Attraktiv und zukunftssicher? Die ZFA-Ausbildung im Expertencheck mit Albert Mergelsberg

Interview mit Albert Mergelsberg
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Beata Luczkiewicz

Albert Mergelsberg hat sich über 35 Jahre lang für die Verbesserung der Ausbildungsqualität eingesetzt insbesondere der Zahnmedizinischen Fachangestellten (ZFA) eingesetzt. Auch nach seiner aktiven Dienstzeit blieb er der beruflichen Bildung eng verbunden: Heute führt er Fortbildungen für ZFA-Lehrerinnen und Lehrer durch und verfasst Standardwerke für ZFAs und MFAs. Seine langjährige Erfahrung macht ihn zum Experten auf diesem Gebiet – und zum idealen Gesprächspartner für ein Interview über die Qualität der Ausbildung und die Attraktivität des ZFA-Berufs.

Der ZFA-Beruf bleibt attraktiv – traditionell bei jungen Frauen, aber zunehmend auch bei jungen Männern.

Berufswahl und Berufseinstieg

Herr Mergelsberg, wie würden Sie die Attraktivität des Berufs der Zahnmedizinischen Fachangestellten für junge Menschen heute beschreiben?

Albert Mergelsberg: Die Attraktivität des ZFA-Berufs ist nach wie vor sehr groß. Vor allem tradiert aus der Geschichte des Berufs bei jungen Frauen. In letzter Zeit haben aber auch junge Männer den Beruf ergriffen. Es ist ein helfender Beruf, der auch in der Bevölkerung an Ansehen gewonnen hat. Die Fortbildungsmöglichkeiten wurden in den letzten Jahren ausgebaut. ZFAs tragen in den Praxen eine große Verantwortung und ohne sie kann eine moderne Zahnarztpraxis heute nicht mehr betrieben werden.


Welche Motivationen sehen Sie bei den Auszubildenden, die diesen Beruf wählen, und hat sich diese in den letzten Jahrzehnten verändert?

Albert Mergelsberg: Für die Auszubildenden hat sich insbesondere die Bezahlung als großer Motivationsfaktor erwiesen. Die Vergütung ist kontinuierlich gestiegen, weil man einerseits die enorme Bedeutung des Berufes der ZFA für die Zahnarztpraxis erkannt hat und andererseits gesehen hat, dass der Beruf im Wettbewerb mit anderen Ausbildungsberufen steht, deren Ausbildung bisher besser bezahlt wurde.

Qualität der Ausbildung

Wie beurteilen Sie insgesamt die Qualität der Ausbildung für ZFAs? Und gibt es da regionale Unterschiede?

Albert Mergelsberg: Die Qualität der Ausbildung hat sich in den letzten Jahren immer weiter verbessert. Früher gab es große Unterschiede. Grob gesagt, sprach man im Norden eher von einer besseren Putzkraft und im Süden von einer wichtigen Hilfskraft für die Zahnarztpraxis. Aber das hat sich mittlerweile angeglichen.

Welche Rolle spielen Ihrer Meinung nach die Berufsschulen im Vergleich zu den Praxen, wenn es um die Vermittlung fundierter Fachkenntnisse geht?

Albert Mergelsberg: Die Berufsschulen spielen eine sehr wichtige Rolle, wenn es um die Vermittlung fundierter Fachkenntnisse geht. Wichtig sind hierbei die Motivation und Schulung der Lehrerinnen und Lehrer. Es gibt nur wenige Möglichkeiten, Gesundheitspädagogik zu studieren. Oft werden Studiengänge in den Bundesländern nicht anerkannt.

Zudem sind die Gesundheitsstudiengänge stark auf die Pflege konzentriert und vernachlässigen die medizinischen und zahnmedizinischen Inhalte. Mittlerweile haben auch viele Zahnärztinnen und Zahnärzte den Beruf des Lehrers/der Lehrerin an der Berufsschule ergriffen. Damit ist natürlich die Fachkompetenz gegeben, aber ob das gesellschaftspolitisch erstrebenswert ist, sei dahingestellt. Wie ich in Baden-Württemberg gesehen habe und auch gefördert habe, kann auch eine Lehrerin oder ein Lehrer mit ganz anderen Fächern (Deutsch, Gemeinschaftskunde, Wirtschaft, Religion, Englisch) durch Fortbildungen hochmotiviert in die Lehrtätigkeit bei der ZFA einsteigen.

