Organe und (Zahn-)Gesundheit: Teil 3

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Roxane Pfeiffer

Das muss ich erstmal verdauen

Die gesamte Verdauungsarbeit ist ein komplexer, fein abgestimmter Balanceakt zwischen der Art und Weise wie wir uns Nahrung zuführen, mechanischer Funktion der verschiedenen beteiligten Organe, Hormonsystem, Nervensystem, Immunsystem und der Psyche. Je intensiver man sich mit der Verdauungstätigkeit beschäftigt desto mehr fällt auf, dass es ein stetiges Wechselspiel aus Geben und Nehmen darstellt.

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Wir verbrauchen ständig Energie, sodass Hunger, oder gar Unterzucker entsteht, wir denken an Nahrung oder nehmen diese sensorisch (über Sinnesorgane) wahr. Dies stimuliert jedes Mal unseren Parasympathikus*, der wiederum unter anderem die Ausschüttung einer Vielzahl von Sekreten bewirkt.

*Der Parasympathikus ist Teil des autonomen, vegetativen, unwillkürlichen Nervensystems und der Gegenspieler zum Sympathikus. Ge- meinsam steuern sie, ohne unser bewusstes Zutun, grundlegende lebensnotwendige Funktionen wie zum Beispiel Atmung, Herz-Kreislauf, Verdauung und Fortpflanzung.

Im Gegenzug an das Geben der Sekrete, wird das Nehmen dieses Sinnbilds deutlich an der resultierenden Aufnahme von kleinsten Bausteinen der Nahrung: Monosaccharide (Einfachzucker), Aminosäuren (kleinste Eiweißbausteine) und Fettsäuren. Wo der Magen endet, beginnt der Darm – genauer gesagt beginnt hier der Zwölffingerdarm, beziehungsweise Duodenum – der erste von drei Abschnitten des Dünndarms. Ihm folgen Jejunum (Leerdarm) und Ileum (Krummdarm). Bevor er über eine Klappe in den Dickdarm übergeht. Der gesamte Abschnitt des Dünndarms, von Magenausgang bis zur Krummdarm-Dickdarm-Klappe ist ungefähr 4 bis 4,5 m lang, hat ein Lumen von 4 cm und durch die besondere Struktur der inneren Oberfläche kommen wir auf eine Gesamtfläche von circa 400 m².

Der Zwölffingerdarm heißt übrigens so, weil er ungefähr so lang ist, wie zwölf Zeigefingerbreiten nebeneinander, ungefähr 25 cm. Er ist von seiner Form her nicht so ausgesackt wie der Magen, viel mehr ist er wieder schlauchförmig, windet sich C-förmig und findet dann in seiner Verlängerung einen nahtlosen Übergang zum Jejunum. Die C-Schlinge der Duodenums ist deshalb so interessant, da hier sowohl der Chymus (Speisebrei) aus dem Magen portionsweise (je circa 20 ml) ankommt, als auch die Gallenflüssigkeit aus der Galle, beziehungsweis Leber und der Verdauungssaft aus dem Pankreas (Bauchspeicheldrüse). Außerdem liegt in der C-Schlinge der Kopf der Bauchspeicheldrüse.

Die Gallenflüssigkeit wird übrigens von und in der Leber gebil- det, in der Gallenblase wird die Flüssigkeit vor allem eingedickt und gespeichert. Bei den meisten Menschen gelangen Gal- lensaft und Verdauungssaft über einen gemeinsamen Ausfüh- rungsgang durch die Vatersche Papille (kleine Ringmuskelöff- nung) ins Duodenum. Ausgelöst wird die Abgabe dieser Säfte reflektorisch über das Nervensystem und hormonell über das Blutsystem. Es gibt also Rezeptoren, die registrieren, dass Chy- mus ins Duodenum gelangt und dass jetzt Verdauungssäfte zu deren Bearbeitung benötigt werden.

