrifft jedoch deutlich mehr Menschen als nur die schweren Fälle. Etwa 20 bis 30 Prozent der Gesellschaft haben einen vulnerablen Schlaf. Gemeint ist damit, dass sie mal besser und mal schlechter schlafen, die Probleme mit dem Schlaf aber im medizinischen Sinne noch keinen Krankheitswert erreichen. Trotzdem können Lebensqualität und Leistungsvermögen am Tag bereits in diesem Stadium eingeschränkt sein.

In Belastungssituationen erreichen diese Schlafprobleme häufig rasch eine Behandlungsbedürftigkeit, da sie dann zu ausgeprägten Einschränkungen in Schule und Beruf führen können und die Unfallgefahr am Arbeitsplatz oder im Straßenverkehr steigt. Entwickelt sich eine chronische Form, die unbehandelt bleibt, kann darüber hinaus auch die Gesundheit in Mitleidenschaft gezogen werden. Ein Risiko besteht hier vor allem deshalb, weil das Problem gerade in der Anfangsphase oftmals unterschätzt wird.

Verhaltensänderung als sinnvoller Ansatz

Aus diesem Grund nehmen viele Menschen ihre Schlafschwierigkeiten gerade zu Beginn selbst in die Hand. Mit Dr. Google, Selbstmedikation und selbstverordneten Verhaltensänderungen versuchen sie, der Situation Herr zu werden. Während von der Selbstmedikation ohne Rücksprache mit einem Arzt ausdrücklich abzuraten ist, stellt die Änderung des eigenen Verhaltens grundsätzlich einen sinnvollen Ansatz dar. Schließlich sind es nicht selten die Verhaltensmuster unserer modernen Nonstop-Gesellschaft, die überhaupt erst die Probleme mit dem Schlaf herbeiführen: Durch die neuen Medien sind wir ständig erreichbar, viele sind nachts im Standby-Modus und in einer dauerhaften Anspannung. Das Abschalten fällt schwer und die schlafförderliche Entspannung will sich nicht einstellen.

Nonstop-Gesellschaft mit „Schlafkillern“ im Gepäck

Daher gehört die Medienhygiene zu einem gesunden Schlaf-Wach-Verhalten unabdingbar dazu. PC, Internet, Smartphone und Co. sind im Schlafzimmer tabu und sollten bereits eine Stunde vor dem Zubettgehen ausgeschaltet werden. Denn gerade das blaue Licht von LED-Bildschirmen kann die Produktion des Schlafbotenstoffes Melatonin beeinträchtigen und so zu Schlafproblemen beitragen.

Schlaf vor dem Fernseher, Arbeit und Sport bis an die Zubettgehzeit, schwere Mahlzeiten, Alkohol und helles Licht sind weitere „Schlafkiller“ und können den Schlaf ebenfalls erheblich beeinträchtigen. Aber nicht nur das richtige Verhalten am Abend ist für den guten Schlaf von Bedeutung, auch in mentaler Hinsicht sollte man sich auf den Schlaf einstellen.

Regelmäßig rechtzeitig abschalten

Am Abend sollten wir daher im Kopf rechtzeitig „Feierabend machen“, den Stress vom Arbeitsalltag ablegen und die großen und kleinen Sorgen des Alltags vor der Schlafzimmertür lassen. Zubettgeh-Rituale, welche das abendliche Abschalten unterstützen, können aus schlafmedizinischer Sicht hilfreich sein. Entspannungsverfahren, Hörbücher – gerne auch Kinderkassetten –, ein entspannendes Hobby, Fantasiereisen, Musikhören, ein warmes Bad etc. So wird man wieder zu seiner eigenen Schlaftablette.

Zu beachten ist auch, dass gerade Menschen mit Schlafstörungen oftmals den Schlaf erzwingen wollen. Sie wälzen sich von links nach rechts, kämpfen mit ihrem Kissen und haben den Wecker fest im Blick. Aber: Wer schlafen will, bleibt wach, da das Ringen um den Schlaf zu Anspannung führt und diese ist der Feind des Schlafes. In diesen Fällen kann bereits der Verzicht auf den nächtlichen Blick auf den Wecker eine bedeutsame Hilfe auf dem Weg zu einem besseren Schlaf sein. Für all diese Tipps gilt jedoch, dass die regelhafte Beachtung und Anwendung für den tiefen und festen Schlaf entscheidend sind.