Ich selbst bin Volkswirt und bin über ein Programm des Kultusministeriums Baden-Württemberg mit vielen Besuchen in Zahnarztpraxen, Unizahnkliniken, Dentallaboren, Sozialversicherungen und theoretischer Untermauerung in die Lehrtätigkeit für die ZFA eingestiegen.

Gibt es bestimmte Ausbildungsinhalte, die aus Ihrer Sicht zu wenig Gewicht haben oder die dringend modernisiert werden sollten (etwa Digitalisierung)?

Albert Mergelsberg: Die Ausbildungsordnung ist erst vor kurzer Zeit geändert worden und trägt dem Fortschritt in allen Bereichen Rechnung. Gefordert wird Handlungskompetenz in den Dimensionen von Fachkompetenz, Selbstkompetenz und Sozialkompetenz. Gerade die kommunikativen Kompetenzen können in der Berufsschule gefördert und verbessert werden. Die Digitalisierung, die einen weiteren Schwerpunkt bildet, muss stärker als bisher in der Berufsschule Eingang finden.

In Baden-Württemberg wird im Unterricht im Teilbereich Praxisverwaltung/Abrechnung mit einem professionellen Zahnarztprogramm gearbeitet. Selbst in der Abschlussprüfung wird hier ein Zahnarztprogramm eingesetzt. Auch in den Themenbereichen Terminverwaltung (mit Personal- und Behandlungsplanung), Qualitätsmanagement, Lagerhaltung und -bestellung, Hygieneverwaltung, Dokumentation, Archivierung, Zahlungen und Buchungen sollten noch stärker professionelle Programme in den Unterricht in den Berufsschulen integriert werden.

In den Zahnarztpraxen werden die Auszubildenden mit diesen Themen am Rechner konfrontiert. In der Berufsschule können auch Anfängerinnen Fehler machen, ohne Konsequenzen befürchten zu müssen. Die CompuGroup stellt allen Berufsschulen hierfür das Programm CGM Z1.PRO mit einer Berufsschulversion kostenlos zur Verfügung. Dazu gibt es auch eine kostenlose Broschüre.

Herausforderungen im Ausbildungsalltag

Welche Herausforderungen erleben Auszubildende beziehungsweise Ausbilder heute besonders häufig in der Ausbildung?

Albert Mergelsberg: Die große Herausforderung ist sicher die Kommunikation mit den Patienten, die geübt und verbessert werden sollte. Es ist nicht einfach, sich auf unterschiedliche Patienten einzustellen. Hier muss eine Identifikation mit der Praxis entstehen. Beispiel: Ein Patient wendet sich mit einer Beschwerde an die Auszubildende. Es wäre völlig falsch zu sagen: „Das habe ich nicht zu verantworten“. Auch der Umgangston spielt eine große Rolle.

Ein weiterer Punkt sind die vielen Anforderungen der Digitalisierung. Neben der Telematikinfrastruktur mit ihren vielen Anwendungen auch die oben angeführten weiteren IT-Einsatzfelder. Hier wird auch der große Verantwortungsbereich einer ZFA deutlich.

Die manuelle Geschicklichkeit und das Verständnis für Teamarbeit stellen ebenfalls eine große Herausforderung dar.

Für Auszubildende spielt das Feedback durch den Ausbilder eine große Rolle (vergleiche Ausbildungsreport des DGB von 2024). Dafür sollte sich der Ausbilder regelmäßig Zeit nehmen. Auch sollte vor Ende der Ausbildung Klarheit über die Übernahme bestehen.

Wie gut sind die Berufsschulen Ihrer Meinung nach darauf vorbereitet, Auszubildende ohne ausreichende Deutschkenntnisse zu unterstützen?

Albert Mergelsberg: Das ist derzeit wohl eines der größten Probleme im Berufsschulunterricht. Es braucht zusätzliche Deutschkurse und der Unterstützung durch Sozialarbeiter, was in manchen Berufsschulen schon der Fall ist. Bei einer Schülerzahl von über 15 kann der/die unterrichtende Lehrer/in kaum auf die Bedürfnisse der „schwachen Schüler“ eingehen. Das betrifft sowohl Schülerinnen mit geringen Deutschkenntnissen als auch Schülerinnen mit niedrigem Bildungsniveau.