Die Gallensäfte werden vorrangig für die Fettverdauung benötigt, die Pankreassäfte bearbeiten Kohlenhydrate, Eiweiße und auch Fette. Sowohl Gallensaft als auch Bauchspeichel sind alkalisch, sie neutralisieren deshalb den Speisebrei, der ja im Magen stark angesäuert wurde. Dies ist einerseits für die folgenden Funktionsschritte der Verdauung nötig aber noch viel wichtiger ist hierbei der entstehende Schutz für die Schleimhaut des Darms, die nicht besonders säureresistent ist.

Das Thema Säure ist ein entscheidender Faktor für die Entstehung von Geschwüren in diesem Bereich, die entweder als Ulcus ventriculi (Magengeschwür) oder Ulcus duodeni (Zwölffingerdarmgeschwür) in dieser Übergangszone entstehen können. Aber auch eine Besiedelung der Schleimhaut mit dem Bakterium Helicobacter Pylori könnte ursächlich für diese sogenannte gastroduodenale Ulkuskrankheit (Geschwürerkrankung von Magen und Zwölffingerdarm) sein.

Symptomatisch lassen sich die beiden durch den Zeitpunkt des Schmerzes unterscheiden, wobei das Magengeschwür prinzipiell einen Dauerschmerz zeigt und eher zusätzliche Schmerzen direkt im Anschluss an eine Mahlzeit verursacht, weil die verweilenden Nahrungsreste das geschwürige Gewebe reizen. Im Gegensatz dazu besteht beim Zwölffingerdarmgeschwür eher ein Nüchternschmerz, der bevorzugt nachts auftritt und früh morgens, sich aber durch Nahrungsaufnahme bessert – weil neutralisierende Verdauungssäfte wohl die Symptomatik lindern.

Im Jejunum erfolgt die Hauptarbeit der Resorption. Über verschiedene Sekrete und Enzyme wird der Speisebrei in Feinstarbeit in seine kleinsten Bausteine zerlegt und über die Schleimhaut aufgenommen. Monosaccharide, Aminosäuren, Mineralien und wasserlösliche Vitamine werden spezifisch aufgenommen und mit dem Blut über die Pfortader zur Leber transportiert. In der Leber werden die Bestandteile kontrolliert, verarbeitet und teilweise gespeichert. Fette und fettlösliche Vitamine werden im Darm mithilfe von Gallensäuren über die Saumzellen in die Lymphe der Darmwand abgegeben und unter Umgehung der Leber ins Blut weitergegeben. In den Lymphknoten finden auch hier Kontrollmaßnahmen und Abwehrfunktionen statt. Im anschließenden Ileum findet nun immer weniger Resorption statt und dafür mehr Immunfunktion durch die Peyer-Plaques, die sich im Endbereich befinden.

Im Selben Abschnitt des Ileums findet die Hauptaufnahme von Vitamin B12, Vitamin C und Gallensäuren statt. Dieser Bereich des termina- len Ileums ist auch Fokus für verschiedene pathologische Thematiken. Ist dieser Bereich krankhaft verändert, zum Beispiel entzündet bei M.Crohn oder Colitis Ulcerosa oder durch Operationen entfernt oder beschädigt worden, so resultiert eine Einschränkung der diesbezügli- chen Immunfunktion sowie auch der Mangel vor allem an Vitamin B12 und Gallensäuren.

Durch Vitamin B12-Mangel kann es zu einer Anämie (Blutarmut) und deren Folgen kommen. Durch einen Mangel an Gallensäuren kann sich ein Gallensäureverlustsyndrom anschließen, bei dem die Gallensäuren, in größerer Menge als üblich, in den Dickdarm gelangen und hier zu Durchfall führen können. Außerdem folgen Störungen der Fettresorption, einschließlich der fettlöslichen Vitamine (A, D, E, K) und deren weiteren Auswirkungen.

