Die Zahlen sprechen eine klare Sprache und bestätigen, was das medizinische Personal erlebt. Erst kürzlich haben die Kassenärztliche Bundesvereinigung und der NAV-Virchow-Bund Zahlen zum Thema Gewalt gegen Ärzte in Praxen vorgelegt. Demnach kommt es in Arztpraxen täglich zu 75 gewalttätigen Vorfällen. Dazu kommen noch 2.870 Fälle von verbaler Gewalt jeden Tag. Die Statistik zeigt, dass Übergriffe in Arztpraxen inzwischen zum Alltag gehören: Jeder vierte Arzt hat schon mal Erfahrungen mit körperlicher Gewalt in der Praxis gemacht.
Zum Glück haben nicht alle schon mal körperliche Attacken erlebt. Aber dass Patienten sich daneben benehmen und aggressiv werden, das kennt fast jeder. Wenn alle Versuche, die Situation zu entschärfen, gescheitert sind. Wenn der Streit um Termine, Wartezeiten, Rezepte oder eine Krankschreibung nicht sachlich gelöst werden konnte. Für solche Fälle geben auch erfahrene Polizisten in speziellen Seminaren konkrete Tipps, wie man sich am besten verhalten sollte, wenn man in eine brenzlige Situation kommt. Ein Beispiel hierfür ist das Seminar “Gewalt in Arztpraxen”:
Tipps für den Praxisalltag
Eines ist sicher: Mitarbeiter in Praxen sind nicht wehrlos, auch nicht die körperlich unterlegenen Frauen. Die wichtigsten Fragen sind also: Wie gefährlich wird es gleich? Wie kann ich erkennen, dass es gleich Ärger gibt? Aber eben auch: Was kann ich im Ernstfall tun?
Ein Beispiel: Du hast medizinisches Fachwissen. Die Patientin oder der Patient nicht. Du weißt, wie die Abläufe in der Praxis sind. Die Patientin oder der Patient ist da oft weniger bewandert. Im Endeffekt bist du es, die mehr weiß und mehr kann. Es hilft, sich das immer wieder vor Augen zu führen. So kann man sein Gegenüber und Situationen besser einschätzen und knifflige Situationen vermeiden. Wenn man sich in sein Gegenüber hineinversetzt, hat das am Ende des Tages für alle Vorteile. Die Praxismitarbeiter profitieren genauso wie die Patienten.
Außerdem gibt es ganz konkrete Tipps, die dazu beitragen, dass man sich sicherer fühlt. Zum Beispiel diesen: Hinter dem Tresen, in Reichweite, eine Schale mit Vogelsand deponieren. Oder eine offene Dose mit Büroklammern. Und wenn es doch mal so weit kommt, dass man angegriffen wird, kann man dem Angreifer etwas entgegenwerfen. Das ist besser als Pfefferspray. Oder man kann auch Codewörter vereinbaren. Zum Beispiel kann der Ausruf “Bring mir mal die Akte xy” das Signal an das Team sein, die Polizei zu verständigen.
Hier noch eine Idee: Auch die Möbel sollten natürlich richtig ausgerichtet werden. Oft stehen die Möbel nämlich falsch und man kann sich dann nicht zurückziehen, wenn’s nötig ist. Die Möbel sollten so stehen, dass man im Falle eines Übergriffs jederzeit fliehen kann. Wie eine knifflige Situation in einer Praxis ausgeht, hängt auch davon ab, wie man selbst auftritt. Deeskalation oder Zuspitzung? Auch das Verhalten des Praxisteams spielt hier eine wichtige Rolle. Wenn man Patienten von oben herab behandelt, nicht auf sie eingeht, Lehrerverhalten zeigt oder mit medizinischen Fachausdrücken um sich schmeißt, macht man die Situation nur schlimmer. So ein Verhalten macht Patienten aggressiv. Eines der Zauberwörter, um die Situation zu entschärfen, ist deshalb Freundlichkeit – in jeder Situation.
Empathie zeigen
Deshalb die Empfehlung: Mach gereizten Patienten ein Angebot, stell Fragen und gib ihnen Infos. Kurz gesagt: Man muss sich ihrer annehmen. Das ist für Praxismitarbeiter eigentlich ganz einfach und hilft dabei, Situationen mit schwierigen Patienten schnell zu entschärfen.
Grundsätzlich hilft es auch, dass man seinen Job mag. Wenn du gerne zur Arbeit gehst, wirst du weniger angegriffen. Das liegt einfach daran, dass man eine andere Haltung hat und auch anders rüberkommt. Denn eins ist klar: Die Gedanken beeinflussen die Körpersprache.
Neben der eigenen Einstellung und Körpersprache gehört übrigens auch eine starke Stimme zu einem guten, selbstsicheren Auftreten. Die Stimme kann eine ziemlich starke Waffe sein. Sie sorgt nicht nur dafür, dass man Aufmerksamkeit bekommt, sondern kann das Gegenüber auch verunsichern.
Handlungstipps für den Praxisalltag:
Verbale Gewalt, Androhungen von Handgreiflichkeiten, übergriffige Patienten – damit müssen wir rechnen. Das sollte heute keinen Praxismitarbeiter mehr überraschen. Hier kommen fünf konkrete Tipps, wie ihr im Fall der Fälle richtig handelt:
1. Entwickelt ein Gefahrenbewusstsein
2. Deckt Schwachstellen in der Praxis auf
3. Schaut in die Patientenakte
4. Deeskaliert kommunikativ
5. Plant die Flucht als geeignetes Mittel ein
6. Alarmiert die Polizei
Fazit: Wenn es in einer Praxis zu einem Vorfall kommt, ist es wichtig, die Nachsorge nicht zu vergessen. Stattdessen gilt: Reden hilft!
Quelle:
- Ärzteblatt, „Gewalt gegen Ärzte: Gewappnet für den Ernstfall“ unter https://www.aerzteblatt.de/archiv/199735/Gewalt-gegen-Aerzte-Gewappnet-fuer-den-Ernstfall
- KBV, „Resolution gegen Gewalt in Praxen“ unter https://www.kbv.de/html/71555.php
- Frederik Beyer, „Erfolgsfaktor Stimme: Stimm- und Kommunikationstraining für Ihre Zahnarztpraxis“ unterErfolgsfaktor Stimme – Frederik Beyer (erfolgsfaktor-stimme.com)
- Karrierebibel, „Stimme trainieren – Die Macht der Stimme“ unter https://karrierebibel.de/stimme-trainieren/