Der Einsatz von Adjuvantien bei Parodontitis-Patienten (Teil 3)

Vesna Braun
Vesna Braun

Gut drei Jahre nach der Einführung der neuen PAR-Richtlinien haben wir uns an die vorgegebenen Regularien gewöhnt. Die Systematik und die einzelnen Sitzungen sind im Praxisalltag angekommen und das Personal (sofern vorhanden) wurde und wird auf die neuen Anforderungen (zum Beispiel UPT) geschult. Eigentlich, ja eigentlich könnten wir jetzt richtig gut durchstarten und die Volkskrankheit Parodontitis in Deutschland erfolgreich bekämpfen. Aber kaum ist ein Lichtblick zu erkennen, kommt das nächste Tief. Gemeint ist das Finanzstabilisierungsgesetz der GKV, welches uns drastisch bei der Weiterführung der PAR-Therapiestrecke einschränkt. In dieser Serie werden verschiedene Adjuvantien für den häuslichen und professionellen Einsatz unter die Lupe genommen.

Den Kopf in den Sand zu stecken, hilft weder uns noch den Patienten. Wir müssen mit den Veränderungen leben und lernen zu Selektieren. Hatten wir 2021 noch jedem Patienten und jeder Patientin mit Parodontitis I – IV eine PAR-Therapie empfohlen, können wir mit den vielen prophylaktischen und unterstützenden Methoden getrost selektieren. Patienten mit Stadium I (initiale PA) oder auch Patienten mit einem Stadium II (moderate PA) können mit Adjuvantien, professioneller prophylaktischer Unterstützung und verkürztem Recall meist ohne oder nach hinten gestreckter systematischer PA-Strecke vollzogen werden.

Anders sieht es bei Patienten mit Stadium III (schwere PA mit Potenzial für weiteren Zahnverlust) oder Stadium IV (schwere PA mit Potenzial für Verlust der Dention) aus. Für diese Patienten ist die gesetzlich vorgeschriebene Therapie unaufschiebbar.

Hier können uns Adjuvantien tatkräftig unterstützen: Während der aktiven Phase (Antiinfektiöse Therapie AIT) um vielleicht eine chirurgische PA-Therapie (CPT) zu umgehen oder auch während der UPT-Strecke, um eine PAR-Verlängerung zu umgehen.

Adjunktiver Therapieansatz für die Praxis (professional):

Unterstützender Therapieansatz mit H42

Das Hydrogel bleibt für 15 bis 30 Tage in der Zahnfleischtasche.

Hintergrund
H42 ist ein polymeres Hydrogel mit modulierter Viskoelastizität, das als Hilfsgel bei der nicht-chirurgischen Behandlung von Parodontitis und Periimplantitis und nach mechanischer Plaqueentfernung, Biofilmentfernung und Wurzelglättung in parodontalen und periimplantären Taschen verwendet werden kann.

Es fördert die Wiederherstellung des funktionellen Attachments (Zahn/Implantat) und wirkt als chemotaktisches Mittel für verschiedene Zelltypen, die am Wundheilungsprozess beteiligt sind, einschließlich der Fibroblasten der Gingiva und des parodontalen Ligaments.

Das equine Kollagen H24 verbleibt für 2-4 Wochen in der Parodontaltasche. Dabei wird die Oberfläche verdichtet und die sonst so schnelle bakterielle Rekolonisation verhindert. Das Gel ist kein Antibiotikum (keine Resistenzbildung), es basiert auf Typ-I-Kollagen von Pferden und Ascorbinsäure.

Inhaltsstoffe / Wirkung
H42 besteht aus zwei resorbierbaren Polymeren, Collagen und Ascorbinsäure. Bei den Polymeren konnte man mit Polyethylenoxid (PEO) die Produktstabilität und mit Hydroxyprophylmethylcellulose (HPMC) die Flüssigkeiten leichter absorbieren, so dass das Gel sein Volumen nach der Implantation vergrößert, mehr Platz einnimmt und sich im subgingivalen Bereich stabilisiert.

Das Kollagen fördert die Heilung und Geweberegeneration des paro-dontalen und periimplantären Bereichs und Ascorbinsäure gewährleistet die Stabilität der rheologischen Eigenschaften des Hydrogels. Das Gel verbleibt in der Zahnfleischtasche für etwa 15 bis 30 Tage.

Währenddessen dichtet es die Parodontaltasche ab und schränkt die bakterielle Wiederbesiedlung ein, bis die Bestandteile der Trägerstruktur zur vollständigen Absorption freigesetzt werden.

Kontraindikation

  • keine bekannt

Indikation – klinische Situation

  • während/nach AIT
  • Periimplantitis
  • UPT

Vorgehen Step-by-Step

  1. Subgingivale Oberflächenreinigung mittels Ultraschall, Handinstrumentation oder Pulver-Wasserstrahl-Gerät, Taschentiefenmessung (zur Verlaufskontrolle) (Abb. 1).
  2. Anschließend wird mit der Papierspitze die zu behandelnde Parodontaltasche getrocknet (Abb. 2).
  3. Mit einer feinen Kanüle (z. B. Gauge 22-27) wird das fließfähige H42-Gel in die Parodontaltasche von subgingival nach coronal appliziert, bis sich am Sulkus ein leichter Überschuss bildet (Abb. 3).
  4. Fünf Minuten Wartezeit, damit das Gel antrocknen und sich die Konsistenz verfestigen (geleeartig) kann. Hierbei ist eine relative Trockenlegung völlig ausreichend.
  5. Der Patient muss anschließend eine Stunde auf Essen und Trinken verzichten, ansonsten keine Einschränkungen und die Mundhygiene kann wie gewohnt durchgeführt werden.