Schließlich folgt nach dem Übertritt durch die Bauhin-Klappe der Dickdarm. Dieser kann wiederum aufgeteilt werden in Blinddarm mit Wurmfortsatz, aufsteigenden, queren und absteigenden Dickdarm, sowie Sigmoid und Rektum. In diesem Abschnitt der Verdauung geht es ums loslassen und ums geben. Nachdem zunächst Wasser rückresorbiert wurde, damit der Stuhl eingedickt wird – Dickdarm eben. Im Dickdarm tummeln sich eine Vielzahl von Mikroorganismen, hauptsächlich Bakterien, die für jeden Menschen so individuell sind wie dessen Fingerabdruck. Man nennt das ganze Spektakel dann Mikrobiota. Die Bakterien verwenden Bestandteile der Nahrung, allen voran Ballaststoffe, zur eigenen Ernährung und verstoffwechseln diese. Sie produzieren aber auch verschiedene Neurotransmitter, wie beispielsweise Tryptophan/ Serotonin oder Vitamine.

Eine Dysbalance dieser individuellen Zusammensetzung kann zu zahlreichen pathologischen Erscheinungen führen, von Blähungen und Durchfall/Verstopfung bis hin zu entzündlichen Darmerkrankungen, Immunschwächen, Autoimmunkrankheiten, Nervenerkrankungen, psychischen Erkrankungen und auch Kopfschmerzen, sogenannte Bauchkopfschmerzen.

Ähnlich wie in der Mundhöhle geht es mal wieder um Balance, nicht darum sämtliche Bakterien zu verteufeln. Eine Vielzahl dieser Mikro- organismen sind essentiell, also unbedingt notwendig für unser Wohlergehen, andere Spezies hingegen eher störend. Das Ziel sollte also sein, die nutzbringenden Bakterien zu füttern und zu erhalten, da sie beispielsweise auch den Platz besetzen, der dann von pathologischen Bakterien nicht eingenommen werden kann. Beeinflussen kann man die persönliche Mikrobiota übrigens simpel über die Nahrungsauf- nahme. Das will heißen, die körpereigene Bakterienkultur ist ziemlich genau abgestimmt auf die Erfordernisse, also die ankommenden Nah- rungsbestandteile. Als allgemein förderlich für die Mikrobiota gelten:

  • Ballaststoffe (Gemüse, Vollkorn)
  • Milchsäurebakterien (Milchprodukte)
  • Inulin in Artischocken, Chicorée
  • Resistente Stärke (gekochte, danach abgekühlte Kartoffeln)
  • Ungesättigte Fettsäuren
  • Omega-3-Fettsäuren
  • Probiotische Lebensmittel (enthalten lebende Mikroorganismen, zum Beispiel Miso, Kefir, saure Gurken, Sauerkraut, Käse, fermen- tiertes Gemüse)
  • Präbiotische Lebensmittel (vor allem Ballaststoffe: Gemüse, Obst, Nüsse, Vollkorn).

Dies gilt selbstredend auch für nützliche Bakterien in der Mundhöhle, so kann also die Mundgesundheit durch das Essen von oben genannten Lebensmitteln unterstützt werden!

Die herausragende Kombination aus den bereits zuvor genannten Teilaspekten der Verdauung: Organe, Hormone, Nervensystem, Immunsystem und Psyche, lässt sich in diesem kurzen Abriss nur erahnen, der Einfachheit zu Liebe verzichte ich auf die Auflistung aller bislang bekannten beteiligten einzelnen Komponenten. Der Wandaufbau des Magen-Darm-Trakts beinhaltet eine enorme Vielfalt an unterschiedlichen spezifischen Zellen. Zunächst ist die Wand grob in 4 Schichten zu unterteilen:

  • Mukosa (Schleimhaut)
  • Submukosa (Schicht unter der Schleimhaut)
  • Muscularis (Muskelschicht)
  • Adventitia/Serosa des Peritoneums (Bindegewebe, Bauchfell).

Die Schleimschicht (Mukosa) ist die innere Oberfläche dieser Organe, sie beherbergt, wie der Name schon vermuten lässt, verschiedene Drü- senzellen, die vor allem Schleim produzieren. Dieser Schleim dient unter anderem zum Schutz und zur Gleitfähigkeit. Außerdem ist die Mukosa des Magens, Darm und auch der Gallenblase aus hochprismatischem Epithel aufgebaut, welches die Dehnbarkeit dieser Organe und die hohe Resorptionsfähigkeit gewährleistet.