Attraktivität und Berufsbild


Albert Mergelsberg engagiert sich seit über 35 Jahren für die Aus- und Weiterbildung in Gesundheitsberufen – besonders für Zahnmedizinische Fachangestellte (ZFA). Als Diplom-Volkswirt und Pädagoge mit Lehrbefähigung für Gesundheitsberufe kennt er die Herausforderungen der Ausbildung genau. Auch nach seiner aktiven Dienstzeit bleibt er der beruflichen Bildung treu: Er führt Fortbildungen für ZFA-Lehrkräfte durch und schreibt Fachbücher, die heute als Standardwerke in der Ausbildung genutzt werden. Sein Wissen teilt er praxisnah und verständlich – mit dem Ziel, ZFA bestmöglich auf ihren Berufsalltag vorzubereiten.

Der Beruf ZFA wird im Vergleich zur MFA oft als weniger attraktiv wahrgenommen. Woran liegt das Ihrer Meinung nach?

Albert Mergelsberg: Das liegt an in der Tradition. Bis heute wird der Zahnarzt als „Unterform“ des Arztes angesehen. Das hat sich auf die Assistenzberufe in dem jeweiligen Bereich „übertragen“. Selbst in Behörden ist man oft der Meinung, dass die Tätigkeit in einer Arztpraxis ohne weiteres mit der Tätigkeit in einer Zahnarztpraxis vergleichbar ist.

Das geflügelte Wort: Wer Arzt ist, kann auch Zahnarzt! Dass dem nicht so ist, will ich hier nicht weiter ausführen. Ein Hinweis auf die unterschiedlichen Ausbildungen an den Universitäten und die Interessenvertretungen soll genügen. Interessant ist, dass bei älteren Patienten beide Berufe immer noch als „Sprechstundenhilfe“ bezeichnet werden.

Welche Maßnahmen könnten dazu beitragen, den Beruf ZFA langfristig aufzuwerten, etwa in Bezug auf Gehalt, Arbeitszeiten oder Karrieremöglichkeiten?

Albert Mergelsberg: Mit einer Vergütung von über 1.000 Euro im ersten Ausbildungsjahr und einem Gehalt von ca. 3.000 Euro im ersten Berufsjahr liegen die ZFA mittlerweile nicht „schlecht im Rennen“. Auch bei den Arbeitszeiten tut sich etwas. Gerade für Frauen, die noch immer den Hauptteil der Beschäftigten bilden, lässt sich Teilzeitarbeit gut in eine Zahnarztpraxis integrieren.

Die Aufstiegsmöglichkeiten sind für ZFAs seit Jahren besser als für MFAs. Im Bereich der Praxisverwaltung gibt es die Zahnmedizinische Verwaltungsassistentin (ZMV), im Bereich der Assistenz die Zahnmedizinische Fachassistentin, die Zahnmedizinische Prophylaxeassistentin sowie die Dentalhygienikerin, die auch selbstständig arbeiten können. Vor allem im Bereich der Prophylaxe und Parodontalbehandlung sind die drei letztgenannten nicht mehr wegzudenken. Mittlerweile ist auch ein Studium zur Dentalen Fachwirtin möglich. ZMV werden auch gerne von Krankenkassen eingestellt.

Gesellschaftliche und wirtschaftliche Einflüsse

Wie wirken sich gesellschaftliche Veränderungen, wie der Fachkräftemangel, auf die Ausbildungssituation aus?

Albert Mergelsberg: Der Fachkräftemangel ist schon jetzt evident und größer als zum Beispiel in der Pflege. Nicht nur mit einem attraktiven Gehalt, auch mit Zufriedenheit im Beruf, Übernahme von Verantwortung, Teamentwicklung, Fortbildung muss man „punkten“, um Auszubildende zu gewinnen.

Rolle der Pädagogik

Wie wichtig ist aus Ihrer Sicht die Vermittlung sogenannter „Soft Skills“ wie Empathie, Kommunikation und Teamfähigkeit in der ZFA-Ausbildung?