Verfügbarkeit

  • Über den Dentalhandel oder Curaden verfügbar

Tipps & Tricks aus dem Alltag

Um die 5 Minuten Trocknungsphase zu überbrücken, kann Hintergrundmusik, Gelenkentspannung (Watterolle zwischen die Zahnreihen legen und zubeißen lassen) helfen. Die Behandlerin kann währenddessen die Dokumentation durchführen.

Studienlage
Die Wirkung von H42 wurde in verschiedenen Studien belegt. Informationen hierzu gibt es beim Hersteller Bioteck oder bei Curaden.

Vorteile von H42

  • fördert die natürliche Regeneration des Zahnfleisches
  • hohe Patientenakzeptanz
  • frei von CHX, chemischen Konservierungsstoffen oder Desinfektionsmitteln
  • keine Kontraindikationen
  • einfache Applikation
  • kein Rinder- oder Schweinefleischkollagen und damit für alle religiösen Gemeinschaften geeignet.

Hier könnt Ihr den Test zum unterstützenden Therapieansatz mit H42 als pdf herunterladen.

Adjunktiver Therapieansatz für den Patient (häuslich):

Unterstützender Therapieansatz mit Lumoral

Lumoral wirkt selektiv antibakteriell auf Plaque.

Hintergrund
In der recall Ausgabe 3/2024 haben wir über die positiven Therapieergebnisse der professionellen Anwendung mit der antimikrobiellen photodynamischen Therapie (aPDT) und dem Helbo-Laser berichtet. Die Lumoral-Methode basiert auf der sogenannten „Dual-Light Methode“, also einer Kombination der anti-bakteriellen photothermischen Blaulichttherapie (405 nm aBL) und antibakteriellen photodynamischen Therapie (810 nm Nah-infrarot LED-Licht). Lumoral ist ausschließlich für die häusliche Anwendung als Ergänzung zur täglichen Mundhygiene bestimmt und soll selektiv antibakteriell auf Plaque wirken, ohne die Mundflora negativ zu beeinflussen. Das Lumoral-Konzept besteht aus Lumorinse Brausetabletten, dem Mundstück und einer Akku-Powerbank.

Inhaltsstoffe / Wirkung
Während der Lumorinse-Mundspülung (Minze-Geschmack) haftet sich der lichtempfindliche Wirkstoff Indicyaningrün (Konzentration von 250 µg/ml) am Zahnbelag an. Das Mundstück hat 48 LED-Komponenten, die Licht auf beide Zahnbögen abgeben, so dass sie gleichzeitig das am Zahnbelag haftende Indicyaningrün (IGC) aktivieren können.

Das Gerät bietet eine duale Lichtwirkung, wobei 810 nm Licht an den Bakterien haftendes IGC aktiviert und 405 nm aBL von den intrinsischen Chromophoren – hauptsächlich Porphyrinen und Flavinen – innerhalb der Bakterienzelle absorbiert werden.

Kontraindikation

  • Patienten mit Unverträglichkeit gegenüber oben genannten Inhaltsstoffen (Brausetablette)

Indikation – klinische Situation

  • Gingivitis
  • während / nach PA-Behandlungen
  • während / nach chirurgischen Eingriffen
  • Mukositis / Periimplantitis
  • Patienten mit erhöhtem aMMP-8 Wert
  • Patienten mit Risikofaktoren (etwa systemischen Erkrankungen, Raucher)
  • Patienten mit starker Zahnsteinbildung
  • Patienten mit erhöhtem Kariesrisiko
  • Halitose

Vorgehen Step-by-Step

  1. Die Brausetablette Lumorinse wird in ein Glas mit etwa 30 ml Wasser aufgelöst.
  2. Anschließend etwa 60 Sekunden lang damit spülen (Foto links).
  3. Mundstück zwischen oberen und unteren Zahnbogen einsetzen, das Kabel am anderen Ende an die Powerbank anschließen und Einschalttaste drücken. Nach 10 Minuten schaltet sich das Mundstück selbstständig aus (Foto rechts).
  4. Nach der vorgegebenen Tragedauer erfolgt die Zahnreinigung mit den für den Patienten empfohlenen Hilfsmitteln.

Anwendungsempfehlung des Herstellers

  • präventiv: 2 x wöchentlich / je 10 Min. (Neueinschätzung nach 1 Jahr)
  • therapeutisch: 1 x täglich (Neueinschätzung nach 3 Monaten)
  • intensiv-therapeutisch: 2 x täglich (Neueinschätzung nach 4 Wochen)

Verfügbarkeit

  • über Dentalhandel für Praxen
  • über Apotheken und im Internet für Patienten

Tipps & Tricks aus dem Alltag

  • Sofern die Praxis über einen Dentalshop verfügt, Produkt direkt anbieten.
  • Die risikobasierte Anwendungsempfehlung resultiert aus der Prophylaxesitzung und der Spezialistin.
  • Bei der Anwendung / Durchführung können Patientenwünsche leicht umgesetzt werden (es muss nicht im Badezimmer stattfinden).
  • Da sich das Mundstück während der Anwendung leicht erwärmt, kann bei Empfindlichkeiten die Belichtung zwischendurch ausgeschaltet werden.

Studienlage
Die antibakterielle Wirkung wurde in verschiedenen Studien belegt. Informationen hierzu gibt es bei der Firma White Cross.

Vorteile

  • effiziente antibakterielle Wirkung
  • gute Verträglichkeit
  • keine Resistenzbildung
  • angenehmer Geschmack der Spülung
  • individuelle Anwendung in Häufigkeit und Intensität

Hier könnt Ihr den Test zum unterstützenden Therapieansatz mit Lumoral als pdf herunterladen.

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