Die Drüsenzellen befinden sich in Ein- oder Ausstülpungen (Drüsen, Krypten und Zotten) dieser besonderen Schleimhaut.

In der Submukosa finden wir weitere exokrine und endokrine (nach innen und außen abgebende) Drüsen, die zusätzliche Sekrete absondern. Außerdem befinden sich in dieser Wandschicht Nervenzellgeflechte, die eben die Drüsentätigkeit innervieren, die so genannten Meissner-Plexus. Verschiedene Ansammlungen von Abwehrzellen tragen zur immensen Immunleistung des Darms bei. Besonders zahlreich sind sie im endständigen Abschnitt des Ileums vorhanden, als so genannte Peyer-Plaques. Auch Blutgefäße, Lymphgefäße und weitere Nerven lassen sich hier lokalisieren.

Die Muscularis beherbergt selbstredend Muskelschichten und zu deren Innervation die Auerbach-Plexus. Die Adventitia schließlich dient der Verankerung der Organe an Ort und Stelle und der Verschieblichkeit gegeneinander.

Da die Wandschichten in veränderlicher Form in allen Abschnitten des Verdauungstraktes vorkommen, wird hier nochmal deutlich wie ver- zahnt alle Systeme miteinander sind.

Insgesamt sind hier circa 70 Prozent der Immunzellen verankert. Es ist wohl das größte hormonproduzierende Organsystem. Und es enthält so reichliche Nervenzellansammlungen, dass es nicht verwunderlich ist, wieso wir vom Bauchhirn sprechen – ist es ja direkt mit unserem Gehirn verbunden. Die Psyche kann man hier als ein alles umhüllendes Konstrukt betrachten. Sie steuert zwar nicht primär die Verdauungsleistung aber hegt großen Einfluss auf dessen Ablauf.

Bereits erwähnt habe ich, dass der Sympathikus die Verdauungsleistung zum Stillstand bringen kann. Stellvertretend für den Sympathikus stehen Stress-Reaktionen, da ist es nicht verwunderlich, dass durch Hektik nicht gut verdaut werden kann. Denn um etwas zu verdauen brauchen wir Zeit, Ruhe und Seelenfrieden. Die Verdauung, sowohl auf körperlicher Ebene als auch psychisch und seelisch, bedarf einiger Stationen.

Nahezu unglaublich erscheint die Umwandlung von Grobem zu Feinem, von Materie zu Energie. Es ist ein fortwährender Zyklus. Wir nehmen etwas auf und verdauen es auf verschiedenen Zwischenstationen, während derer die Spreu vom Weizen getrennt wird. Nahrhaftes wird bis ins Detail aufgespalten und aufgenommen und weiterverwertet, während nicht förderliche Substanzen und Abfallstoffe so gut wie möglich ausgeschieden werden.

Sorgfältig prüfen unsere Organe, ohne unser willentliches zutun, welchen Nährwert die Bestandteile der Nahrung für unsere Lebenskraft besitzen. Was wird gebraucht? Was unterstützt, nährt uns? Wofür lohnt es sich Energie aufzuwenden, die Dinge zu verarbeiten?

Welchen Profit erhalten wir aus den angeeigneten Dingen? Wie gut kann man geben, wie gut also loslassen?

Und mit dem Stichwort „Loslassen“ endet diese Organreihe – schade. Wir haben uns über mehrere Teile den Weg der Nahrung von Mund- höhle, speziell der Zunge, über den Magen und schließlich zum Darm angeschaut und einen kleinen Einblick in die ganzheitlichen Aspekte dieses Naturschauspiels erhaschen können.

Aber jedem Ende wohnt ein Anfang inne und so beginnen wir im nächsten Jahr mit neuen spannenden Themen, aus der Kombination von Holistik, Medizin und Mundgesundheit.

 

Ich hoffe ihr seid gespannt und freue mich auf viele neugierige Leser:innen.

 

Eure Roxane.

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