Anhaltende Schlafprobleme: ein Fall für professionelle Hilfe

Doch längst nicht jedem gelingt es, derartige Verhaltensänderungen langfristig durchzuhalten. Wer seine Schlafprobleme selbst nicht mehr in den Griff bekommt und stattdessen dauerhaft darunter leidet, der sollte sich unbedingt professionelle Hilfe suchen. Als erste Maßnahme wird ein Psychotherapeut in den meisten Fällen die kognitive Verhaltenstherapie für Insomnie, kurz KVT-I, in Betracht ziehen. Sie ist laut Fachverbänden die erste Wahl, weil sie im Gegensatz zu Schlafmitteln ein kausales Verfahren darstellt, also nicht nur die Symptome, sondern vielmehr die Ursache in den Blick nimmt. Darüber hinaus basiert dieses Verfahren auf wissenschaftlich abgesicherten Methoden.

Man muss allerdings dazusagen, dass es allein schon aus Kapazitätsgründen nicht möglich ist, diesen Behandlungsansatz flächendeckend verfügbar zu machen. Daher etabliert sich zunehmend ein Stepped-Care-Modell: Auf unterster Ebene kommen Aufklärungsangebote mittels Büchern und Online-Programmen zur Anwendung, auf zweiter Stufe Gruppenangebote gefolgt von Einzel- oder Gruppenbehandlungen durch Psychotherapeuten. Auf der obersten Stufe steht das Schlaflabor als schlafmedizinisches Kompetenzzentrum.

Das wichtigste Drittel des menschlichen Lebens

Wer seine Schlafprobleme hingegen nicht ernst nimmt, der riskiert negative Auswirkungen auf seine Allgemeingesundheit. Denn bei Schlafstörungen handelt es sich nicht, wie häufig angenommen, um Bagatellerkrankungen. Der Schlaf ist das wichtigste Regenerations- und Reparaturprogramm des Menschen. Deswegen verbraucht der Mensch im Schlaf fast genauso viel Energie wie im Wachen. Schlaf ist also kein passiver Prozess, sondern er ist in vielen Lebenslagen die beste Medizin.

So stärkt Schlaf beispielsweise das Immunsystem, was gerade in Zeiten einer Pandemie nicht zu vernachlässigen ist. Insbesondere nach einer Impfung ist es wichtig, in der darauffolgenden Nacht für ausreichend Schlaf zu sorgen. Im Schlaf wird auch das Wachstumshormon ausgeschüttet. Kinder benötigen es für das Organ- und Körperwachstum, Erwachsene für Zellteilung und Zellneubildung. Zudem ist das im Tiefschlaf ausgeschüttete Testosteron für die Fortpflanzungsfähigkeit des Mannes von entscheidender Bedeutung. Schlaf ist außerdem ein Gedächtnisbooster: Im Schlaf werden die am Tage neu erworbenen Inhalte und Fertigkeiten vertieft abgespeichert. Ausreichend Schlaf lässt uns gesund alt werden und steigert unsere Lebenserwartung.

Schlafstörungen als Risiko für die Allgemeingesundheit

Wer nicht ausreichend schläft und an chronischen Schlafstörungen leidet hat ein höheres Risiko für: psychische Störungen, wie zum Beispiel Depressionen und Angststörungen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, wie z.B. Herzinfarkt, koronare Herzerkrankungen oder Bluthochdruck, Stoffwechselerkrankungen, wie zum Beispiel Diabetes, degenerative Hirnerkrankungen, wie Parkinson und Demenz, und eine verkürzte Lebenserwartung.

Vor diesem Hintergrund ist es mehr als nur sinnvoll, Schlafprobleme ernst zu nehmen und die eigenen Alltagsroutinen sowie den eigenen Lebenswandel zu überprüfen und nach Möglichkeit zu ändern – auch wenn das in der heutigen Zeit immer schwieriger erscheint.

1Diplom-Psychologe, Psych. Psychotherapeut, Somnologe, Leiter Schlafzentrum Pfalzklinikum

2Gründer und Dekan der DTMD University for Digital Technologies in Medicine & Dentistry in Luxemburg

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