Albert Mergelsberg: Diese „Soft Skills“ sind in der ZFA-Ausbildung keine Soft- sondern „Hard Skills“. Sie sind ein essenzieller Bestandteil der Ausbildung. Ohne Empathie in unterschiedlichen Ausprägungen, ohne Kommunikationskompetenz und Teamfähigkeit kann man den Beruf nicht „professionell“ ausüben. Umfragen bei Patienten zeigen, dass Empathie in verschiedenen Ausprägungen und Kommunikation genau das ist, was Patienten von einer ZFA erwarten.

Zukunft der Ausbildung und des Berufsbildes

Welche Veränderungen wünschen Sie sich für die Ausbildung der ZFAs in den nächsten zehn Jahren?

Albert Mergelsberg: In den nächsten Jahren wird es auch in den Zahnarztpraxen zu massiven Änderungen kommen. So wird die KI auch in Zahnarztpraxen Einzug halten. Darauf muss die Berufsschule schon heute reagieren und den Umgang mit KI in den Unterricht integrieren. So wird eine KI entwickelt, etwa die die Zahnarztpraxis auf „Vergesslichkeit“ in der Behandlungsdokumentation hinweist und Ergänzungen vornimmt. In der Röntgentechnik weist die KI auf Befunde hin und wird immer „strahlungsärmer“.

Auch im Bereich der Präparation werden zukünftig KI-gesteuerte Geräte eingesetzt werden. Die digitale Abformung nähert sich heute schon der Marktreife. Es folgt die Anbindung an den Digitaldruck durch Spezialdrucker für den Zahnersatz. Darauf muss die Ausbildung ausgerichtet werden. Die Telematikinfrastruktur wird weiter ausgebaut werden. zum Beispiel die sichere Kommunikation mit den Patienten. Die Einbindung der elektronischen Patientenakte. Wegfall der elektronischen Gesundheitskarte beim Patienten, und so weiter.

Inwieweit können digitale Technologien oder neue Lehrmethoden dazu beitragen, die Ausbildung zu verbessern?

Albert Mergelsberg: In der Berufsschule müssen viele digitale Technologien Einzug halten. Hier kann an realen Problemen arbeiten, ohne gleich bei Fehlern Konsequenzen zu fürchten. Die Fortbildungsbereitschaft des Lehrkörpers ist dafür unabdingbare Voraussetzung. Krankenkassen, Gematik und Zahnarztkammern müssen die Schulen dabei unterstützen. Der Umgang mit Fehlern muss verstärkt gelehrt und gelernt werden. Am besten geeignet sind hierfür Projekte, die die Arbeit in der Zahnarztpraxis simulieren.

Auch die Lernmedien spielen dabei eine große Rolle: Der Cornelsen Verlag bemüht sich um attraktive Bücher mit Videounterstützung, E-Books und Lernprogramme.

Die Ausstattung der Berufsschulen für ZFA muss in Bezug auf die EDV-Räume, zahnärztliche Instrumente, Materialien, Geräte etc. verbessert werden. Auch sollten elektronische Tafeln (White Boards) sollten zur Verfügung stehen.

Wie beurteilen Sie die Zukunftsaussichten des ZFA-Berufes angesichts der rasanten Entwicklungen im Gesundheitswesen?

Albert Mergelsberg: Die Zukunftsaussichten für den Beruf der ZFA sind ausgezeichnet. Bei der Behandlung sind behandlungsbegleitende Berufe durch Menschen immer wichtiger. Die Kommunikation und das Einfühlungsvermögen in die zu behandelnden Menschen spielen nach wie vor eine große Rolle.

Abschlussfrage

Was würden Sie jungen Menschen sagen, die mit dem Gedanken spielen, eine Ausbildung zur/zum ZFA zu machen?

Albert Mergelsberg: Neben der manuellen Geschicklichkeit spielen die Kommunikation, die Bereitschaft im Team zu arbeiten, Verantwortung zu übernehmen und die Bereitschaft zur Digitalisierung eine wichtige Rolle. Der geschickte Umgang mit Patienten kann zu einer großen Zufriedenheit führen.

Kontakt

Beata Luczkiewicz

Freie Journalistin
Beata ist Fachautor für das Recall-Magazin und spezialisiert auf Themen rund um Praxismanagement, Patientenkommunikation und effiziente Abläufe in Zahnarztpraxen.
Mit über 15 Jahren Erfahrung im Gesundheitsbereich liefert sie fundierte und praxisnahe Inhalte für Praxisteams.


Email: kontakt@beata-luczkiewicz.de

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